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Ausgabe:

1982

Spalte:

285-287

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Brosché, Fredrik

Titel/Untertitel:

Luther on predestination 1982

Rezensent:

Kimme, August

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285

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 4

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des Gesetzes werden: da deutet sich z. B. an, worin Vf. die Aktualität
des Thomas sieht - diese ist Thema der Zusammenfassung am
Schluß. Die Breite der Darstellung, bei der weithin auch die jeweilige
Literatur besprochen wird, nimmt der Grundthese etwas von ihrer
Durchschlagskraft.

Rostock Peter Heidrich

Brosche, Fredrik: Luther on Predestination. The Antinomy and the
Unity Between Love and Wrath in Luther's Concept of God. Upp-
sala: Almqvist & Wiksell 1978, 236 S. gr. 8° = Acta Universitatis
Upsaliensis. Studia Doctrinae Christianae Upsaliensia, 18. Kart
skr 79.-.

Diese Upsalenser Doktorarbeit will nachweisen, daß in der Theologie
Luthers die Prädestination von gleichem Gewicht wie die
Rechtfertigung ist. Die Untersuchung setzt bei der aus der bisherigen
Lutherforschung (7-15) gewonnenen Erkenntnis an, daß seit
A. Ritsehl einerseits und Th. Harnack andererseits bis heute Luthers
Gottesbegriff von zwei verschiedenen Deutungen beansprucht wird:
"The one emphasizes the unity of God's wrath ahd God's love, while
the other brings out both the unity and the contradiction" (15). Darüber
, daß die Dialektik von Gottes opus alienum und seinem opus
proprium die „praktische" Einheit von Gottes Zorn und Liebe zum
Ausdruck bringt, herrscht Einverständnis. Aber in der negativen
Form der Prädetermination, genauer: der Verwerfung nicht aus
Schuld, sondern aus Gottes Willen, bekommt das Problem der Prädestination
bei Luther seine Schärfe und Tiefe. "I by no means deny
that the retribution (Vergeltung) idea is extremely important in the
reformer's theology. Nevertheless, I hold that I must assign priority to
predetermination.Thus my task is to demonstrate both the contradiction
in the concept of God and the unity which still exists" (17).

Die Methode ist zugleich historisch und systematisch, denn sie entwickelt
den Erkenntnisgang Luthers von seinen scholastischen Voraussetzungen
her chronologisch anhand einschlägiger Quellenstücke
und präzisiert stufenweise den Gottesbegriff in drei großen Schritten:
Natural Theology (27-47), Omnipotence (48-75), Predestination
(76-209). Die sorgfältige Arbeit wird durch Literaturverzeichnis
(212 ff) und mehrere Indices (221 ff) ergänzt.

Luther steht in der mittelalterlichen Tradition der revelatio generalis
und verdeutlicht dies besonders an Rom 1,19ff. "Man is generally
aware by instinet and by reason that God exists, that He is active ...,
powerful and good etc." (47). Das gilt aber nur als abstractum, nicht
als concretum, d. h. nicht in der Anwendung solcher allgemeinen
Einsicht durch menschliche Vernunft. Vf. rechnet das erste der
„Kenntnis-Ebene" (notitia level) und das zweite der praktischen Anwendung
(usus level) zu (vgl. 25 u. ö.). Der Römerkommentar und
selbst die Heidelberger Disputation zeigen, "a) that the natural but
abstract knowledge of God in the theologia gloriae is a true and inde-
pendent form of divine awareness with reference to God's power,
divinity, wisdom, righteousness etc., b) that this knowledge of God is
only rejected because it is misused by anthropocentric individuals
who, without Christ, seek their own glory and not God's and c) that
this dialectic between affirmative and negative Statements may be re-
garded as an oscillation between the notitia and the usus levels" (46).

Omnipotentia heißt für Luther /l//einwirksamkeit Gottes (57), die
nicht nur jede Vorstellung eines otiosus Deus (58 ff) ausschließt, sondern
auch die Menschen zum Guten oder zum Bösen prädeterminiert
, d. h. sie aus seiner unergründlichen Schöpferfreiheit entweder
erwählt oder verwirft. Die von Gott bewirkte Verstockung Pharaos
(Röm9,17ff) erscheint zwar als "ethically indifferent" (700, ist es
aber nicht, sondern nur als Bekundung der Alleinwirksamkeit Gottes
ernstzunehmen: „Deus non agit mala, sua autem omnipotentia agit
omnia; ergo ut reperit hominem, ita agit. Pharao natura malus est;
■ ■ • Quare vero (Deus illos impios conatus) non impedierit, nostrum
non est quarere" (71 Anm. 19). Wie schon Biel, so schreibt auch Luther
das Böse als malum poenae Gott und als malum culpae dem
Menschen zu. Die Verstockung "is rooted in human sin, which here
may be considered as meritum abdurationis. But God promotes the
hardening of heart by His unceasingly active power which always
wills and does good" (74f). Denn gerade durch Pharaos Verstockung
stärkte Gott die Kinder Israel in ihrem Glauben an Gott als ihren Erlöser
(vgl. 70).

Während die FC (Ep. 11 und SD 11) zwischen praescientia und
praedestinatio unterscheidet, sind für Luther Gottes Vorherwissen
und Seine Vorherbestimmung wie causa und effectus miteinander
verschmolzen (94f). Mit E. Seeberg.urteilt Vf.: „Dem Gedanken Luthers
, daß Präszienz und Prädestination bei Gott identisch sind, wodurch
die feige Entkräftigung der Prädestination durch die Präsenz
abgeschnitten wird, entspricht eine Deutung der Allmacht, welche
die Allmacht in die unmittelbare Nähe der absoluten Lebendigkeit
Gottes rückt" (95 Anm. 27). Mit Joest kann gesagt werden, daß Luther
„die doppelte Prädestination vertreten hat, aber er hat sie nicht
supralapsarisch begründet" (102 Anm. 31). Jedoch wird seine infra-
lapsarische Deutung der Verwerfung durch einige wenige Stellen wie
WA 18,712,19ff supralapsarisch durchlöchert (vgl. lOlf). Für Biel
wie für Luther gilt: "God was designated not only as the origin of predestination
but also, directly or indirectly, as auetor reprobationis.
The individual is rejected on the grounds of personal guilt. When the
sinner, however, was denied forgiveness and merey, the reason lay
deep in the divine counsel. The great difference between Biel and Luther
consisted in the latter's categorical denial of every thought of merk
as a condition for predetermination " (121).

Der einseitige christologische Einstieg in der neueren Lutherforschung
wird dem Schlüsselbegriff Deus absconditus nicht gerecht
(132), denn Gott ist verborgen, nicht nur indem Er seine Liebe und
Gnade durch eine gegenwärtige Gewissens-Erfahrung von Zorn und
Verdammnis verdeckt, sondern auch darin, daß Seine Erwählung zur
ewigen Rettung oder zur jetzigen und zukünftigen Verwerfung verborgen
bleibt (126). "For Luther explicitly states that the hidden God
predetermines without reservations" (132). Auch und gerade hier
beim rechten Verständnis der Prädestination ist die klare Unterscheidung
der abstrakten notitia-Ebene von der praktischen usus-Ebene
notwendig. Die Vernunft weiß theoretisch von dieser doppelten Prädestination
, aber es ist eine teuflische Versuchung, wollte sie dies
abstractum konkret auf die eigene oder eine andere Person anwenden
: "It is one thing to know that God reigns supreme, another to fol-
low the devil and to comprehend how God rules" (139). Nur dem
Glauben an den Deus revelatus in Christus ist es möglich, den der
Vernunft unerträglichen Widerspruch zwischen Zorn und Gnade,
Verwerfung und Erwählung auszuhalten und die Einheit von Deus
absconditus und Deus revelatus zu erfahren. Damit ist die Frage nach
dem rechten Verhältnis von Prädestination und Rechtfertigung auf
der notitia- und der usus-Ebene gestellt.

Die These, daß Prädestination bei Luther "is a rationalisation post
evenlum, based on the important doctrine of justification", scheitert
daran, daß Prädestination bereits ein Wesenszug seines Gottesbegriffes
ist (143, vgl. 85ff). Dem wird mit G. Rost die These entgegengestellt
, daß "it is not predestination which is a consequence of justification
, but justification which is an effect of predetermination" (143).
"If God alone is sola causa iustificationis, then it follows that human
will and merit are denied any significance in this context. The only
prerequisite for mery is God's eternal election to grace" (159). Aber
auch die perseverantia der Erwählten hängt von der Prädestination
ab: "The very circumstance that the elect amid the suffering and
trials have no reserves within themselves to support their faith shows
that God's election is the real, active cause" (ib.).

Dem Kapitel "Concerning Cause, Predestination takes Priority
over Justification" (143ff) folgt gleichgewichtig das abschließende
Kapitel "Concerning Faith, Justification takes Priority over Predestination
" (159ff). Erst in dem gekreuzigten Christus als exemplum der
resignatio ad infernum des allein im Glauben an ihn gerechtfertigten