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Ausgabe:

1982

Spalte:

367-369

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Puzicha, Michaela

Titel/Untertitel:

Christus peregrinus 1982

Rezensent:

Haendler, Gert

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367

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang1982 Nr. 5

368

Jesse, Horst: Friedensgemälde 1650-1789. Zum Hohen Friedensfest
am 8. August in Augsburg. Pfaffenhofen/Ilm: W.Ludwig 1981.
364 S., m. zahlr. Abb. gr. 8°. laminiert. DM 36,-.

Die Friedenstraditionen in der Geschichte der Kirche sind noch
relativ wenig erforscht. Kein Fachlexikon oder Handbuch geht beispielsweise
auf die zahlreichen Dank- und Freudengottesdienste nach
Beendigung von Kriegen ein. Einer breiteren Öffentlichkeit wird erst
recht unbekannt geblieben sein, daß eine lokale Friedensfeier kirchliche
Tradition geprägt hat. Durch den „Westfälischen Frieden"
wurde es möglich, in zähen Verhandlungen die Zeit der Bedrängnis
für die evangelischen Augsburger zu beenden und eine tragbare Lösung
für das Zusammenleben des evangelischen und katholischen Bevölkerungsteils
zu finden. Aus Dankbarkeit feierten die Protestanten
in Augsburg am 8. August 1650 ein „Hohes Friedensfest"
mit Dankgottesdiensten. Die übliche Kinderlehre wurde als besonders
festlicher Gottesdienst ausgestaltet und den Kindern ein „Dank-
und Gebetbüchlein" überreicht. Seitdem wurde das Kinderfriedensfest
jährlich am Mittwoch nach dem „Hohen Friedensfest" gefeiert.
1651 erhielten die Kinder erstmalig einen Kupferstich mit allegorischer
Darstellung zu Ps 85,11 und poetischer Erläuterung sowie
einen Friedenswecken. Bis zum Beginn der Französischen Revolution
1789 wurde dieser Brauch Jahr für Jahr fortgesetzt. Das Kinderfriedensfest
wurde zwar mit Unterbrechungen bis zur Gegenwart
fortgesetzt, ohne die alte Bedeutung wieder zu erlangen. Der Versuch,
1938 die Tradition der Friedensgemälde zu erneuern, mußte 1941 erneut
eingestellt werden. Der zweite Wiederbelebungsversuch der Tradition
der Friedensgemälde von 1951 an mißlang ebenfalls. Erst seit
1977 ist die Tradition mit neuer Konzeption (Schülermalwettbewerb)
wieder erfolgreich aufgenommen worden.

Der Augsburger Pfarrer Horst Jesse, der an der 3. Wiederbelebung
der Friedensgemälde maßgeblich beteiligt ist, hat die wichtige Augsburger
Lokaltradition in einem großzügig ausgestatteten Band einem
großen Leserkreis erschlossen. Er veröffentlicht die Friedensgemälde
von 1651 bis 1789, 1941 und 1977 sowie weitere bildliche Darstellungen
samt (meist poetischen) Erläuterungen aus dem Umkreis der
Thematik in Faksimile. In einer detaillierten Einleitung informiert er
unter Verwendung einer breiten Sekundärliteratur kenntnisreich
über den geschichtlichen Hintergrund des „Hohen Friedensfestes"
(9-28), die Geschichte der Friedensgemälde (29-53) und die Aussage
der Friedensgemälde (54-72). Dem Abbildungsteil (73-361) ist ein
Namensregister der Künstler (362) und eine Kurzbiographie des Herausgebers
(363 f) angefügt. Dem hervorragend gestalteten Band, für
den dem Bearbeiter und dem Verlag Dank gebührt, ist weite Verbreitung
zu wünschen. Der kirchlichen Unterweisung wird ein gutes -
Anschauungsmittel zur Verfügung gestellt. Vielleicht lassen sich auch
Kirchenhistoriker und Vertreter der Praktischen Theologie durch
den Band zur Aufarbeitung der kirchlichen Friedenstraditionen anregen
.

Berlin Siegfried Bräuer

Dogmen- und Theologiegeschichte

Puzicha, Michaela: Christus peregrinus. Die Fremdenaufnahme
(Mt 25,35) als Werk der privaten Wohltätigkeit im Urteil der Alten
Kirche. Münster: Aschendorff 1980. XXII, 200 S. gr. 8* = Münsterische
Beiträge zur Theologie, 47. Kart. DM 58,-.

Die geordnete Fürsorge der verfaßten Kirche im Altertum war insbesondere
durch B. Kötting (Münster) aufgearbeitet worden in
seinem Buch „Peregrinatio Religiosa. Wallfahrten in der Antike und
das Pilgerwesen in der Alten Kirche" (Münster 1950). Daran anknüpfend
regte Kötting die Ordensschwester Michaela Puzicha zur
vorliegenden Arbeit an, die 1976 der Katholisch-theologischen Fakultät
Münster eingereicht wurde. Es geht um die private Fürsorge
einzelner Christen, die von Kirchenvätern in Schriften und Predigten
immer wieder gefordert wurde. Häufig lagen die Mahnungen Jesu aus
Mt 25,35-46 zugrunde. „Möglichst umfassend sollen diejenigen
Texte der griechischen und lateinischen Kirchenväter zusammengestellt
werden, die diese Verse des Neuen Testaments zitieren oder
anklingen lassen" (3). Die Untersuchung konzentriert sich auf die
private Fremdenaufnahme. Es sei dahingestellt, ob man aus den oft
wiederholten Mahnungen auf einen mehr oder weniger großen Erfolg
derselben schließen kann. Mit gutem Grund sagt die Verfasserin, daß
diese Mahnungen „die eigentlich angestrebten Ziele altkirchlicher
Ethik in ihrer letzten Konsequenz" erkennbar machen (4).

Der erste Hauptteil „Die praxisorientierte Paränese zu den Werken
der Barmherzigkeit (Mt 25,350 am Beispiel der Fremdenaufnahme"
verweist in Teil A auf die Bedeutung der Gastfreundschaft in der Antike
und der Alten Kirche (8-14). Teil B bietet die Beurteilung der
Fremden, Armen und ihrer Wohltäter (15-46). Teil C untersucht
„Wohltätigkeit und Fremdenaufnahme als Werk christlicher Barmherzigkeit
" (47-65). Neben Übereinstimmungen treten Unterschiede
zwischen Antike und Christentum hervor. Der zweite Hauptteil erörtert
„Die Motivationen altkirchlicher Barmherzigkeit im Zusammenhang
der Auslegung von Mt 25,35—40". Teil A bringt anthropologische
Begründungen. Barmherzigkeit entspricht der Natur des
Menschen, sie ist aus der Vernunft ableitbar; aber sie ist auch Gebot
Gottes (67-70). Die Gleichheit der Menschen ist „für die Ethik der
Stoa prägend" (71); sie läßt sich aber auch von der Bibel her begründen
(73-75). Vollends im Endgericht werden die Unterschiede
zwischen den Menschen hinfällig (77). Dankbarkeit gegen Gott gehört
zur Lehre stoischer Philosophen. Kirchenväter beziehen die
Dankbarkeit gegen Gott auf Schöpfung und Erlösung. Es geht um
„Die Nachahmung der göttlichen Barmherzigkeit" (80-95), zumal
um das Beispiel Christi nach 2 Kor 8,9 und Phil 2,7 oder in der Fußwaschung
.

Herzstück der Arbeit ist der Teil B: „Die christozentrische Begründung
" (96-139). Deutlich sagt die Vfh.: „Nirgends - weder im
zeitgenössischen Judentum noch im Denken der griechischrömischen
Antike - findet sich eine inhaltlich solcherart bestimmte
Aussage, nach der Gott selbst in seinen Armen Not leidet und von
ihnen als von sich selbst spricht. Damit wird die Identitätsaussage
(Mt 25,40) zum eigentlichen Konstitutivum und Proprium christlicher
Barmherzigkeit überhaupt" (97). Mancher Kirchenvater geriet
in Schwierigkeiten mit seinem Gottesbild. „Insbesondere das Theorem
von der Leidensunfähigkeit Gottes, von der Apatheia, erfordert
eine genaue Differenzierung..." (98). Die Kirchenväter suchten
Wege, die „Würde Gottes nicht anzutasten und dennoch die Aussage
von Mt 25,35.40 von der Verbundenheit Christi mit den Armen als
reale Zusage anzunehmen" (100).

Abschnitt B-II ist überschrieben: „Die Erweise zum Verständnis
der Gegenwart Christi in den Armen" (106-139). Ein ganzes „Instrumentarium
exegetischer und philosophischer Möglichkeiten" wurde
angewendet (106). Die Gegenwart Christi bleibt ein Glaubenssatz, der
„weder verifiziert noch falsifiziert, sondern nur plausibel gemacht
werden kann" (107). Teil C ist überschrieben: „Die eschatologische
Motivation. Das Gericht über die Werke als Begründung der Barmherzigkeit
" (140-178).

Die Arbeit trägt höchst interessantes Material zusammen. Sie ist
wohl primär als ein Beitrag zur Ethik gedacht. Die historischen Quellen
werden einem festen Gedankengang so sehr untergeordnet, daß
die einzelnen Kirchenväter nur als Belegstellen herangezogen
werden, selbst aber als lebendige Gestalten aus ihrer Umwelt heraus
wenig in den Blick kommen. Eine eigentliche Geschichte der Auslegung
des Verses Mt 25,35 läßt sich nur indirekt erarbeiten: Über
das Stellenregister ist es möglich, sich etwa über die Äußerungen des
Chrysostomos, Augustins oder des Caesarius von Arles ein Bild zu
machen. So entsteht der Wunsch nach einem Quellenheft, das die
wichtigeren Auslegungen in historischer Abfolge und mit histo-