Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1982

Spalte:

317

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Mössinger, Richard

Titel/Untertitel:

Zur Lehre des christlichen Gebets 1982

Rezensent:

Mössinger, Richard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

317

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 4

318

.säkularisierten' westlichen Gesellschaft und die Frage nach Möglichkeiten
, innerhalb dieser Subkultur eine qualitative Differenz von
Sekte und Kirche christlich verantwortbar und praktisch hilfreich
geltend zu machen.

Den Hauptteil der Arbeit bildet die analytische Darstellung der
drei Gemeinschaften, die auf hermeneutischem Weg und auf der
Grundlage von (bislang kaum ausgewerteten) Primärtexten (hauptsächlich
Zeitschriftenmaterial) und Sekundärtexten je sechs Dimensionen
zu rekonstruieren versucht, deren Relevanz die Verbindung
theologischer und soziologischer Fragestellungen und Forschungsergebnisse
zum Thema ergibt (Entwicklung, zeitliche Tiefe; Vergleich;
Verhältnis zur Gesamtgesellschaft; Verhältnis zur umgebenden Kirchenkultur
; religiöse Legitimation, ,Eigen-Sinn'; Gruppe und innere
Organisation).

Der Vergleich der Ergebnisse bestätigt den Sinn des subkulturellen
Verständnisses als Ausgangsbasis und unterstreicht die Bedeutung des
doppelt kulturalen Verweischarakters für den kirchlichen Problemhorizont
. Die Erschließung der Problemdimensionen im einzelnen
und die Feststellung des je spezifisch kirchliches Heil umfassend vermittelnden
Selbsthilfecharakters der Gemeinschaften legen eine
dringliche Empfehlung an die protestantische Großkirche nahe, solche
Verweisdimensionen sorgfältig zu entschlüsseln und der religiösen
Subkultur theoretisch und praktisch generell intensivere Aufmerksamkeit
zu widmen.

Für den gesuchten Begriff der Sekte ergab sich, daß er - vor allem
theologisch, aber auch in seinen soziologischen Aspekten - nicht
definit gebildet werden kann. Es wird vorgeschlagen, einen mehr oder
weniger entwickelten sektiererischen Charakter christlicher Gemeinschaften
anhand eines mehr oder weniger ausgebildeten und verfestigten
sektiererischen Syndroms zu begreifen. Dieses wird am begrenzten
Beispiel der drei Gemeinschaften versuchsweise entwickelt und
zeigte sich als solches in einzelnen Dimensionen auch innerhalb der
Großkirche präsent.

Mössinger, Richard; Zur Lehre des christlichen Gebets. Gedanken
über ein vernachlässigtes Thema evangelischer Theologie. Tübingen
1981.409 S.

In einem ersten Reflexionsgang wird dem Gebet als allgemeinem
anthropologischen Phänomen nachgegangen. Sein sprachlicher
Grundcharakter wird aufgewiesen, das Gebet als Wort betrachtet
. Das Gebet als Wort ist immer Antwort, aus diesem Grund kommen
in einem zweiten Kapitel die die Antwort des Gebets auslösenden
Faktoren zur Darstellung: Die Weltsituation des Beters, häufig
eine Grenzsituation, und das Göttliche. Dabei ergibt sich die These;
Das Gebet erfährt seine entscheidende Prägung durch das jeweilige
Gottesverständnis. Die Struktur einer christlichen Lehre des Gebets
ist dadurch vorgegeben.

Es folgt eine Darstellung des alttestamentliehen Gottesglaubens
und dessen Konsequenzen für das Gebet im Alten Testament, eine
Darstellung des christlichen Gottesglaubens und die Folgen lür
das christliche Gebetsverständnis, der entgrenzte Inhalt des
christlichen Gebets, seine Verantwortung vor Jesus Christus und
die in Jesus Christus realisierte Erhörung. Eine zusammenfassende
Betrachtung des christlichen Gebets als Antwort auf Gottes
Offenbarung in Jesus Christus und des betenden Menschen als auf
Gottes Offenbarung in Jesus Christus antwortenden bildet den Abschluß
der Arbeit.

Das Hauptanliegen dieser Dissertation liegt in der Begründung
des Gebets als Wort und dem Aufweis des auf Gottes Offenbarung
in Jesus Christus antwortenden Beters als eines über seine Grenzen
hinaus am Leben beteiligten Menschen.

Schimanowski, Gottfried: Präexistenz und Christologie. Untersuchungen
zur Präexistenz von Weisheit und Messias in der jüdischen
Tradition. Tübingen 1980. VII, 586 S.

Vorliegende Dissertation versucht Hintergrund und Inhalt der
neutestamentlichen Aussagen zur Präexistenzvorstellung Christi
zu erfassen.

Ansätze zu einer Begriffsbildung zur Präexistenz Gottes sind
schon in der Septuaginta zu erkennen. Begriff und Sache der Präexistenzvorstellung
Christi ist spätestens bei dem christlichen
Apologeten Justin abgeschlossen.

In drei Hauptteilen wird die Vorstellung einer Präexistenz an
Weisheit und Messias untersucht, wie sie sich im Alten Testament,
den Apokryphen und Pseudepigraphen, sowie im Rabbinischen
Schrifttum niedergeschlagen hat.

Der erste Teil beschäftigt sich mit der Präexistenz der Weisheit.
Sie kommt in der palästinischen Weisheitstradition (A) besonders
in Ijob 18,1-27; Sprüche 8,22-31; Sirach 1,1-10; 24,1-12, sowie in
Baruch3f zum Ausdruck; weiterhin auch in der alexandrinischen
Weisheitstradition (B) durch Aristobul, das Weisheitsbuch und Philo.
Darüberhinaus ist diese Vorstellung auch in apokalyptische Texte (C)
eingedrungen.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Präexistenz des Messias.
Hier kommen vor allem die Texte zur Sprache, die in der christlichen
Tradition als ein solcher Schriftbeweis verwendet wurden,
Micha 5,1; Psalm 110,3 und Psalm 72,5.17. In ihrer ältesten Form
haben diese Texte aber bestenfalls eine Affinität zur Präexistenzvorstellung
. Dagegen kann in den apokalyptischen Bilderreden des
Äthiopischen Henoch (bes. in Kapitel 48,1-7) eine Verschmelzung
der messianischen Menschensohngestalt mit den atl. Weisheitstraditionen
(bes. Spr 8) beobachtet werden, die sich anscheinend
dann auch in der Auslegung der angegebenen Texte selbst (bes.
auch im Targum) niedergeschlagen hat. Eine solche Verschmelzung
ist darüberhinaus auch in andereren Schriften wie Assumptio
Mose und Proseuche Joseph wiederzufinden. Dort ist ein der ntl.
Christologie parallel laufender Vorgang festzumachen.

Der dritte Teil fragt nach der Bedeutung der Präexistenz von
Tora und Messias im Rabbinischen Schrifttum. Diese Vorstellung
hat sich vor allem in dem in vielen Variationen überlieferten
Midrasch von den Dingen, die vor der Welt erschaffen wurden,
niedergeschlagen. Es lassen sich Vorstufen zu diesem Midrasch
wahrscheinlich machen (so Sifre Devarim 37). Weiterhin kommen
ähnliche Aussagen über den Messias als präexistentes Licht und
Geist Gottes vor der Schöpfung zur Sprache. Alles in allem ergibt
sich, daß im Rabbinischen Schrifttum Tora und Messias durch
das Postulat der Präexistenz in die unmittelbare Nähe Gottes
gerückt werden. Durch die Vorordnung vor die Weltschöpfung gehören
sie zu den ursprünglichsten Werken Gottes und haben
Anteil an dessen Größe und Macht.

Der vierte Teil zieht das Fazit, daß es religionsgeschichtlich und
exegetisch gerechtfertigt ist, die Präexistenzvorstellung als wichtigen
Baustein jüdischen Denkens zu bewerten. Im Rückblick (I)
werden noch einmal die „Bewegungen" der Präexistenzvorstellung
nachgezeichnet. Ihr Hintergrund besteht im Übergang einer
„reflektierten Weisheit" zu einer „reflektierten Tora", in der Verknüpfung
der Weisheit/Tora mit dem Licht und Geist Gottes,
sowie in der Übertragung der Weisheitsvorstellung auf den Messias
. Besonders in den rabbinischen Schriften wird deutlich, daß
die Vollendung der Schöpfung eine Präexistenz der heilsnotwendigen
Dinge zur Voraussetzung hat. Damit ist ein Milieu beschrieben
, das als Hintergrund der neutestamentlichen Aussagen von
der Präexistenz Christi in Frage kommt.

Im Ausblick (II) kommen schließlich die wahrscheinlich frühesten
christologischen Aussagen des Neuen Testaments zur Sprache, Kolos-
serhymnus. Philipperhymnus, Scndungsaussagen (Gal 4,4f; Rom 8,30
und Schöpfungsmittlerschaft Christi (I Kor 8,4-6).