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Ausgabe:

1982

Spalte:

277-278

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ritt, Hubert

Titel/Untertitel:

Das Gebet zum Vater 1982

Rezensent:

Müller, Ulrich B.

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 4

278

dem „Tempel" darbietet, sondern eine der Geschichte sowie alt-
testamentlichen und jüdischen Glaubensüberzeugungen entsprechende
. Dies könnte noch deutlicher herausgearbeitet werden, auch als ein
wichtiger Beitrag gegen die maßlose Überbewertung der „theologischen
Gedanken" des Evangelisten in der derzeitigen Exegese, die
meist Hand in Hand mit einem Geschichtsverlust geht.

Zum Beispiel: Die von B. beobachtete enge Zusammengehörigkeit von Stadt,
Tempel(dienst) und Volk in den lukanischen Schriften finden wir etwa im Bellum
Judaicum des Josephus auf breiter Ebene. Die Frage der „söteria" wird
dort in den großen Reden stets auf die Werte-Trias „Stadt, Volk, Tempelfdienst
)" bezogen (Bell. 2,400; 5,362.416ff; 6,97.309.328.349; 7,379; vgl. zur
Illustration Bell. 5,389.4050- Diese drei aufeinander bezogenen Größen
machen nach Josephus - und er rechnet hier mit einem allgemeinen Konsens
-die Existenz und die „Wahrheit" Israels aus (vgl. auch Joh 11,47ff!!). - Lukas
bietet also elementares geschichtliches Wissen, nicht so sehr persönlich-theologische
Gedanken.

Bretzfeld Werner Grimm

Ritt, Hubert: Das Gebet zum Vater. Zur Interpretation von Joh 17.
Würzburg: Echter Verlag 1979. 527 S. gr. 8' = Forschung zur Bibel
, 36, kart. DM 64,-.

Die Arbeit stellt die gedruckte Fassung einer im Jahre 1977 vom
Fachbereich Katholische Theologie der Universität Würzburg angenommenen
Habilitationsschrift dar. Hauptziele des Vf. sind (a) eine
„wissenschaftstheoretische Begründung" seiner historisch-kritischen
Bibelinterpretation, um „überwuchernden Hypothesenbildungen"
zu wehren (S. 27) und (b) eine „effektive Schriftauslegung", die ein
Auseinanderfallen der historischen Forschung und der theologischen
Wahrheitsfindung vermeidet (z. B. S. 28.37). Um beides zu erreichen
, ist eine „theoretisch fundierte und kommunikationsorientierte
Textlinguistik" nötig (S. 34). Angesichts der „sprachanalytischen
Herausforderung der Theologie" durch moderne Sprachtheorien
(S. 193) versucht der Vf., deren Methoden in die Exegese seines Textes
Joh 17 zu integrieren, wobei er dem traditionellen Instrumentarium
historisch-kritischer Methoden eine kritisch zu reflektierende
Bedeutung beimißt. Der Vf. weiß um die Gefahren mancher linguistischer
Versuche im Rahmen der Bibelerklärung, daß nämlich „die
komplizierteste Terminologie innerhalb der subtilen linguistischen
Detailarbeit nicht gerade mit prächtigen Ergebnissen der Interpretationsarbeit
aufwarten" kann, „so daß der Leser solcher Monographien
nach höchstem Kraft- und Zeitaufwand dennoch mit berechtigter
Skepsis auf diese Versuche blickt" (S. 1980- Daß nun der
Vf. selbst dieser Gefahr entgangen sei, vermag der Rez. nicht mit
Überzeugung zu behaupten.

Nach einer langen Einleitung (S. 13-147), die zunächst methodische
und forschungsgeschichtliche Probleme der Exegese von
Joh 17 behandelt, folgt der Hauptteil „Joh 17: Text und Auslegung"
(S. 148-478). Dieser beginnt mit Überlegungen zur Textkritik und
Literarkritik, wobei letztere nicht im Sinne der Quellenkritik verstanden
wird, sondern eine literarische Abgrenzung einzelner Texteinheiten
beabsichtigt (Priorität der synchronen Betrachtungsweise!),
die allerdings in einem diachronen Arbeitsschritt einzelne Verse als
Glossen erkennt (V 3 und 16, eventuell V lOab und eine Wendung
ln V 12). Die im Zentrum stehende „Linguistische Analyse"
(S. 190-379) erfolgt in einem Dreischritt: „Wir werden a) eine textsyntaktische
Analyse auf verschiedenen Ebenen (Textabschnitte,
Sätze, Wörter) durchführen, darauf werden wir b) unter synchronem
und (danach) diachronem Aspekt die semantische Textanalyse vollziehen
, um schließlich c) aus der kommunikativen Situation unseres
Textes die textpragmatische Komponente dieses Bibeltextes herausarbeiten
zu können" (S. 235). Ergebnis der textsyntaktischen Überlegung
ist u. a. die Bestätigung der literarischen Resultate, besonders
■m Blick auf V 20 f, die auch gegen die Meinung seines Lehrers R.
Schnackenburg als dem Text kohärent erscheinen. Die Folgerungen
aus der textsemantischen Analyse sind (wieder) bestimmt durch die

konsequente Vorordnung der synchronen Betrachtungsweise, die
die inhaltliche Bedeutung der Aussagen aus ihren unmittelbaren
Kontextbezügen erhellen will. Die textpragmatische Analyse hat die
Aufgabe, „die Funktion des Textes im (außersprachlichen) Kontext
zu erforschen" (S. 339). Die ursprüngliche Appellstruktur des Textes
ist dabei Grundlage für eine persönliche Konfrontation mit dem
Bibeltext damals und heute (S. 343).

In der Gattungskritik findet der Vf. als geprägte Elemente Gottesanreden
, sog. Gebetsintentionen und Anamnesen (rückblickende
Textaussagen) vor. Als Ganzes hat Joh 17 die Form des Gebetes, das
durch den Kontext sich als Abschiedsgebet erweist. Die Kompositionskritik
wehrt dann alle Umstellungsversuche von Joh 17 innerhalb
des JohEv (z. B. R. Bultmann) oder die Zuweisung des Kapitels
an eine johanneische Schule (z. B. R. Schnackenburg) ab, da sich
von der Struktur des Aufbaus der Abschiedsreden Joh 17 am für Abschiedsgebete
typischen Platz stehend zeigt (S. 406).

Dieses Urteil des Vf. wie seine literarkritischen Entscheidungen sind
wohl sicher nicht das letzte Wort zur Problematik von Joh 17. Sie entstehen
aus einer Überbewertung der synchronen Betrachtungsweise.
So vermißt man etwa eine Auseinandersetzung mit den Argumenten,
die für eine ursprüngliche Verbindung von Joh 14,31 und 18,1 sprechen
. Merkwürdig ist, daß der Vf. 17,3 als nachträgliche Glosse erklärt
und dennoch den Vers ohne zureichende Reflexion über die Berechtigung
des Verfahrens - wohl im Banne seiner synchronen Betrachtungsweise
- an die Spitze seiner Überlegungen über das stellt,
was Gabe des ewigen Lebens in Joh 17 meint (S. 346-353).

Einen recht zwiespältigen Eindruck hinterläßt das letzte Kapitel
„Bibeltheologisches Ergebnis der Textauslegung". Hier soll die Integration
von Textexegese und theologischer Wahrheitserkenntnis
endgültig zum Tragen kommen. Doch fallen die theologischen Zusammenfassungen
so dogmatisch formelhaft aus, daß der Rez. keine
im Blick auf die Gegenwart heute verantwortete Aneignung der
Aussagen von Joh 17 erkennen kann.

Aufs Ganze der Arbeit gesehen, hätte eine knappere und sprachlich
sorgsamere Darstellungsweise den wohlmeinenden Absichten
des Vf. mehr genutzt, als dies jetzt der Fall ist.

Kiel Ulrich B. Müller

Forestell, J. T., C. S. B.: Targumic Traditions and the New Testament
. Annotated Bibliography with a New Testament Index. Chi-
co, CA: Scholars Press 1979. XIII, 137 S. 8' = Aramaic Studies,
4. Kart. $ 12.-.

Das Buch ist ein vorzügliches Hilfsmittel, um sich mit dem Stand
der Erforschung der Beziehungen zwischen dem Neuen Testament
und dem Targum vertraut zu machen. Diese hat besonders seit den
Arbeiten von A. Diez Macho ab 1956 (Entdeckung des vollständigen
palästinischen Pentateuch-Targums [Neophyti 1]) wichtige Fortschritte
gebracht.

Einer reich mit Literaturangaben dokumentierten Einführung
folgt eine zweiteilige Bibliographie, die für 1930-1955 44 Titel
nennt, für die Zeit ab 1956 283 Titel; diesen beigefügt sind kurze,
themabezogene Inhaltsangaben. Daran schließt sich ein „Neutesta-
mentlicher Index" an, der zu neutestamentlichen Stellen Hinweise
auf die einschlägigen Nummern der Bibliographie bringt (gegebenenfalls
mit Seitenangaben), sowie eine Bemerkung, welcher Art die
Vergleichung ist. Er wird ergänzt durch einen thematischen Index,
in dem für 34 Themen, vornehmlich aus der neutestamentlichen
Theologie, in der gleichen Art Hinweise gegeben werden. Ein Appendix
, der eine Bibliographie modernerer Targum-Ausgaben und
-Übersetzungen bietet, beschließt den hilfreichen Band, der P. Nikkei
, Targum and New Testament. A Bibliography together with a
New Testament Index, Rom 1967, weiterführen und noch präziser
über den Ertrag der Targum-Studien für das Neue Testament informieren
will. T. H.