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Ausgabe:

1982

Spalte:

19-21

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Haack, Friedrich-Wilhelm

Titel/Untertitel:

Jugendreligionen 1982

Rezensent:

Bloth, Peter C.

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

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gen gehaltene. S. J. Noorda, Illnessand Sin, Forgivingand Healing.
The Connection of Medical Treatment and Religious Beliefs in Ben
Sira 38,1-15 (S. 215-224) zeigt am Beispiel der Medizin den Versuch
positiver Rezeption hellenistischer Kultureinflüsse im Judentum.
Zur Interpretation eines Abschnitts aus Ben Sira, Sir 24, will auch J.
C. H. Lebram, Jerusalem, Wohnsitz der Weisheit (S. 103-128), beitragen
. Er widerspricht einer Identifizierung von Weisheit und Gesetz
, sieht hinter Sir 24 (bes. v. 12ff) das Modell einer Schutzgöttin
über Stadt und Land und nimmt dazu die ältere These (von R. Harris)
auf, daß ein Einfluß der Stadtgöttin Athene (!) - freilich vermittelt
über die stoische Kosmologie und deren Vorstellung von dem Logos
als Durchwanderer des Alls - vorliegt: die heimatlose Sophia wird zur
Stadtgöttin Jerusalems. Cornelia Wolfskeel bringt "Some Remarks
on the Religious Life of Monica, Mother of Saint Augustine"
(S. 286-296), wobei sie von der von ihr beschriebenen ekstatischen
Levitation beim Sakramentsempfang ausgeht, dieses an der Grenze
von Magie und Religion liegende Phänomen religionsvergleichend
und frömmigkeitsgeschichtlich betrachtet und es der im platonisch-
neuplatonischen Raum entwickelten Vorstellung von der Himmelsreise
der Seele zuordnet.

Sammelbände von Spezialisten - auch wenn sie höchster Qualität
sind, wie der hier vorliegende - ersetzen großflächige Darstellungen
gewiß nicht. Dem größer werdenden Kreis der Interessenten geben sie
jedoch besser als diese einen Einblick in aktuelle Problemausschnitte
und die methodische Vielfalt gegenwärtiger Arbeit an der hellenistisch
-römischen Umwelt des frühen Christentums.

Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Haack, Friedrich-Wilhelm: Jugendreligionen. Ursachen, Trends,
Reaktionen. München: Claudius; Pfeiffer 1979. 435 S. 8 Kart.
DM 29,80.

Das ebenso umfang- wie lehrreiche Buch verdanken wir einem der
besten Kenner der sog. Jugendreligionen. Der Vf., seit 1969 Beauftragter
der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Sekten-
und Weltanschauungsfragen, hat sogar den Titelbegriff selbst geprägt.
Seine frühere zweiteilige Arbeit u. d. T. „Die neuen Jugendreligionen
" (1974, 18. Aufl. 1978; 1977, 3. Aufl. 1978) lenkte zum ersten
Mal besonders wirksam das öffentliche und so auch das kirchlichtheologische
Interesse auf Phänomene innerhalb der modernen - soweit
wir wissen: überwiegend der westlichen - Industriegesellschaften
, für die das herkömmliche Vokabular keine zureichende Bezeichnung
bereitstellte. Der von Haack damals eingeführte und definierte
Begriff .Jugendreligionen' bot denn auch Möglichkeiten für vielerlei
Angriffe und Verdächtigungen; daß sie von einigen der betroffenen
Gruppen oder Gemeinschaften so vehement wahrgenommen wurden
- das Buch spiegelt an vielen Stellen den daraus resultierenden
Kampf wieder -, zeigt jedoch aufs Ganze gesehen seine Treffsicherheit
und Griffigkeit. Zugleich aber deutet sich damit bereits das wissenschaftlich
zentrale Problem des Buches an. Bevor darauf näher
eingegangen werden kann, ist ein Blick auf den Inhalt des Buches und
seine Architektur notwendig.

Den weit überwiegenden Teil (79-302) nehmen die Darstellungen
von insgesamt acht solcher ,Jugendreligionen' ein. Diese Teile umfassen
je nach zur Verfügung stehendem und verwendetem Material
zwischen zwölf und 36 Seiten, sie alle folgen aber einem bestimmten
einheitlichen „Darstellungsmuster" (79). Der Autor will mit diesem
„Darstellungsraster" die „gleiche Grundstruktur" sichtbar machen,
die „allen" diesen Bewegungen „zu eigen" ist (80). Beachtet man die
Fülle der verarbeiteten Daten und der darüber hinaus mit den einzelnen
Literaturverzeichnissen angebotenen weiteren Informationen,
dann läßt sich das Gelingen dieser anspruchsvollen Absicht
nicht ganz einfach konstatieren. Anders ausgedrückt: Der Rez.
möchte hier eher zurückhaltend urteilen, denn ob mit dem zunächst

rein technisch anmutenden Raster die - wie der Autor meint: -
„Wirklichkeit der Jugendreligionen" (80) getroffen wird oder nicht,
ist für den Leser naturgemäß kaum nachprüfbar. Bei der Darstellung
wird folgendes Muster verwandt: „1. Name der Gruppe; 2. Ziele;
3. Die Methode; 4. Der Führer; 5. Die Gruppe; 6. Organisation und
Hierarchie; 7. Lehre; 8. Werbung und Mission; 9. Geschichte; 10.
Kult; 11. Kritik und Gegenkritik; 12. Literatur" (800, Selbstverständlich
bietet jeder dieser Punkte mehr als nur solche Aufzählungen
oder Zitate, die seine Überschrift erwarten läßt. Wenn trotzdem
schon darin eine „gleiche Grundstruktur" aller behandelten Jugendreligionen
ans Licht treten soll, dürfte das doch wohl eher derjenigen
Strukturierung zuzuschreiben sein, die der Vf. selbst in den ersten
Abschnitten des Buches vorbereitet und ausspricht.

Hier ist vor allem auf den Abschnitt „Heiliger Meister, Rettendes
Rezept und Gerettete Familie - Kennzeichen der Jugendreligionen"
(23-32) hinzuweisen. In diesen drei Begriffen liegen, wie Haack
jeweils durch Zitate aus einigen der von ihm untersuchten Gruppen
unterstreicht, offenbar wirkliche Kenn-Zeichen vor. Sie bilden denn
auch den Kern der Strukturierung, die der Vf. als „Darstellungsmuster
" anwendet; die obengenannten Ziffern „3. Die Methode; 4.
Der Führer; 5. Die Gruppe" entsprechen in mehr technischer Terminologie
genau jenen Kenn-Zeichen, wie Haack selbst (80f; vgl. ferner
z. B. 369) auch erkennen läßt. Demnach handelt es sich bei den Darstellungen
der Jugendreligionen um bereits systematisierte Bilder,
welche die Schilderung und Erklärung ihrer Gegenstände aus einer
durch selbsterarbeitete .Typologie' oder .Morphologie' geprägten
Sicht gewinnen. Dies Verfahren ist natürlich legitim, muß aber hinsichtlich
seines Ertrages daraufhin geprüft werden, ob die Sicht-Weise
selber nach Begründung und Systematik ausreichend und sachgerecht
ist.

Nun kann es in einer kurzen Rezension nicht darum gehen, an die
einzelnen Darstellungen diese beiden Kriterien heranzutragen. Die
„Internationale Gesellschaft für Krsna-Bewußtsein" (82-92), die
„Vereinigungskirche" des Koreaners San Myung Mun (93-127), die
„Scientology"-Bewegung des Amerikaners L. R. Hubbard (147-182),
die „Transzendentale Meditation" des Mahesh Yogi (183-215), aber
auch die „Kinder Gottes/Familie der Liebe" von David Berg
(266-302) - um nur die wichtigsten behandelten ,Jugendreligionen'
zu nennen - müßten dann gleichsam nochmals untersucht werden.
Nicht nur dies Buch, sondern Haacks Untersuchungen in ihrer Gesamtheit
(413 f, 427) zeigen jedoch, daß dazu kein Anlaß besteht. Abgesehen
von einzelnen störenden, weil nicht stimmigen Vergleichen
(z. B. 105) sieht man sich durch reichliche Zitate, aber auch durch
eine umfassend dokumentierende Gesamt-„Literaturliste" am Ende
des Buches (412-435) zuverlässig informiert.

Schwierigkeiten entstehen für den Rez. dagegen aus zwei Überlegungen
. Zunächst: Die oben erwähnten, durch ein sozusagen
morphologisches' Verfahren vorab gewonnenen, einheitlich strukturierenden
Kenn-Zeichen werden an keiner Stelle des Buches religionswissenschaftlich
interpretiert und so einem auch religionstheologischen
Verständnis geöffnet. Es kann ja kaum zweifelhaft sein, daß
gerade die drei Kategorien .Meister', ,Rettung' und ,neue Gemeinschaft
' keine Spezifika der sog. Jugendreligionen sind; wenn man sie
aber als eher gemeinreligiös bezeichnen kann, wie hätte man dann
diese ihre modernsten Ausprägungen religionswissenschaftlich und
theologisch zu beurteilen? Mit solchen Fragen könnte und sollte das
Buch weitergeführt werden.

Eine zweite kritische Überlegung wird von der Art angeregt, in der
Haack die in seinem Untertitel genannten „Ursachen" und
„Trends" erhebt und zuspitzt. Mit Recht läßt der Vf. an vielen Stellen
so etwas wie kritische Besinnung auf Verhalten und Lehre gerade
der christlichen Kirchen im Umgang mit der jungen Generation
erkennen. Man vermißt jedoch die im Falle jeder der acht behandelten
.Jugendreligionen' verschiedenartig notwendige und nur aus unterschiedlichsten
Quellen und Materialien zu leistende Analyse des
jeweiligen Entstehungs- und Verbreitungskontextes. Von den darge-