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Ausgabe:

1982

Spalte:

369-370

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Welte, Bernhard

Titel/Untertitel:

Meister Eckhart 1982

Rezensent:

Heidrich, Peter

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Seite 1

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369

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 5

370

rischen Erklärungen bieten würde. Damit soll die ausgezeichnete
Qualität der hier vorgelegten Untersuchung nicht geschmälert, sondern
eher noch unterstrichen werden.

Rostock Gert Haendler

Welte, Bernhard: Meister Eckhart. Gedanken zu seinen Gedanken.
Freiburg-Basel-Wien: Herder 1979 268 S. 8 Kart. DM 32,-.

Dieses Buch gilt nicht nur einem Meister, es stammt auch von
einem. Jahrzehnte hat der Vf. über die Sache des Meister Eckhart
nachgedacht. Er lernte die Gedanken Eckharts durch einen Freund
kennen, der selbst von Jugend an Eckhart gelesen und geliebt hatte.
Vorlesungen und Übungen über Eckharttexte gaben immer wieder
Gelegenheit zum Austausch. Vf. gedenkt auch eines Gesprächs mit
Heidegger, wenige Monate vor dessen Tode - es ging dabei um die
Sache Eckharts. Dem vorliegenden Buch ist es abzuspüren, daß hier
ein Leben lang um Eckhart gekreist wurde; nur der Verehrung wird
ein solches Opus gewährt.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: 1. Der Weg ins dunkle Licht
der Gottheit. 2. Der Seelengrund als Voraussetzung des Weges ins
dunkle Licht der Gottheit. 3. Die Vision der Welt im dunklen Licht
der Gottheit. Die Einstellung spricht von Metaphysik und religiösem
Vollzug. Der Schluß bedenkt Eckharts Prozeß. Die Sprache
des Buchs bekundet, hier werde das ausgereifte Ergebnis jahrelangen
Umgangs vorgelegt, sie ist schlicht, eindringlich und tief. Wenige
Druckfehler heben den Eindruck des gut ausgestatteten Buchs nicht
auf: S. 29 ist der Vorname Franz in Hans zu ändern, S. 116 sind einai
und oy zu trennen, S. 228 ist einmal Dissonanz durch Konsonanz zu
ersetzen; S. 258 fällt die Übersetzung „grundverstanden" auf, sie
steht für sanc intelligantur et pie.

Auf drei Ebenen sieht Vf. den Meister Eckhart seine Gedanken entfalten
, dem der Metaphysik, der sog. mystischen und der theologischen
. Die Metaphysik stelle mit abstrakten und formalen Gedankenfiguren
ihre Sache so vor, daß sie vor dem Betrachtenden in
klaren Umrissen stehenbleibe, ohne jedoch den Betrachter unmittelbar
zu verändern (S. 13). Auf der zweiten Ebene gehe es dem Meister
eben darum, den Denkenden selbst so zu verändern, daß er in eine
neue Form des Vollzugs eintrete und so neue Erfahrungen mache
(14). Auf der theologischen Ebene seien die Spekulation wie die Predigt
des Meisters auf die christliche Wahrheit bezogen (18). Die Wirkungsgeschichte
wird leider nur skizziert, aus der Feder unseres Vf.
wünschte man sich, was man im Groben schon kennt, auf seine Weise
dargestellt und gedeutet. Warum hat das Buch den Untertitel: Gedanken
zu seinen Gedanken? Vf. versteht Denken als Phänomenologie
, das heißt als ein Freilegen und Bergen des sich selber Zeigenden
(25).

Sehr glücklich ist der Ausgangspunkt des ersten Teils des Buches:
die Struktur der Abgeschiedenheit. Vf. versteht es, das nicht nur
historisch darzustellen, sondern in seiner aktuellen Bedeutung herauszustellen
. Auch auf Heideggers Versuche fällt dabei ein Blick.
Wollen, Wissen und Haben sind nach Eckhart die Grundweisen des
Daseins in der Welt mit Eigenschaft (36). Davon zu lassen, eröffnet
einen Blick auf Husserl und Heidegger. Die Abgeschiedenheit in
'hrem Verhältnis zu den Transzcndcntalien wird erörtert. Der unter
Hegelschülern so bedeutsame Begriff der Negation der Negation, des
Versagens des Versagens findet hier seine Darstellung. Eckharts
These: deus est intelligere wird eindrücklich interpretiert. Mit Spannung
verfolgt der Leser, wie Eckhart mit den Mitteln der Metaphysik
eben diese überwindet. Vf. stellt dar, wie Eckhart die Bildworte von
Einöde und Wüste gebraucht hat. Wir lesen, wie der Mensch, der den
Willen hat, den Willen Gottes zu erfüllen, noch nicht richtig „arm"
•st. Was sich da nach Eckhart vollzieht, wenn so die Subjekt-
Objekt-Spannung überwunden wird, das zeigt Vf. erleuchtend an
Hand von Modellen. Es kennzeichnet sein Buch mehrfach, daß es

ungewöhnlich erscheinende Eckhartische Gedanken deutet von Phänomenen
, die uns vertraut und zugänglich sind.

Stellt Vf. dar, wie wir der Sache nach etwas zu sagen suchen, was
der Form widerstreitet, so horcht jeder Hegelkenner auf. Und dann
gelingt es dem Vf., Eckharts Zusammenhang mit Thomas immer
wieder zu zeigen, doch so, daß Eckhart aus Thomas' Ansätzen die
kühnen Konsequenzen zieht, die Thomas selbst nie zog. Das gehört
zum Eigentümlichen dieses Buchs, daß es Eckharts Verbindung zu
Thomas oft darstellt und ihrer beider Unterschied im unterschiedlichen
Mut zur Konsequenz sieht.

Spricht Eckhart von Identität, so weiß Vf. zu deuten, daß es sich
um Identität von Nicht-Identischem handle. Dempf hatte uns
bereits den dialektischen Charakter des eckhartischen Denkens vorgeführt
, das nimmt Vf. auf.

Dreimal nimmt Vf. die Gelegenheit, die Beziehungen Eckhartischen
Denkens zu dem des Buddhismus, des Zen-Buddhismus
zumal, darzustellen. Er erwähnt nicht nur die einschlägige Literatur,
er bietet überraschende Beispiele, deutet sie aber ganz vorsichtig. Die
analogen Erfahrungen „winken einander aus weiter Erfahrung zu und
bestätigen und ermutigen einander" (174). Die Gruppen christlicher
und buddhistischer Texte blickten einander bedeutsam an (194).
Vielleicht war Eckhart, so vermutet er, Zeuge eines allen Menschen
Gemeinsamen (195).

Eckharts Thesen über das increatum in der Seele und über die Welt
insgesamt finden in dem Buch eine wohlwollende und erschließende
Deutung. Es komme darauf an, daß der Mensch im Vollzug seines
Lebens einhole, was schon verborgen in ihm ist (170).

Vf. ist auffallend zurückhaltend, wenn es um Eckharts geringe
Wertung der Heilsgeschichte geht. Er könnte stärker darauf verweisen
, daß es ein Unterschied sei, ob die Heilsgeschichte im Sinne
des griech. Perfekts oder des Aorists interpretiert werde - für Eckhart
ist die Entfaltung in der Gegenwart wesentlich. Eckharts Deutungen
des Phänomens des Bösen gegenüber ist Vf. auch auffallend reserviert
. Ist die Quantität des Leidens in unserem Jahrhundert wirklich
ein Argument dafür, daß Eckharts Zeit weniger vom Leiden und vom
Bösen gewußt habe als wir? Könnte nicht, analog der bei Plato und
den Chinesen registrierbaren Empfindlichkeit für Musik und deren
Ausfall in der Moderne, ein Ausfall an Gespür für das quantitativ
wachsende Unglück sich bemerkbar machen? Eckharts Gedanken
über das Leiden könnten größeres Gewicht gewinnen.

Auch bei Eckharts Deutung der Welt insgesamt versteht Vf. den
besonderen, aufregenden Gedanken Eckharts zu verdeutlichen. Wittgenstein
regt den Vf. an, von verschiedenen Sprachspielen und
-ebenen zu reden, was manches Mißverständnis Eckharts provozierte
. Eckharts Gegnern sei eine gegenständliche Vereinfachung
unterlaufen, der Meister dagegen habe sich der dialektisch gefaßten
Erfahrung und ihrer leidenschaftlichen Aussprache bedient (253).

Die Überlegungen des Buches wollen helfen, dorthin zu führen, wo
wir vielleicht dieser Wahrheit innewerden können. Vf. weiß, wie
wenig er erleichtern konnte im Verlauf der Studien, Eckharts ledige
Freiheit ist beseligendes Geschenk - durch unseren Tod hindurch.
Gut, wenn ein Buch wie das vorliegende dem eindrücklich Raum
gibt. Die „Erfahrung selber aber fließt aus dem, daß der Erfahrende
dieser Wahrheit selber gleich geworden ist" (261).

Rostock Peter Heidrich

Ockham, Guillelmus de: Expositionis in Libros Artis Logicae
Prooemium et Expositio in Librum Porphyrii de Praedicabilibus,

ed. t Ernestus A. Moody. Expositio in Librum Praedicamentorum
Aristotelis, ed. Gedeon Gäl. Expositio in Librum Perihermenias
Aristotelis, ed. Angelus Gambatese et Stephanus Brown. Tractatus
de Praedestinatione et de Praescientia Dei Respectu Futurorum
Contingentium, ed. t Philotheus Boehner, recognovit Stephanus