Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1982

Spalte:

413-416

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Reallexikon für Antike und Christentum 1982

Rezensent:

Seidel, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

413

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

414

(z. B. einer Aussage des Apostels Paulus) und der Bedeutung eines
Geschehens (sagen wir: Jesu Kreuzestod). Ein Geschehen - der Tod
Jesu - kann gewiß in einer neuen Zeit eine Bedeutung bekommen, die
es vorher noch nicht hatte. Aber damit ändert sich nicht die Bedeutung
der Aussagen des Apostels Paulus über den Tod Jesu. Eben der
Versuch, die letzten in Einklang zu bringen mit einer neuen Bedeutung
des Todes Jesu - schon Paulus sagte, was wir jetzt sagen - heißt:
die Bibel auf die eigene Seite bringen.

Ich schließe ab mit einer generellen Bemerkung über die Beschäftigung
von Theologen mit Sprache. Sollen Theologen sich dieser
Beschäftigung hingeben, ist es eine unbedingte Pflicht oder steht es in
jedermanns Freiheit, hier seine eigene Wahl zu treffen? Ich versuche
eine differenzierte Antwort zu geben.

Erstens: Es hängt selbstverständlich davon ab, mit welcher Arbeit ein
Theologe beschäftigt ist.' Nicht jeder Pfarrer, zum Beispiel, ist unbedingt
ein Theologe, und nicht jeder Theologe braucht eine Einführung
in die Geheimnisse der, sagen wir, analytischen Sprachphilosophie.

Zweitens: Es wäre dennoch angebracht, daß man die Ebene der
Willkür und Unverbindlichkeit verließe, und alle Theologiestudenten
verpflichtet würden, wenigstens - und wäre es nur das - daran zu
riechen, so wie das der Fall ist, wenn es um Psychoanalyse oder
(modemer) um die Energiefrage geht. Man soll während seines Studiums
alle diese Sachen einmal gehört haben, damit man sich selbständig
weiter orientieren kann, wenn man dazu fähig ist, dazu Lust
hat oder dazu herausgefordert wird.

Also: Beschäftigung mit Sprache gehört in die theologische Ausbildung
.

Drittens möchte ich sagen, daß nicht unbedingt jeder Systematiker
darüber hinaus verpflichtet ist, sich um weitgehende Erkenntnisse auf
dem Sprachgebiet zu bemühen.

Gewiß hängt das auch von der Definition von Theologie ab. Ich
beeile mich zu sagen, daß es mir unangebracht schien, hier auch noch
einmal eine ganze Reihe Theologie-Definitionen vorzuführen, denn
auch die Debatten darüber, was Theologie heißen soll und was nicht,
nehmen kein Ende. Jedenfalls bringt mein Vorschlag nicht mit sich,
daß Systematiker unbedingt verpflichtet wären, sich in dieser fünffachen
Hinsicht mit Sprache zu beschäftigen. Mein Fazit wäre ganz
schlicht: weil und insofern (quia et quatenus) Sprache Mittel zur Verständigung
und Kommunikation ist, aber nur weil und insofern das
der Fall ist, sollte es einige Theologen geben, die sich um Sprache in
dieser oder jener Hinsicht bemühen. Man kann auch ein hervorragender
Systematiker sein, ohne sich in diesem fünffachen Sinne in die
Probleme der Sprache vertieft zu haben.

Nur, in einem solchen Falle hüte sich ein Systematiker vor Aussagen
über Sprache, denn wer Aussagen über Sprache macht, der
muß sich mit ihr auf eine verantwortliche Weise beschäftigt haben.

Allgemeines, Festschriften

Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung
des Christentums mit der antiken Welt, hrsg. v.
Th. Klauser in Verb. m. C. Colpe, E. Dassmann, A. Dihle, B. Köt-
ting, W. Speyer, J. H. Waszink. Bd. X, Lfg. 78-80: Geschlechter-
Gigant. Stuttgart: Hiersemann 1978-80. Sp. 801-1286.4

Die ThLZ mußte für die Besprechung des RAC einen Rezensentenwechsel
vornehmen. Das brachte eine Reihe von Problemen mit
sich, die sich unterbrechend und verzögernd auf den kontinuierlichen
Fortgang der Rezensionen auswirkten. Mit der Besprechung der letzten
Lieferungen zu Bd. X wird nicht nur die unterbrochene Arbeit
wieder aufgenommen, sondern zugleich die in Kürze folgende Rezension
von Bd. XI signalisiert.

Unter den 13 Artikeln der Lieferungen 78-80 sind nur drei
.Realien' gewidmet. Am umfangreichsten ist der Art. „Gewitter" von
Wolfgang Speyer (Sp. 1107-1172), der umfassend über naturwissenschaftliche
Erklärungen, theologische Bezüge und die Verwendung in
der Bildsprache informiert. Annick Lallemand und Herbert Ditt-
mann teilen sich in den Art. „Gewürze" (Sp. 1172-1209). Man kann
dankbar vermerken, daß hier der israelitisch-jüdische Bereich in
Altes Testament, frühjüdische Literatur und Literatur der talmudischen
Epoche gegliedert ist und nicht - wie in vielen Artikeln des Lexikons
- vom Alten Testament über Philo bis zum Judentum des
Frühmittelalters alles undifferenziert unter Jüdisch" oder „AT/Ju-
dentum" subsumiert erscheint. Der Art. „Gift" von Alphons A. Barb
'Sp. 1209-1247) ist ein Beispiel für das zuletzt Gesagte. Bei diesem
Thema hätte man sich die Einbeziehung der jüdischen Literatur der
hdlenist.-röm. Zeit gewünscht, in der sich z. B. zum Stichwort
■Schlangenbiß' (Hen 69,12) oder ,Pfeilgift' (ApcEl 28,1) manche Ansahen
linden.

Sehr unterschiedlich in Länge und Bedeutung sind die Artikel, die
s'ch mit den Eigenschaften und Fähigkeiten, mit dem personalen,
Medizinischen und psychologischen Habitus des Menschen beschäftigen
. Bernhard Kötting begnügt sich mit 7 Spalten zum Stichwort
-Geste und Gebärde" (Sp. 896-902). „Das Stichwort wird hier nur
aufgegliedert; es werden Hinweise auf frühere Art. u. Lit. gegeben"
(Sp. 895). Dieses Vorgehen wird leider nicht begründet. Zwar ergeben

sich von der Sache her Darstellungsprobleme, „da eine scharfe Abgrenzung
zwischen Gesten und Gebärden kaum durchzuführen" ist,
aber der Vf. biejet - für eine ausführlichere Darstellung geeignet -
eine brauchbare Unterscheidung an. Unter Gesten als „bewußt zielgerichtete
Bewegung der Glieder des Körpers, die eine Ausdrucksabsicht
verfolgen" (Sp. 896), werden ,Auge, Mund/Kuß, Hand/Finger
, Fuß' genannt. Gebärden gründen sich auf anthropologische Konstanten
(Freude, Trauer usw.). Dazu gehören Sitzen, Stehen, Knien
sowie Lachen/Weinen und Tanz.

Der Gewichtigkeit des Stichwortes „Gewissen" entspricht der Umfang
des Artikels von Henry Chadwick (Sp. 1025-1107). Er bietet zunächst
Überlegungen zum Begriff an und geht dabei von syneidesis
und conscientia aus. Der Abschnitt .nichtchristlich' ist in vorklassische
Zeit, klassische und hellenistische Philosophie und israelitischjüdisch
aufgeteilt. Einen Begriff des griechischen Denkens als Einstieg
und Thema zu benutzen, mag für Philo und Josephus angehen, für
das AT - und das rabbinische Schrifttum - ergeben sich jedoch
Schwierigkeiten. Der Vf. sucht diese zu umgehen, indem er für das
AT von der .Vorstellung der Verantwortlichkeit' ausgeht. Ist diese
aber das gleiche wie .Gewissen'? Wenn Test XII einen eigenen Abschnitt
erhalten, dann hätte man sich die Einbeziehung anderer jüdischer
Schriften der hellenist.-röm. Zeit und der Qumran-Literatur
gewünscht. Die kritischen Anmerkungen sollen indessen nicht verdecken
, daß dieser Artikel eine Fundgrube von Informationen ist.

Alois Kehl äußert sich in 80 Spalten zum Stichwort „Gewand (der
Seele)" (Sp. 945-1025). Der Vf. kommt zuerst auf die Metapher Gewand
' zu sprechen und weist auf hebr. IbS und Texte aus dem Zweistromland
hin. Ist es aber zulässig, diese allgemeine Metapher mit
.Gewand der Seele' gleichzusetzen und für den Ursprung dieser Wendung
Belege aus sumerischen Götterliedern (z. B. .mit Schrecken bekleidet
') anzuführen? Hinter solchen Formulierungen, zu denen auch
die alttestamentlichen Passagen unter Verwendung von IbS zu rechnen
sind, steht kaum die Vorstellung von der Einkleidung einer Seele.
Der Hinweis in Sp. 967, daß „im AT das Bild vom G. der Seele nur
als reine Metapher vorkommt" ist irreführend, da zwar die Metapher
.Gewand' Verwendung findet, aber eine Seele nicht damit verbunden
erscheint. Instruktiv sind dagegen die Ausführungen zur Verwendung
der Gewandvorstellung im christlichen Bereich.