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Ausgabe:

1982

Spalte:

352-353

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jonge, Marinus de

Titel/Untertitel:

Jesus, stranger from heaven and son of God 1982

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 5

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phanus-Martyriums voraus. Gedeutet wird also die nachösterliche
Ablehnung des Christuszeugnisses der Kirche als Halsstarrigkeit der
Juden, die endgültig mit der als göttliches Strafgericht interpretierten
Zerstörung Jerusalems geahndet wird (VV. 20-24). Sehr ausführlich,
informativ und überzeugend wird hier der Einfluß der Vorstellung
vom gewaltsamen Geschick der Propheten sowie alttestamentlicher
und spätjüdischer Vorstellungen vom ,Tag Jahwes' nachgewiesen. -
Über die Dauer der Zeit zwischen Tempelzerstörung und Endgericht
wird nicht reflektiert. Da sich aber die ,innergeschichtlichen' Ankündigungen
Jesu schon erfüllt haben, darf der Christ mit um so
größerer Zuversicht auch auf das Eintreffen des Endheils hoffen,
zumal in der Apg nachgewiesen wird, daß die Kirche in der Heilskontinuität
Israels steht und daß die gesetzesfreie Heidenmission auf
Gottes Willen zurückgeht. VV. 29-31 bestätigen die Aussage von
V. 28. Dabei weist xaöxa V. 31 „ausschließlich auf die VV. 25-27
zurück; es meint das Gericht des Menschensohnes über die Völker:
wenn dieses Gericht stattfindet, dann steht auch das Gottesreich für
die angesprochenen Gläubigen unmittelbar bevor" (S. 284). VV. 32f
liefern eine erneute Bestätigung, ndvxa V. 32 bezieht sich aber nur
noch auf geschichtliche Vorgänge (VV. 12-24). Das ergibt sich freilich
nicht zwingend aus stilistischen Gründen, wie Vf. unnötigerweise
S. 288f nachzuweisen versucht, sondern ganz eindeutig aus dem Begriff
yeveä avxn, der wegen Lk 17,25 nur die Zeitgenossen Jesu meinen
kann. „Nach lukan. Verständnis sagt also Jesus in Lk 21,32 seinen
Jüngern voraus, daß die Juden innerhalb der einen Generation der
Zeitgenossen Jesu die Frohbotschaft endgültig ablehnen werden, was
sich in den Verfolgungen der urchristlichen Verkündiger und in den
Prozessen zeigt, welche jene gegen die Jünger anstrengen werden. Er
droht ihnen dafür das göttliche Strafgericht an, das sich in der Zerstörung
Jerusalems ereignet hat" (S. 291 0- Für die Jünger garantiert
freilich nicht schon die bloße Mitgliedschaft in der Kirche das Heil,
sondern nur ein der christlichen Berufung würdiger Lebenswandel,
wie abschließend die Paränese einschärft, die V. 34 negativ warnt und
V. 36 positiv auffordert, während V. 35 beides mit dem Gericht begründet
. Keck zeigt, daß Lukas hier nicht nur bei der Gerichtsankündigung
von Jes 24 abhängig ist, sondern darüber hinaus bei der
Formulierung der Paränese vielfältige Beziehungen zur apokalyptischen
Literatur des Spätjudentums und den paränetischen Teilen
der neutestamentlichen Briefliteratur bestehen. Dabei meint xaöxa
ndvxa V. 36 nur ein Entkommen aus dem universalen Endgericht.
Innergeschichtliche Ereignisse können hier nicht gemeint sein, da als
Bezugsobjekt im Kontext nur Ausschweifung und Sorgen in Frage
kämen, in die man aber nicht zwangsläufig verwickelt ist, die es
vielmehr zu meiden gilt; die VV. 12-19 vorausgesagten Verfolgungen
sind zwar auch innergeschichtlich, aber man soll ihnen gerade nicht
entfliehen, sondern sie in ausdauernder Geduld ertragen V. 19, um so
- trotz möglicher Martyrien (V. 16fin!) - der Auferstehung und des
Heils im Endgericht teilhaftig zu werden (S. 217). Da an ein Entkommen
aus den VV. 20-24 genannten Ereignissen sinnvollerweise
nicht gedacht sein kann, muß Lukas hier also das Endgericht meinen.
Wer ihm entgeht, kann vor dem Menschensohn „stehen", womit die
Erlösung gemeint ist, wie anhand spätjüdischer Belege nachgewiesen
wird(S. 310ff).

Kleinliche Einwände sollen die Bedeutung dieser ausgezeichneten
Arbeit nicht schmälern. Eine Frage bleibt jedoch zu stellen: Nach
Keck ist es die eigene Leistung des Lukas, entsprechend dem deu-
teronomistischen Geschichtsbild die Zerstörung Jerusalems als göttliches
Strafgericht für die Halsstarrigkeit der Juden zu interpretieren,
die aber nicht nur allgemein im Nicht-Hören-Wollen auf den Willen
Gottes besteht, sondern ganz konkret in der endgültigen Ablehnung
der urkirchlichen Christus-Botschaft. Eben dies ist aber nach Kecks
oft zitiertem Gewährsmann O. H. Steck (Israel und das gewaltsame
Geschick der Propheten. Untersuchungen zur Überlieferung des deu-
teronomistischen Geschichtsbildes im Alten Testament, Spätjudentum
und Urchristentum. Neukirchen 1967, S. 3040 auch bei
Matthäus der Fall. Es bleibt offen, warum Vf. darauf nicht eingeht.

Jeder, der sich mit Lukas beschäftigt, wird dieses Buch mit Gewinn
zur Hand nehmen. Um so bedauerlicher ist, daß ein (vollständiges!)
Bibelstellenregister fehlt.

Münster Alfred Suhl

Jonge, Marinus de: Stranger from Heaven and Son of God. Jesus
Christ and the Christians in Johannine Perspective. Ed. and transl.
by J. E. Steely. Missoula, Mont. Scholars Press 1977. X, 236 S.
gr. 8° = SBL Sources for Biblical Study, 11.

Der Sammelband enthält acht Studien aus den Jahren 1970-76,
von denen sechs bereits als Artikel in Periodika und Festschriften in
englischer und deutscher Sprache erschienen sind (bibliographische
Angaben S. VIII-IX). Das erste und letzte (achte) Kapitel wurde als
Einführung und Zusammenfassung speziell für den vorliegenden
Band verfaßt. Die einzelnen Aufsätze möchte der Autor als Beiträge
zum Generalthema „Jesus Christus und die Christen in johanneischer
Sicht" verstanden wissen. Er betont in seinem Vorwort (VII-X), daß
das 4. Evangelium seinen Auslegern nach wie vor eine Fülle von
Problemen und Rätseln aufgibt.

Über das theologische Vorverständnis und die methodische Linie
des Vf. erfährt der Leser folgendes: Obwohl das Johannesevangelium
einen langen und komplizierten Entstehungsprozeß unter Verarbeitung
literarischer und mündlicher Traditionen und mit verschiedenen
Stadien der Redaktion hinter sich hat, sollte es vom Ex-
egeten so interpretiert werden, wie es in seiner Endgestalt vorliegt. De
Jonge äußert Skepsis über die Möglichkeit, die literarischen Quellen
im Joh-Ev aufzuweisen und alsdann zwischen diesen und der Redaktion
zu unterscheiden. "Consequently in these studies much empha-
sis is laid on the composition and structure of the Fourth Gospel as a
whole, and the seperate narratives and discourses are treated as lite-
rary units within the framework of the Gospel" (VIII. Hervorhebung
vom Rez.). Was Schlußfolgerungen auf frühere Stadien der Redaktion
, Quellen und die Widerspiegelung historischer Umstände im
Joh-Ev und in den Johannesbriefen betrifft, legt sich de Jonge selbst
eine große Zurückhaltung auf (VIII). Am Ende des 2. Kapitels betont
Vf., daß jede Passage im 4. Evangelium nur dann umfassend analysiert
werden kann, wenn dabei jeweils das ganze Evangelium berücksichtigt
wird (s. o.). Denn: „Every feature of Johannine theology
forms an inseparable part ofthat theology." Als das eigentliche Zentrum
dieser Theologie ist die Christologie anzusehen (42).

In den 8 Kapiteln werden folgende Themen behandelt: I: The
Fourth Gospel. The Book of the Disciples (1-27); II: Nicodemus and
Jesus. Some Observations on Misunderstanding and Understanding
in the Fourth Gospel (29^47); III: Jesus as Prophet and King in the
Fourth Gospel (49-76); IV: Jewish Expectations about the "Messiah
" according to the Fourth Gospel (77-116); V: Signs and Works
in the Fourth Gospel (117-140); VI: The Son of God and the Chil-
dren of God (141-168); VII: Eschatology and Ethics in the Fourth
Gospel. Some remarks on the relationship of parenesis, faith, and
expectation in the Gospel and the First Epistle of John (169-191);
VIII: Variety and Development in Johannine Christology (193-222).
Am Schluß des Buches findet sich ein Stellenregister. Ein Register der
Namen und Sachen fehlt leider.

Da die Kapitel I und VIII noch nicht an anderer Stelle veröffentlicht
sind, sollen hier einige grundsätzliche Erwägungen daraus kurz
vorgestellt werden. In Kapitel I geht Vf. auf den Zweck des 4. Evangeliums
ein, was er auf den S. 97-102 weiter ausfuhrt. Das Joh-Ev ist
für den innerkirchlichen Gebrauch bestimmt. Mit H. Riesenfeld
nimmt Vf. an, daß es primär, wenn nicht ausschließlich ein Buch der
johanneischen Kirche ist (2). "The inner-church directedness of the
Fourth Gospel" wird u. a. durch die christologische Argumentation
im Joh-Ev deutlich (3). Das 4. Evangelium setzt „die Gemeinschaft
der Glaubenden als den Ort voraus, wo durch die Aktivität des Geistes
wahre Einsicht und wirkliche Erkenntnis gewährt, bewahrt und