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Ausgabe:

1982

Spalte:

358-359

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Dormeier, Heinrich

Titel/Untertitel:

Montecassino und die Laien im 11. und 12. Jahrhundert 1982

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 5

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griechische Transkription, dazu Aquila und Symmachus enthielt,
seine Hexapla dergestalt aufgebaut, daß er, unter Weglassung des
hebräischen Textes, den Text der Septuaginta, den des Theodotion
und später noch eine 5. und eine 6. griechische Version hinzufügte.
Der Name hexapla" ergäbe sich dann nicht aus der Zahl der Kolumnen
des großen Bibelwerkes, sondern aus der Zahl der verwandten
Übersetzungen. Die Evidenz der Argumente, die Nautin für
seine Hypothese anführt, ist unterschiedlich. Kaum widersprechen
wird man ihm, wenn er es für sicher hält, daß Origenes nicht über
soviel Hebräischkenntnisse verfügte, wie sie für ein selbständiges Arbeiten
am hebräischen Text erforderlich sind. Ebenso überzeugend
finde ich Nautins These, daß Origenes, wenn er auch zeitlebens an
der Kanonizität der Septuaginta festgehalten hat, als Philologe doch
davon überzeugt war, daß nur der hebräische Text als maßgebender
Grundtext angesehen werden kann. Also auch in diesem Fall hat
Hieronymus nur ein Programm seines großen Vorläufers ausgeführt!
Aber dies alles zugestanden: Können wir die Mercati-Fragmente so
gewiß wie Nautin als Zeugen des ursprünglichen Textes der Hexapla
ansprechen? Wie erklärt es sich, daß die altkirchlichen Autoren im
Gegensatz zu unserem Vf. die Stellung der Septuaginta in der Reihenfolge
der AT-Übersetzungen nicht als Problem empfinden? Wie
kommt es, daß die von Nautin postulierte jüdische Synopse nirgendwo
anders als - mutmaßlich - in der Hexapla bezeugt wird? Und ist
die im Zusammenhang dieser Hypothese gegebene Interpretation von
Eusebs Aussagen über zusätzliche Übersetzungen der Psalmen nicht
abermals gezwungen, auf Vermutungen zu rekurrieren? Über diese
und ähnliche Fragen wird man noch diskutieren müssen.

Ähnliches gilt von der Dankrede des Gregor-Theodor. Nautin
kann unwidersprechlich zeigen, wie schmal die Quellenbasis für die
herkömmliche Identifikation des Autors der Dankrede mit dem berühmten
kappadozischen Bischof Gregor dem Thaumaturgen ist.
Reduziert sie sich doch bei genauerem Zusehen auf Euseb und den
sicherlich sekundären Titel, den die Dankrede in der handschriftlichen
Überlieferung trägt. Aber der Rez. muß gestehen, daß ihm
Crouzels weniger skeptische Deutung des gleichen Sachverhaltes (in
seiner Ausgabe dieses Textes in den Sources Chretiennes) nicht
weniger plausibel erscheint als Nautins Bevorzugung der Theodor
-Tradition. Dazu kommt die Beobachtung: Zentrum aller Interpretationsschwierigkeiten
ist das nach wie vor schwer zu klärende
Verhältnis zwischen Dankrede und Origenes' Brief an Gregor. Aber
darf man diese Schwierigkeiten beseitigen, indem man kurzerhand
jede denkbare Beziehung ausschließt? Deutet nicht die hervorgehobene
Stellung, die dieser Brief am Beginn des 2. Teiles der Philo-
kalie bekommen hat, darauf, daß auch die Kappadozier den Adressaten
mit dem Thaumaturgen identifizierten? Und heißt es nicht,
Origenes' Brief allzusehr im Stil seiner eigenen Homilien auszulegen,
wenn man wie der Vf. in ihm eine Paränese für kirchliche Ägyptentouristen
findet? Ich finde vielmehr, daß es Origenes darum geht, eine
theologische Sachfragc zu beantworten, u. zw. die nach der Stellung
der philosophischen Theologie gegenüber der biblischen. Origenes
vertritt hier nicht, wie man häufig lesen kann, die Konzeption einer
philosophia ancilla theologiae, sondern stellt fest, daß sich so wie
Geometrie, Musik, Grammatik, Rhetorik und Astronomie zur Philosophie
, so die Philosophie selber sich zum Christentum verhalte. Wie
die folgende biblische Begründung mit dem Raub der ägyptischen
Silber- und Goldgefäße durch die Israeliten zeigt, ist diese Aussage
mehr in einem ethisch-praktischen als einem wissenschaftstheoretischen
Sinn zu verstehen. Die Philosophie schafft Edelmetall für den
Dienst Gottes herbei, das heißt, sie liefert Stoff für das Lob des
Schöpfers und die Praxis seiner Verherrlichung.

Bleibt dem reichbelehrten Rez. nur die Hoffnung zu äußern, daß
dieses wie andere Hauptwerke der modernen französischen Patristik
recht bald durch eine Übersetzung einem weiteren deutschsprachigen
Leserkreis zugänglich werden möchte.

Folgende Druckfehler habe ich bemerkt: S. 117 lies „Heraclide" statt
••Heraklitc". dasselbe 252; 150 Anm. 147 lies ..ab interprete" statt „ad inter-

prete"; 216 lies „quotidie" statt „quodidie"; 238 lies „varios" statt „verios";
281 lies „Cesareen" statt „Cerareen"; 439 lies „Newman" statt „Newmann".
Berlin Wolfgang Ullmann

Kirchengeschichte: Mittelalter

Dormeier, Heinrich: Montecassino und die Laien im 11. und

12. Jahrhundert. Stuttgart: Hiersemann 1979. XXXVII, 296 S. gr.
8' = Schriften der Monumenta Germaniae Historica, 27. Lw. DM
98,-.

Die Göttinger Philosophische Dissertation beginnt in ihrer jetzt
gedruckten Fassung mit einem Überblick von H. Hoffmann „Zur Geschichte
Montecassinos im 11. und 12. Jahrhundert", der den adligen
Zuschnitt jenes Klosters betont. Die den Benediktinern vorgeschriebene
Handarbeit war „mehr ein asketisch-moralisches als ein
ökonomisches Prinzip" (3). Das Kloster war reich, sein Anteil am
Investiturstreit tritt wenig hervor, wichtiger sind die Leistungen auf
literarischem und künstlerischem Gebiet. Der Anteil der Laienmönche
war hoch, doch haben diese „zum großen Teil bloß ihren
Lebensabend im Kloster verbracht oder die Kutte gar erst in articulo
mortis genommen" (11). H. Dormeier begründet seine Aufgabe:
Montecassinos Bedeutung für das Papsttum wurde mehrfach dargestellt
. „Nahezu unbeachtet blieb dagegen, wie sich umgekehrt das
kirchenpolitische Programm der Reformpäpste auf das Verhalten
Montecassinos innerhalb seiner klösterlichen Umwelt ausgewirkt
hat, ob und in welcher Form etwa in den Beziehungen der Abtei zu
den Laien die libertas ecclesiae verwirklicht und der Laieneinfluß in
der Kirche zurückgedrängt worden ist" (21).

Teil A betrifft „Montecassino und die Eigenkirchen der Laien".
Das Kloster stand auf Seiten der Reform, ohne dem jedoch schriftlich
Ausdruck zu geben, - wenn man von einer Vision absieht (26). Das
Kloster war „immer auf das gute Einvernehmen mit den benachbarten
Feudalherren angewiesen". Das blieb „nicht ohne Einfluß auf
die Auseinandersetzung der Abtei mit dem Kirchenbesitz jenes Laienadels
" (27). Ein langes Verzeichnis von Kirchenübertragungen an
Montecassino 1038-1126 zeigt, „wie stark sich das laikale Eigen-
kirchenwesen ... in der engeren und weiteren Umgebung Montecassinos
entfaltet hatte" (55). Die Motive der Schenker sind vielfältig.
Neben der Sorge um das Seelenheil spielen „handfeste wirtschaftliche
und politische Gesichtspunkte der Wohltäter des Klosters" eine
Rolle (63). Der Abt oder Mönche haben selten darum gebeten,
Päpste oder Bischöfe haben Schenkungen befördert. Es gab „Teilkirchenschenkungen
und bedingte Zuwendungen"; daraus folgerte
man eine gewisse Anerkennung des laikalen Eigenkirchenrechts
durch das Kloster (81). Kirchen konnten Kauf-, Pacht- und Tauschobjekte
sein (94ff). Insgesamt urteilt Dormeier, das Kloster Montecassino
habe durch seine Besitzpolitik „objektiv einen wertvollen
Beitrag zum Bemühen der Kirchenreformer, die Laienherrschaft
auch über das Niederkirchenwesen zurückzudrängen" geleistet (99).
■Doch die theoretischen Argumente der Kirchenreformer setzten sich
nur allmählich durch. Trotz der engen Verbindung mit Rom ist festzustellen
: „Im Kampf gegen die Laienherrschaft über Niederkirchen
gehörte die Abtei nicht zu den engagierten Vermittlern kirchen-
reformerischer Grundsätze, sondern verhielt sich in dieser Frage wie
das burgundische Cluny insgesamt konservativ" (106).

Teil B ist überschrieben: „Totengedenken und Gebetsverbrüderung
". Die urkundliche Überlieferung erlaubt einen „Überblick
über das kultische .Angebot' der Mönche" sowie über die „Nachfrage
" der Laien nach Totengedenken und Gebetsgemeinschaft (107).
Das große Totenbuch von Montecassino zeigt, daß nur hochgestellte
Personen aufgenommen wurden: Kaiser, langobardische und normannische
Fürsten, Grafen aus der engeren und weiteren Umgebung