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Ausgabe:

1982

Spalte:

268-269

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Lichtenberger, Hermann

Titel/Untertitel:

Studien zum Menschenbild in Texten der Qumrangemeinde 1982

Rezensent:

Becker, Jürgen

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267

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 4

268

Was die Beschreibung anbetrifft: der Vf. teilt die Indikationen in
Rubriken ein, wo sie oft eine kurze Qualifikation erhalten. Es gibt
z. B. unter der Überschrift „externer Parallelismus" Rubriken für den
Parallelismus innerhalb der Strophe, zwischen aufeinanderfolgenden
Strophen und zwischen Stanzen. Nun leuchtet es ein, daß dasselbe
Element für sich genommen in verschiedener Weise gedeutet werden
kann (vgl. S. 200). So dürfte z. B. eine Wiederholung oder Alliteration
zwischen aufeinanderfolgenden Verszeilen einen Zusammenhang
innerhalb einer Strophe anzeigen, sowie eine Konkatenation zwischen
Strophen oder Stanzen. Eine Wiederholung in größerer Entfernung
dürfte auf einen Zusammenhang innerhalb einer Strophe oder
Stanze (Inklusion) sowie auf einen Parallelismus zwischen solchen
Einheiten hindeuten. Die Einbeziehung eines Elementes in eine Rubrik
impliziert also eine Entscheidung, deren Gründe aber nicht
immer sogleich deutlich sind; auch die abschließenden „Zusammenfassungen
" erläutern nicht so sehr die Wahl der Einteilung als vielmehr
das Endergebnis. Gewiß erhalten die verschiedenen Indikationen
ihre Evidenz erst in der gegenseitigen Verbindung und im Zusammenhang
mit der inhaltlichen Komponente. Deshalb wäre es vielleicht
angemessen gewesen, die gewählte Gliederung abschnittsweise
im Hinblick auf die gefundenen Indikationen zu begründen (wobei
nur für die oben unter [b] angedeutete Kategorie einiges repräsentatives
Vergleichsmaterial erwünscht wäre); diejenigen Beobachtungen,
welche nach Meinung des Untersuchers keine Hinweise geben, könnte
er einfach mitteilen, damit der Leser selbst urteilen kann.

Auch ohne Berücksichtigung des verfolgten Weges dürften die
Ergebnisse der Analyse Fragen hervorrufen. Indem der Vf. immer
wieder eine ähnliche Gliederung in Stanzen usw. zeigen möchte,
neigt er dazu, außer Strophen von zwei oder mehr Zeilen auch solche
von einem Distichon oder sogar von einer Stiche (S. 501) anzunehmen
. Darf man wirklich glauben, daß z. B. Ps 103,22b als eine Strophe
gelten soll? Für Ps 61 wird erwiesen, daß v. 6-9 eine symmetrisch
angeordnete Einheit ist. Ist es aber zweckmäßig v. 6 und v. 9 als
eigenständige Strophen aufzufassen? Dasselbe muß man sich bei Ps
47,6.9 und Ps. 129,5.8 fragen.

Auch wenn man die Existenz von - zum Teil ebenmäßigen - Strophen
, nicht leugnet, ist es problematisch, ob eine derartig detaillierte
Einteilung für jeden poetischen Text (oder: Psalm) möglich ist. Wo
ein Abschnitt sich inhaltlich und formell klar von seiner Umgebung
abgrenzt, soll das natürlich angezeigt werden. Ob jedoch der struktu-
relleZusammenhang eines solchen Abschnitts Bestandteil eines ausgearbeiteten
Strophenbaus ist, muß doch wohl von Fall zu Fall entschieden
werden.

Am Ende dieser Arbeit wird von der Bedeutung der strophischen
Analyse für das Verständnis des Textes gesprochen. Man wird dem
Vf. beipflichten müssen, daß Poesie erst dann recht zu Worte kommen
kann, wenn Form und Inhalt als eine unzerbrechliche Zweieinigkeit
aufgefaßt werden (S. 539); zum guten Verständnis ist also die
Formanalyse überaus wichtig. Für die wertvollen Beiträge, die der Vf.
dazu geleistet hat, sollte man ihm aufrichtig dankbar sein.

Amstelveen Th. Booij

Anderson, Bernhard W.: Tradition and Scripture in the Community of Faith

(JBL 100, 1981 S. 5-21).
Berlin, Adele: On the Meaningofrb(JBL 100, 1981 S. 90-93).
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Grossberg, Daniel: Noun/Verb Parallelism: Syntactic or Asyntactic (JBL 99,

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Haag, Ernst: Jahwes Opposition oder die Autorität der Propheten Israels

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Zalcman, Lawrence: Astronomical lllusions in Arnos (JBL 100, 1981

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Judaica

Lichtenberger, Hermann: Studien zum Menschenbild in Texten der
Qumrangemeinde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1980.
282 S. gr. 8°. = Studien zur Umwelt des Neuen Testaments,
15. Kart. DM 56,-.

Der Verfasser stammt aus der Heidelberger Qumranforschungs-
stelle, deren internationales Renomee durch ihren Begründer K. G.
Kuhn eingeleitet wurde. Als 1973 die Qumranforschungsstelle unter
der neuen, vorzüglichen Leitung von H. Stegemann nach Marburg
übersiedelte, ging Lichtenberger mit und wurde etwa zwei Jahre später
mit der vorliegenden Untersuchung in Marburg promoviert. Daß
die Veröffentlichung der Arbeit dann nochmals rund fünf Jahre in
Anspruch nahm, muß man bedauern.

Die internationale Spitzenklasse der Qumranforschungsstelle verpflichtet
: Philologisches Können und Kenntnis der Handschriftenfunde
aus Qumran und seiner Umgebung von der Paläontologie der
Texte bis zur umfassenden Kenntnis der Sekundärliteratur sind
selbstverständliche Voraussetzungen ihrer Arbeit. Der institutionalisierte
Dauerdialog im Arbeitsteam über jeden Textabschnitt und der
immer präsente aktuelle Stand zu den Texteditionen und Veröffentlichungen
schaffen bei jedem Mitarbeiter ein ungemein feines Senso-
rium für die Interpretationsprobleme. Auch die vorliegende Arbeit
spiegelt diesen hohen Standard wider.

Methodik und Anlage der Arbeit sind mustergültig: Zunächst
schafft sich der Vf. die Textbasis (Kap. I), dann beschreibt er den
Stand der Forschung (Kap. II), die Methode und den Weg der Untersuchung
(Kap. III). In diesem dritten Teil entscheidet sich Lichtenberger
mit guten Gründen dafür, nicht von Begriffsuntersuchungen
der anthropologisch relevanten Begriffe auszugehen, sondern als
semantische Basis geschlossene kleine Textabschnitte, Gattungen
bzw. Gattungselemente zu nehmen, um an ihnen Beobachtungen zur
Anthropologie der Qumrantexte je für sich anzustellen. Diesem Vorhaben
widmet sich dann Kap. IV, das den eigentlichen Kernbereich
der Arbeit darstellt. Das folgende Kap. V will den disparaten Ertrag
unter dem systematischen Leitgedanken von „Strukturen der Anthropologie
" bündeln. Zwei knappe Schlußkapitel behandeln noch die
Frage der Einheit des Menschenbildes in den Qumrantexten und
sammeln die Ergebnisse.

Dabei wird die Textbasis von solchen Texten bestimmt, die mit
Sicherheit in der Qumrangemeinde selbst entstanden sind, d. h. von
der Gemeinderegel und ihren beiden Anhängen, den Hodajot, der
Damaskusschrift und den Pescharim. Die Kriegsregel - obwohl vor-
qumranisch - ist wegen ihres regen Gebrauchs in der Essenergemeinschaft
dazugenommen. Andere Texte treten nur subsidiär hinzu. Sie
alle werden im informativen Kap. I einleitungswissenschaftlich vorgestellt
, so daß auch derjenige, der nicht speziell am Thema der Arbeit
Interesse hat, hier beste Information erhält. Danach weist die
Beschreibung des Forschungsstandes auf, wie - ausgehend von der
literarischen und traditionsgeschichtlichen Komplexität der Qum-
ranschriften - es darum geht, daß die Unterschiede der einzelnen
Schriften und ihre Traditions- und Redaktionsprozesse die Untersuchung
leiten.