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Ausgabe:

1982

Spalte:

340-341

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Greschat, Hans-Jürgen

Titel/Untertitel:

Mana und Tapu 1982

Rezensent:

Fontius, Hanfried

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339

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 5

340

-schütteln, -bewegungen, Gesänge, Verkündigungen, Offenbarungen,
Träume, Emotionen, Exorcismen, Zungensprechen, Prophezeiungen
, Erzählungen, Speien, Sündenbekenntnisse, geistige Verlöbnisse
oder Ehen. Der große Anteil von Frauen in diesen Gruppen ist
ein Zeichen der ihnen hier gewährten Emanzipation (gegenüber der
Großkirche!). Der Abbildungsteil bringt 104 gut gewählte, leider
nicht immer sehr deutliche und scharfe Bilder. Im Ganzen kann diese
kurze phänomenologische Einführung in eine der bemerkenswertesten
Seiten christlicher Missionsgeschichte sehr empfohlen werden.
Sie stellt indirekt die Frage nach dem Wesen des Christentums, gibt es
dies in abstracto oder ist nicht vielmehr sein „Wesen" (ein idealistischer
Hegelscher term. techn.) mit seiner Geschichte identisch?

Das 3. Heft christlicher Thematik gilt dem Christentum nach 1500
in Asien und Amerika. Es ist dem Hallenser Missionswissenschaftler
und Dravidologen Arno Lehmann gewidmet, der für die Erschließung
der Kunst der sog. Jungen Kirchen bahnbrechend wirkte.
Die eingangs gegebene Bibliographie von 16 Seiten in Kleindruck ist
eine der umfangreichsten in dieser Serie (trotzdem fehlt s. v. Japan:
H. Haas, Geschichte des Christentums in Japan, 2 Bände, 1902/04).
Der Vf. J. F. Butler (früher Prof. in Madras) beschränkt sich auf die
in Architektur, Malerei und Plastik greifbare christlich-kirchliche
Kunst, wie sie infolge der missionarischen Ausbreitung des europäischen
Christentums seit 1490 (erstes christliches Königtum in
Afrika) entstanden ist. Dabei wird dem älteren einfachen Import europäischer
, christlicher Stilformen die jüngere, meist erst aus dem
20. Jh. stammende Aufnahme einheimischer Stile in die Architektur
und Kunst gegenübergestellt: als Zeichen der „indigenization" des
Christentums (3), aber auch als Ausdruck der früheren Vergewaltigung
einheimischer Kultur und der engen Verquickung von
Christentum und Kolonialpolitik, eine Seite, die der Vf. nirgends zur
Sprache bringt und die schließlich eine Ursache für die bis ins 20. Jh.
dauernde Unselbständigkeit dieser Kirchenkunst bedeutete. Erfaßt
werden: Persien als ältestes asiatisches Land mit christlichen Kirchen
, aber seit dem 16. Jh. erst wieder im 19. und 20. Jh. mit eigenständiger
christlicher Kunst vertreten (nicht genannt wird die armen.
• St. Georgskirche in New Julfa mit dem Mosaik der Anbetung der drei
Weisen von 1619, jetzt im Museum der All Saviour's Armenian Ca-
thedral ebd., Isfahan); Indien, auch hier ist die Eigenständigkeit erst
im 20. Jh. nachweisbar (abgesehen von dem portugiesischen Einfluß
auf die Moghulkunst); Südostasien, ebenfalls erst im 20. Jh. selbständige
Kunstentwicklung; China, zuerst Macao (seit 1557 portugiesisch
, seit 1575 Bischofsitz) als Zentrum des Kontaktes mit dem
Westen und der Ausbildung einer christlichen Kunst, abgelöst durch
die jesuitische Peking-Mission von 1579-1775 (die erste christl. Kirche
im chines. Stil entstand 1640 in Shanghai), ein Bruch mit der
Verwestlichung tritt auch hier im 20. Jh. ein und führte zu einer von
einheimischen Künstlern (Luke Ch'en) getragenen Kunst, vor allem
in der Malerei; Japan mit dem alten christlichen Zentrum in Nagasaki
(1549-1638), von dem nur noch Reste erhalten sind, hat erst im
20. Jh. wieder eine christliche Kunst hervorgebracht; das gleiche gilt
für die Philippinen und Ozeanien (wo allerdings schon 1819 eine riesige
Kapelle in Tahiti entstand). In Amerika ist die ältere Zeit von
dem spanisch-portugiesischen Barock geprägt (mit eigenwilligen Abwandlungen
, die aber nach Meinung des Vf. keinen indianischen Einfluß
verraten), die einheimische Kunst wurde (mit Hilfe strenger Gildenüberwachung
) unterdrückt. Es kam daher nur zu einer Mischung
von iberischer und indianischer „Sensibilität" (25), wie sie sich vor
allem in der Skulptur zeigt. Zu einer eigenständigen Kunsttradition
fand Nord- und Südamerika erst im 20. Jh., wie etwa die Indianer-
und Eskimo-Kirchen lehren. Der Bildteil bringt 91 Abbildungen in
sehr guter Qualität, die natürlich bei Malerei und Mosaik erst farbig
voll zur Wirkung kämen. B. sieht die Zukunft christlicher Kunst in
diesen Regionen kritisch und fürchtet eine Entwicklung zur Museumskunst
, tröstet sich aber mit dem Hinweis auf die Dynamik
christlichen Glaubens. "But throughout the world nowadays there is
; (Ire bubbling in the kneading-trough of Christian art; maybe the

gospel leaven will yet produce a sweat loaf" (28). Dies überschreitet
aber auch die religionswissenschaftliche Dokumentation.

Autoren, Herausgebern und Verlag ist für weitere Fortsetzung des
monumentalen Bilderatlasses (ca. 200 Hefte sind vorgesehen) zu
danken. Es zeigt sich erneut, daß damit ein wertvolles Arbeitsinstrument
für Lehre und Forschung im Entstehen begriffen ist,
dessen Abschluß allerdings noch einige Zeit dauern wird; wünschen
wir, daß es noch in unserer Generation erfolgt.

Leipzig Kurt Rudolph

Greschat, Hans-Jürgen: Manu und Tapu. Die Religion der Maori auf
Neuseeland. Berlin: Reimer 1980. X, 247 S., m. 10 Abb. auf Taf.,
1 Kte gr. 8' = Beiträge zur Kulturanthropologie.

Der Marburger Religionswissenschaftler hat 1974 ein Semester auf
Neuseeland verbracht. Da es so gut wie keine deutschsprachige Literatur
über die Maori, ihre Religion, Kultur und Geschichte gibt, ist es
sehr erfreulich, daß zu diesem Themenkreis nun ein religionsgeschichtliches
Buch vorliegt, von dem der Vf. mit Recht sagt:
„Keines nur für Religionsgeschichtler."

Es ist zu hoffen, daß „Mana und Tapu" mit dazu beiträgt, der Absicht
des Vf. entsprechend, das allgemeine Fehlurteil abzubauen,
Stammesreligionen seien weiter nichts als eine Mischung von Primitivität
und Aberglauben. „Die Gläubigen von Stammesreligionen
sind keine Einfaltspinsel" (S. 3).

Liebevoll wird geschildert, was man aufgrund der Quellenlage über
die letzten zweihundert Jahre Geschichte der Maori und ihre Religion
wissen kann. Dabei hat sich der Vf. bemüht, von allgemeinen
Sätzen über die Maori-Religion zu bestimmten Ausformungen zu
kommen. Letztere sind deshalb von besonderem Interesse, weil es
sich nicht nur um längst vergangene historische Tatbestände, sondern
auch um heute lebendige Realitäten handelt.

Der Stoff ist in 10 etwa gleich große Abschnitte gegliedert:

I Aotearoa - Der Maoriname für Neuseeland - beschreibt, was man
aus der religiösen Überlieferung über die Doppelinsel und ihre Bewohner
für die Zeit vor dem Kontakt mit den Weißen schließen
kann.

II Neuseeland - Hier wird vom ersten Kulturkontakt an durch die
verschiedenen Phasen der Geschichte dargestellt, wie die Maori Christen
wurden und ihr Land verloren; letzteres ist eine der finstersten
Seiten weißer Kolonialgeschichte.

III Maoritum - Eine knappe Schilderung dessen, was an Brauchtum
von der einst selbständigen Kultur und Religion übrig geblieben
ist.

In IV - Religiöse Überlieferung, V - Religiöse Vorstellungen und
VI - Religiöses Handeln - werden die wichtigsten Mythen, die Kernbegriffe
der Maori-Religion (darunter auch die beiden, die der Vf. für
den Titel gebrauchte) wie auch die wichtigsten der ehedem für alle
Maori verbindlichen Riten und die religiösen Führungspositionen
dargestellt.

VII Religionswandel - 1814 landete der erste Missionar; 1823 kam
es zur ersten Taufe; um 1855 waren fast alle Maori getauft: Die alte
Religion war durch den Akkulturationsprozeß zerbrochen. Bei der
Volkszählung 1971 machten von 227 414 Maori ca. 20% keine Angaben
zur Religion, als religionslos oder Atheisten bezeichneten sich
etwa 1%, die übrigen verteilten sich auf 25 Religionsgemeinschaften,
von denen die Anglikaner bei weitem die größte Gruppe darstellen
(S. 129).

VIII Religiöser Protest, IX Te Kooti und die Kirche Ringatu sowie
X W. T. P. Ratana und die Ratana-Kirche - führen sechs verschiedene
Versuche vor, jeweils bestimmte biblische Aspekte mit
jeweils typischen Aspekten der traditionellen Religion und Kultur
der Maori auf einen Nenner zu bringen. Diese Versuche sind teils
mehr teils weniger erfolgreich gewesen. Mit diesen Versuchen, Teile
der Maori-Religion zu retten, ist immer auch die Übernahme von