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Ausgabe:

1982

Spalte:

271-272

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Léon-Dufour, Xavier

Titel/Untertitel:

Face à la mort Jésus et Paul 1982

Rezensent:

Delling, Gerhard

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271

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 4

272

setzt wird, kann das Buch leider nicht die erwartete Einführung in
Geschichte und Lehren der Karäer sein, so qualifiziert auch der Autor
für diese Aufgabe gewesen wäre. Ein Handbuch über die Karäer
bleibt somit weiterhin ein Desiderat.

Wien Günter Stemberger

Faierstein, Morris M.: Why Do the Scribes Say That Elijah Must Come First?
(JBL 100, 1981 S. 75-86).

Horsley, Richard A.: Ancient Jewish Banditry and the Revolt against Rome,
A. D. 66-70(CBQ43, 1981 S.409-432).

Liebster, Wolfram: Umkehr und Erneuerung. Zum Synodalbeschluß der Rheinischen
Landessynode in Bad Neuenahr am 11. Januar 1980 (DtPfrBI81,
1981 S. 165-167).

Thiering, B. E.: Mebaqqer and Episkopos in the Light of the Temple Scroll

(JBL 100, 1981 S. 59-74).
Wittstock, Alfred: Zeugen für Gott - Missio Israels oder Mission an Israel?

(DtPfrBl 81, 1981 S. 161-165).

Neues Testament

Leon-Dufour, Xavier, S. J.: Face ä la mort. Jesus et Paul. Paris: Edi-
tions du Seuil 1979. 320 S. 8* = Parole de Dieu.

Der von ihm begründeten Reihe fügt Pater Leon-Dufour als Autor1
einen weiteren Band zu, in dem wiederum an einen Leserkreis gedacht
ist über den der Fachleute hinaus - mit denen der Vf. ständig
im Gespräch ist2. L.-D. hat nicht nur den historischen Aspekt im
Auge (der mehrfach ausdrücklich als maßgebend bezeichnet wird3),
sondern fragt zugleich nach der Bedeutung der erhobenen Erkenntnisse
für die christliche Existenz. Der Band ist in einem z. T. brillierenden
Stil geschrieben bzw. (was wichtiger ist) in überraschenden
Formulierungen, die aufhorchen lassen.

Kap. I erörtert Jesu Äußerungen und Verhalten (Wunder) zum
Tod anderer (29-72), zum zeitlichen und zum endgültigen Tod - einschließlich
der bildhaften Rede. Tod (Totenreich) bedeutet Getrenntsein
von dem lebendigen Gott (bzw. von Christus). Wie hier, so wird
auch sonst das Todesverständnis mannigfach vom alttestamentlichen
Hintergrund her erläutert. Kap. II—IV gelten Jesu Worten zu dem ihm
drohenden (73-100), ihm unmittelbar bevorstehenden (letztes Mahl4;
Getsemane [113-143]), ihm gegenwärtigen Tod (145-167). Jesus
ordnet sein Geschick in die alte Tradition vom verfolgten Gerechten
ein (87-90). Dagegen hat er sein Sterben, wie L.-D. betont, nicht5 als
erlösendes (redemptrice) Geschehen verstanden (90-96, vgl. 169; der
Historiker vermag Mk 10,45[b] nicht als authentisch zu erklären
[170]), sondern als Bewährung und Krönung der Treue gegen seinen
Auftrag6, gemäß Gottes Willen, der in Jesu Auferstehung dessen Sendung
bestätigt und die tiefe Bedeutung des gewaltsamen Sterbens Jesu
kundmachen wird (970- In unumschränktem Vertrauen in den
Triumph Gottes setzt Jesus in der Mahlfeier der letzten Nacht die
unlösliche Verbindung der Seinen mit ihm (106-109) bzw. der Teilhaber
des Mahles mit Gott (111). Auch hier hat Jesus selbst keine
spezifische Opfersprache gebraucht (1120- Der Getsemane-Bericht
wird eingehender nach modernen Methoden behandelt: Erzählung
und Ereignis, Geschichte und Tradition, synchronische Lektüre,
,Von der Struktur zu den Texten' sind die Stichwörter. Die Worte am
Kreuz dagegen möchte L.-D. insbesondere miteinander gehört wissen
(158). Hervorgehoben wird als letzter Schrei Jesu ein ,Mein Gott, das
bist du!' (Ps 22[21],117), verstanden im Sinn des Festhaltens an Gott
mitten in der tiefsten Einsamkeit (170).

Kap. V ist IV zugeordnet: .Paulus angesichts des Gekreuzigten'
(178-212). Die Christen sind in und mit Christus tot für die Sünde
(Taufe als Begrabenwerden mit dem Gekreuzigten [186]). Der Sieg
über die Sünde im Tod Christi wird in verschiedener Redeweise gekennzeichnet
als Rechtfertigung, Befreiung, Verwandlung, Versöhnung
(182-196) - dagegen wird sein Sterben nicht als Ersatzleistung
verstanden (193-195); Gott hat den Tod des schlechthin Sündlosen
angenommen (185) als Tat der Liebe (194). Schon im Judentum ist
das Opfer keine Ersatzleistung (206). Wenn gesagt wird, daß der Gottesknecht
sein Leben hingibt, tritt an die Stelle des rituellen das persönliche
Opfer (207). Die jüdischen Riten werden abgelöst durch Jesu
Gehorsam bis zum Kreuzestod (2070- Auch für Paulus (s. o.) ist Jesu
Tod die Krönung des Lebens Jesu in der treuen Liebe zu Gott und
den Menschen, er ist kein Wert in sich, als durch Jesus oder Gott vorgesehenes
punktuelles Heilsmittel (210). Das Reden von Verdienst
oder Genugtuung etwa kann irreführen (211).

In Kap. VI wird zuerst die sozusagen anthropologische Sicht des
Todes bei Paulus skizziert (214-220). Die Sünde ist die Frucht einer
Aktivität ohne Gott (222; s. 225-229 zu Rom 5,12-21); im physischen
Tod gewinnt sie die Herrschaft (229). Der zeitliche Tod ist
Anzeichen des eschatologischen Todes, der Trennung von Gott
(227). Als Sieger über die Sünde als Macht triumphiert Jesus über den
Tod als Macht (230). - Thema von Kap. VII ist ,Das Leiden und die
Hoffnung der Welt' (237-257). Sie sind für Paulus untrennbar; die
Hoffnung gründet auf dem Felsen der Auferstehung Christi (243).
Rom 8,19-22 wird (im Rahmen einer Kurzanalyse von 8,18-30
[242-256]) auf die gesamte Schöpfung bezogen (247-251). Kap. VIII
(258-278) bespricht Paulus' Äußerungen über sein eigenes Sterben,
über die Leiden des Apostels, über die Verwandlung des irdischen
Leibes in den der Herrlichkeit (dazu vgl. 217-220). Ein Schlußabschnitt
zum Ganzen (279-290)8 hebt die in dem Buch besonders
akzentuierten Aussagen ab von denen eines .langweiligen Katechismus
', einer «religion plus preoccupee de la faute que de la liberte
veritable» (279)'. Das Buch trägt das kirchliche Imprimatur.

Die Arbeitsweise bei L.-D. ist nicht ohne Spannungen; z. T. deutet
sich das bereits in unseren skizzierenden Sätzen an. Betont er mehrfach
allgemein, daß an das überlieferte Material die Maßstäbe der sog.
historischen Kritik anzulegen sind, so wird das m. E. für die Worte
am Kreuz ebensowenig nach den anderweit angewandten Maßstäben
(s. o.) durchgeführt wie für bestimmte Logien aus Job.10, mit denen
etwa Linien synoptischer Worte weitergezogen werden", von symbolischen
Deutungen wie der von Mt26,39/Mk 14,35 (Angesicht zur
Erde [131)] oder von Joh 19,28 (Jesus dürstet danach, den letzten Akt
seines Werkes zu vollenden [157]). Indessen sollen unsere kritischen
Anmerkungen nicht verdecken, daß L.-D. für die Evangelien und
Paulus das Todesverständnis überhaupt eindrucksvoll herausgearbeitet
hat. Je nachdrücklicher indessen in bestimmten Linien auch
die Bedeutung des Todes Jesu für die Gottes- und Christusbeziehung
zumal in den Paulusbriefen herausgestellt wird, um so auffälliger sind
manche theologische Abgrenzungen12, die er vornimmt.

Halle (Saale) Gerhard Delling

' Vgl. z. B. ThLZ90, 1965 Sp. 187-189; 97, 1972 Sp. 906-908; 103, 1978
Sp. 27 f, ferner s. u. A. 4.

2 Im Literaturverzeichnis werden nur 3 Spezialtitel aufgeführt, in den Anm.
begegnet eine Fülle von Verweisen; dazu sollte wenigstens ein Autorenregister
gegeben werden.

1 Zu Mk 14,25: Voilä une certitude historique de grand prix (105).

4 102-113: Le Repas eucharistique selon le Nouveau Testament behandelt
L.-D. in einer neuen Arbeit derselben Reihe (103 A. 19).

5 Jesus a laisse la puissance de Dieu liberer le monde de son peche (170).

* Vgl. 170: Jesus rettete die Welt, indem er sich selbst gab, als der vollkommen
Gerechte und dem Bund mit Gott radikal Treue.

7 L.-D. verweist dazu ferner auf Ps 31 [30],15;63 [62],2.

8 Im Anhang, «Par-delä la mort...» (291-305) wird L.-D., Etudes Nov.
1972,605-618 nachgedruckt.

' «Certes, je sais la gräce du Concile Vatican II» ... (279).'
10 Beispielsweise 45-47 zu Joh 11,33-38.

" Kritik an der Heranziehung des Joh weist L.-D. nachdrücklich zurück
(21).

12 In welchem Umfang u. E. den Negationen des Vf. zuzustimmen ist, kann
hier nicht dargelegt werden.