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Ausgabe:

1982

Spalte:

11-13

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Dress, Walter

Titel/Untertitel:

Evangelisches Erbe und Weltoffenheit 1982

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

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Erkenntnis des ganzen Gottes und damit zum Zusammenfallen von
immanenter und ökonomischer Trinität.

Die im letzten Teil gegebenen Ausblicke auf einige Anwendungen
des trinitarischen Gottesbegriffes sollten unter anderem auch zeigen,
welche positiven und negativen Möglichkeiten in diesen verschiedenen
Tendenzen liegen. Die mit dem Gedanken der Geschlossenheit
intendierte Verbindlichkeit ist ebenso bedeutsam wie das Sichoffenhalten
in der Richtung auf Wirken des Geistes außerhalb der sichtbaren
Kirche. In jeder Tendenz liegen auch erhebliche Gefahren,
etwa die des Sichabsonderns von der Welt oder die der Selbstpreisgabe
an die Welt.

Wenn wir hier auch nur einige Tendenzen andeuten wollten, läßt
sich damit vielleicht doch schon etwas die Hoffnung begründen, daß
in der Tat die jeweiligen Akzente der Kirchen hinsichtlich ihrer Tri-
nitätslehren einmal als einander ergänzende Positionen universalkirchlich
in Erscheinung treten könnten.

8. Abschließend sei an einem Beispiel auf die Möglichkeiten hingewiesen
, die das trinitarische Gottesverständnis für den Dialog der
Religionen eröffnet. Triadische Elemente finden sich auch in anderen
Religionen, beispielsweise in der Advaita-Lehre der Upanishaden als
Dreiheit von Sein, Einsicht und Seligkeit (sat - cit - ananda). Auch
diese Dreiheit will umfassend den Zusammenhang von Urgrund und
Welt erklären, und durch die Vermittlung des Neuplatonismus gibt es
auch einen direkten Bezug der Formeln der christlichen Trinität zu
dieser indischen Vedanta-Philosophie. Hier zeigt sich zunächst ein
gemeinsames Thema der Religionen. Sich heute von indischen Strömungen
sagen zu lassen, daß in ihnen eine meditative Hinwendung
zur Natur ursprünglicher gelebt wird als in unserer Tradition, in der

ähnliche Ansätze verschüttet sind, scheint mir wichtig zu sein für die
Erneuerung einer meditativen Frömmigkeit auch bei uns. Aber ein
Dialog ist nur sinnvoll, wenn auch die tiefen Unterschiede deutlich
werden, so daß man sich selbst finden kann und nicht verliert. Der
große Unterschied der christlichen Trinität gegenüber der indischen
ist die christologische Geschichtlichkeit, und darin liegt die theologisch
zutiefst verwurzelte Verantwortlichkeit des Menschen für die
Natur und den Menschen. In einem möglichen Dialog der Religionen
geht es nun nicht um einen allgemeinen Austausch von Meinungen,
sondern um das Erkennen von gemeinsamer Verantwortung. Hier
könnten vielleicht einmal das christliche Wissen um den Geist der
Verantwortlichkeit und indischer meditativer Umgang mit der Natur
einander befruchten.

Diese verschiedenen einzelnen Ausblicke sollten zeigen, daß das
christliche geschichtliche trinitarische Gottesverständnis das regulative
Zentrum einer Theologie ist, die sich integriert in das Kirche und
Welt umspannende Geschehen der um unsere Hinkehr ringenden
Teilgabe und Hingabe Gottes.

Durch das methodische Herangehen sollte übrigens zweierlei deutlich
werden: Erstens, daß man Trinität als Grundgeschehen darstellen
kann ohne Verwendung des tief problematischen Personenbegriffs
und zweitens, daß es, um den christlichen Gott das bestimmende
Zentrum theologischen Redens sein zu lassen, besser ist, die Trinität
nicht buchtechnisch und sachlich an das Ende der Theologie zu stellen
- wie es Schleiermacher, P. Althaus taten und neuerlich G. Ebe-
ling- sondern Trinität von Grund auf an die bestimmende Mitte sein
sollte, von der her alle theologischen Fragestellungen zu entwerfen
sind.

Allgemeines, Festschriften

Dress, Walter: Evangelisches Erbe und Weltoffenheit. Gesammelte
Aufsätze, hrsg. v. W. Sommer. Berlin: Christlicher Zeitschriftenverlag
1980. 338 S. 8

Das Geleitwort von Oskar Söhngen beginnt mit den Sätzen: „So
still wie er gelebt hat, ist Walter Dress am 6. Februar 1979 heimgegangen
. Stille Menschen haben oft das Schicksal, daß ihre Stimme
überhört wird. Die nachstehende Aufsatzsammlung möchte daran erinnern
, was Wissenschaft und Kirche an Walter Dress besessen und
mit ihm verloren haben." Der Herausgeber betont „die für Dress so
charakteristische Weite des Blickfeldes . .. seine lebendige geistige
Selbstgewißheit" (9). Der erste Teil „Theologiegeschichte" bringt 5
Aufsätze über Luther und 4 über Bonhoeffer, dazu einen übergreifenden
Artikel „Hierarchie. Zur Bildung und ursprünglichen Bedeutung
des Begriffs. Beobachtungen und Erwägungen". Der zweite Teil „Kirchengeschichte
" bietet zwei Aufsätze über Paul Gerhardt, über die
Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg sowie eine Arbeit über
den Augsburger Religionsfrieden mit der Überschrift „Konfession
und Toleranz". Der dritte Teil „Allgemeine Literatur- und Geistesgeschichte
" enthält Arbeiten „Zur deutschen Gesamtausgabe von
Lenins Werken" (1932), zu Jochen Kleppers Tagebüchern, über den
österreichischen Schriftsteller Robert Musil, den französischen
Schriftsteller Marcel Proust sowie „Das Benn'sche Ich als Provokation
"; der letzte Beitrag ist überschrieben „Das Geheimnis des Sakralen
". Nachweise der Erstveröffentlichungen, eine ausgewählte Bibliographie
sowie ausführliche Anmerkungen beschließen den Band.

Unter den 20 Arbeiten sind 4 bisher unveröffentlicht. Der Aufsatz
„Der wirkliche Luther" sollte 1938 in einem Sammelband erscheinen
, der nicht gedruckt werden konnte. Der Gedankengang von Dress

läßt sich durch seine Teilüberschriften wiedergeben: 1. Protestanten =
Bekenner Christi. 2. Der Glaube an Christus offenbart die Tiefe der
Sünde. 3. Das Bekenntnis der Sünde als Anerkennung der Herrschaft
Gottes. 4. Das Bekenntnis der Sünde als Frucht des von Gott geschenkten
Glaubens. 5. Theologie des Kreuzes als Bekenntnis zu
Gottes schöpferischer Gerechtigkeit. Dress formuliert abschließend,
daß „Luther, wenn er seinem deutschen Volk diesen Christus-
Glauben predigt, davon überzeugt war, daß er ihm damit gäbe, was es
zu aller Zeit am nötigsten haben werde" (54). Der Beitrag „Weg und
Zeugnis Dietrich Bonhoeffers" war eine Gedenkvorlesung zum
zehnjährigen Todestag Bonhoeffers. Man wird schwerlich einen Beitrag
finden, der auf so kurzem Raum ein so plastisches Bild bietet
(107-15). „Das Benn'sche Ich als Provokation" bringt zunächst analytische
Bemerkungen zum Werk Gottfried Benns; daran schließt
Dress seine Forderungen: Das „Ich" solle auch in der Kirche stärker
zum Tragen kommen: „Das religiöse Ich, das gläubige Ich, das christliche
Ich, das theologische Ich, das bekennende Ich, das betende Ich,
das sich entscheidende Ich" (295). Dress erinnert an das Ich der Psalmen
, an Jesu Einsamkeit, an den Anfang von Luthers Invokavitpre-
digten, an das Credo. Er schließt: „Lassen wir uns - in Gottes Namen
- provozieren ... und das ,Ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Unglauben
' sprechen, ein bestürzendes credo ,quia absurdum', ein neuer
Anfang, der einzige Anfang, der neu gemacht werden kann und ohne
Blick auf Du und Wir und Es hier und heute gemacht werden muß.
Das Credo, der Artikel, die Person, das Ich, mit dem die Kirche steht
und fällt - ein unerschöpfliches Thema auch für den Nachdenkenden
" (298). Der Schlußaufsatz „Das Geheimnis des Sakralen" hat
einen ähnlich dringenden Ton. Dress zitiert aus Werken Theodor
Fontanes Stellen, in denen sich dieser zum Problem des Kirchen-
raumes äußert. Fontane hatte „ein Gespür für das echt Sakrale, für
die Geheimnisse eines lebendigen, wenn auch dürftigen Kultus, wie
in jenem Abendgottesdienst in der St. Nikolai-Kirche" (305). Dress
schließt: „Das Geheimnis des Sakralen - .. . Unsere Kirche wird es