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Ausgabe:

1982

Spalte:

231-234

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Duchrow, Ulrich

Titel/Untertitel:

Konflikt um die Ökumene 1982

Rezensent:

Falcke, Heino

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 3

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Kürzdörfer, Klaus: Die Bibel ist wieder gefragt. Neuer Stellenwert der Schrift
im Religionsunterricht (LM 20, 1981 S. 194-197).

KU-Praxis für die Arbeit mit Konfirmanden. 14: Konfirmandenpraktikum.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1981.95 S. 4: DM 14,80.

Loth, Heinz-Jürgen, u. Monika u. Udo Tworuschka [Hrsg.]: Christsein im
Kontext der Weltreligionen, erarb. v. J. Czech, H.-J. Loth, F. Trzaskalik,
M. u. U. Tworuschka. Frankfurt/M.-Berlin-München: Diesterweg; München
: Kösel 1981. VI, 97 S. m. Abb. 8'. DM 9,80.

Meier, Gerhard: Identifikation und Identität. Zur Funktion des Erzählens im
Religionsunterricht (PBL 121, 1981 S. 290-298).

- : Seelsorge in der Schule. Möglichkeiten und Grenzen eines „therapeutischen
" Religionsunterrichtes (PB1 121, 1981 S. 369-373).

ökumenlk: Allgemeines

Duchrow, Ulrich: Konflikt um die Ökumene. Christusbekenntnis - in
welcher Gestalt der ökumenischen Bewegung? München: Kaiser
1980. 338 S. gr. 8". Kart. DM 36,-.

Dem Buch hängt seit seinem Erscheinen der Geruch des Skandalösen
an. „Eine Abrechnung mit dem Lutherischen Weltbund" nennt
es „Lutherische Weltinformation" (18/80 S. 2). In der Tat übt hier
ein Insider (D. war Direktor der Studienabteilung des LWB) aus persönlicher
Betroffenheit und intimer Kenntnis scharfe Kritik mit radikalen
Konsequenzen: Dem LWB wird in seiner Praxis vorgeworfen,
daß er sich den globalen Abhängigkeitsmechanismen zwischen Nord
und Süd assimiliere (130) und in seiner Lehre mit dem Konzept der
„versöhnten Vielfalt" auf dem Weg der irrenden Kirche sei, konfessionelle
Selbsterhaltung betreibe und latent antiökumenisch wirke
(308). Dagegen müßten sich die konfessionellen Weltorganisationen
ausdrücklich als „Übergangserscheinungen" erklären (299).

Soweit das Buch kritische Darstellung des LWB ist, wird dieser
selbst zu reagieren haben1. Außenstehenden ist hier Zurückhaltung
und die Anwendung der kritischen Maßstäbe und Fragen des Buches
auf die eigene Kirche geboten. Denn der LWB ist hier nur als „Fallbeispiel
" aufgegriffen in der Hoffnung, „daß die Analyse eines konkreten
Falls auch übertragbare Einsichten, zumindest aber Fragen erbringen
wird, die von anderen Kirchengemeinschaften aufgegriffen
werden können" (53).

Das Buch verdient über den LWB hinaus intensive Aufmerksamkeit
als Beitrag zur ökumenischen Ekklesiologie. Aus ökumenischer
Mitarbeit erwachsen, hat das Buch den Vorzug, konkrete Ekklesiologie
zu bieten, der man den Entscheidungsdruck der ökumenischen
Probleme abspürt, damit aber eine methodisch bewußte und theologisch
wache Reflexion der ekklesiologischen Grundfragen und
Grundlagen verbindet.

Im ersten Kapitel (Die Kirche Jesu Christi und unsere Theologie)
werden methodische Fragen theologisch und sozialwissenschaftlich
geklärt. Ausgangspunkt ist die kämpfende Kirche als Ort der Theologie
, die Methode ist daher kontextual und konfliktorientiert. Theologisch
wird das in der fundamentalen Bedeutung begründet, die der
Kampf der Liebe Gottes gegen die Mächte des Bösen in der biblischen
Überlieferung und in Luthers Reichs- und Regimentenlehre hat
(28 ff). Dieser Kampf geht mitten durch die Kirche, und zwar in den
drei- Gestalten als Heiligungskampf und als Kampf mit irrender und
mit falscher Kirche. Das sind dann auch die differenzierenden Gesichtspunkte
der Kirchenkritik. Als Orientierung in diesem Kampf
werden die klassischen Eigenschaften der Kirche aufgegriffen, mit
Moltmann als Glaubens-, Hoffnungs- und Handlungssätze ausgelegt
und für die Kirche in der heutigen Weltsituation aktualisiert. So handeln
Kap. 2 und 3 von der Heiligen Kirche und unseren ungerechten
Abhängigkeitssystemen und von der Einen Kirche und unseren Spaltungen
.

Vorher aber führt der theologische Ansatz bei der ecclesia militans
zu sozialwissenschaftlichen Optionen gegen einen Funktionalismus

für konfliktorientierte ideologiekritische Methoden, die auch Berechtigungsmomente
marxistischer Religions- und Kirchenkritik einbeziehen
(43).

Eine Grundfrage kirchlicher Existenz in der Welt ist die (unvermeidliche
) Anpassung. Im Anschluß an die auch sonst dem Buch
zugrunde liegende Ekklesiologiestudie des LWB werden drei Typen
der Anpassung - Assimilation, Entfremdung, kritisch-konstruktives
Engagement - unterschieden.

Die kritische Analyse setzt mit der Frage ein, wie sich die Heilige
Kirche zu deu,ungerechten Abhängigkeitssystemen unserer Welt verhält
(Kap. 2). Dahinter stehen die Diagnosen der Entwicklungsproblematik
als ungerechte Abhängigkeitssysteme vor allem durch Jo-
han Galtung. Zeugnis, Dienst und Gemeinschaft der Kirche schließen
den Auftrag ein, die strukturelle Ungerechtigkeit dieses Systems
anzugreifen. Obwohl durch Zusammensetzung und Tradition
schlecht für diese Aufgabe disponiert (72ff), ist der LWB doch theologisch
-theoretisch zu dem Modell des kritisch-konstruktiven Engagements
vorgedrungen. In Evian (1970) hat er bejaht, daß die systembedingten
Ursachen sozialer und ökonomischer Ungerechtigkeit von
der Kirche als ganzer studiert, beurteilt und bekämpft werden müssen
. Die Vollversammlung in Darressalam (1977) erklärte dann gar
die Apartheidssituation im südlichen Afrika zum Status confessionis
(77ff). In Praxis und Organisation jedoch verhielt sich der LWB
karitativ-diakonisch und spiegelt damit das Hilfe-Konzept der reichen
Länder und Kirchen wider. Das gilt auch von den zwischenkirchlichen
Beziehungen und den Organisationsstrukturen des LWB,
die weder der theologischen noch kirchlichen Verselbständigung und
gleichberechtigten Partizipation der Kirchen der Dritten Welt dienten
. Hier fällt auch der besonders schwerwiegende Vorwurf, daß die
Förderung partikularer, konfessioneller Beziehungsstrukturen die
Kirchen auf der lokalen Ebene an der Zusammenarbeit hindere, die
zur Eigenständigwerdung unerläßlich ist (113). Dies ist dann auch
einer der praktischen Hauptgründe gegen das Konzept der „versöhnten
Vielfalt" für das der Konziliarität.

Im Kap. 3 geht es um die dreifache Frage, ob der LWB die exklusive
Begründung unserer christlichen Identität und Einheit in Christus
durch eine traditionell-konfessionell lutherische Identität überschatte
, dadurch die Ökumene am Ort und in der universalen Gemeinschaft
behindere und die Spaltungen der Welt widerspiegele, statt sie
zu überwinden.

In der letzten Frage führt D. die ökumenischen Forschungen der
(steckengebliebenen) Studie „Einheit der Kirche - Einheit der
Menschheit" weiter (142 ff). Die skizzenhaften Analysen führen zu
dem Ergebnis, die konfessionellen Weltbünde seien „hypothetisch in
Analogie zu partikularen internationalen Organisationen (zu) verstehen
, die das Zentrum-Peripherie-Modell zwischen Norden und
Süden aufrechterhalten" (203), während sich die Schwächeren im
Weltmaßstab eher in universalen Organisationen wie der UNO und
dem ORK zum Gegenüber der Mächtigen organisieren können. Zu
der zweiten Frage sieht D. den LWB auf dem Weg von der offenen zur
verschleierten AntiÖkumene, die sich in dem Konzept einer nach
Konfessionsfamilien gegliederten Ökumene ausspricht (158). Zur ersten
Frage stellt D. fest, daß das Konzept der „versöhnten Vielfalt" in
Texten des LWB nicht als „Wegbegriff" sondern als „ZielbegrifT" verstanden
und den konfessionellen Ausprägungen damit bleibender
Wert zugemessen werde (169). Damit aber befindet sich der LWB auf
dem Weg der irrenden Kirche, weil damit das „Christus allein" angetastet
sei (1740.

Im zweiten Teil fragt D. nach dem ekklesialen Charakter des LWB
und des ORK und damit grundsätzlich nach der zukünftigen Gestalt
der ökumenischen Bewegung.

Die ekklesiologischen Fragen an den LWB (Kap. 4) spitzen sich auf
die radikale Frage zu, ob der LWB als solcher der wahren oder der irrenden
Kirche diene. Hinter der Verfassung des LWB stehe „die neo-
konfessionalistische Vorstellung des 19. Jahrhunderts, daß das historisch
gewordene lutherische Bekenntnis Norm und Ausdruck der