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1982

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 3

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in wesentlichen Einsichten zu antizipieren. Aber dieser Ansatz wird
nicht durchgehalten, der Gedanke der SelbstofTenbarung ist nur
äußerlich mit dem Gedanken der Heilsgeschichte vermittelt und
nicht wirklich in den Kontext eines innergeschichtlichen Dialogdenkens
übersetzbar (2900-

In der Theologie v. Balthasars laufen mehrere Entwicklungslinien
zusammen. Er knüpft an Guardinis Werk an, mit dem er die Frontstellung
gegen die Aufklärung teilt, dessen heilsgeschichtlichen Ansatz
er aber durch eine theologische Phänomenologie bereichert und
vertieft. Dadurch überwindet er die auf dem l. Vatikanum fixierte
starre Dichotomie von Vernunft und Offenbarung, wahrt im übrigen
aber pünktlich das Anliegen dieser supranaturalistischen Theologie.
Karl Barths christologische Dogmatik versucht er mit der Analogielehre
Erich Przywaras zu versöhnen, v. Balthasar versteht Gottes
SelbstofTenbarung in Christus als ein schlechthin unableitbares Geschehen
, das nur als das „Ganz-Andere" wahrgenommen werden
kann. Die begriffliche Systematisierung dieser Wahrnehmung führt
zu einer originellen Erblickungs- und Entrückungslehre. Aber da jede
Vermittlung geschichtsphilosophischer, naturphilosophischer oder
anthropologischer Art zurückgewiesen wird, behindert diese grandiose
„Theologie der Herrlichkeit" sich selbst, kann sie nur noch
apodiktisch setzen, wo sie argumentieren müßte. Sie ist der Grundtendenz
nach „vor-kritisch", „polemisch antikritizistisch"; wie der
Theologie Barths kann ihr der Vorwurf des „Offenbarungspositivis-
mus" (342) nicht erspart werden.

Im Unterschied zu den bisherigen antiaufklärerischen Gestalten
von Theologie ist Rahners Transzendentaltheologie von dem Interesse
geleitet, die scholastische Theologie des Thomas von Aquin mit
dem Standpunkt neuzeitlicher Subjektivität zu verknüpfen. In sehr
sorgsamen Studien verfolgt Eicher Rahners Weg von einer philosophischen
Vermittlung der Theologie über eine theologische Vermittlung
der Philosophie bis zu einem Gott-Denken, das nicht mehr im
strengen Sinne wissenschaftliche Geltung beansprucht, sondern als
„Anwalt des transzendentalen Geheimnisses" nur noch Rechenschaft
über das abzugeben vermag, was sich klarer Rede letztlich entzieht
(363). Durch alle Stadien seines Denkens hindurch behält Rahner
aber das Ziel im Auge, die neuzeitliche Verselbständigung der Offenbarung
gegenüber der Vernunft in der ursprünglichen Einheit des
„übernatürlichen Existentials" zu überwinden. Er sieht zwischen
natürlicher und übernatürlicher Bestimmung des Menschen keine
konkrete Differenz, die menschliche Natur vielmehr immer schon auf
Gottes Selbstmitteilung ausgerichtet und so durch das „übernatürliche
Existential" bestimmt (358). Alles Denken ist in der Offenbarung
grundgelegt und dementsprechend „muH Offenbarung als die
Geschichte des Bewußtwerdens der gnadenhaften Selbsttranszendenz
des Menschen in seinem Verhältnis zu Gott begriffen werden" (389).
Es fragt sich allerdings, ob solch transzendentales Denken der
geschichtlichen Offenbarung noch gerecht zu werden vermag (402ff),
ob es nicht in Gefahr steht, über Jesus Christus vorzuentscheiden,
statt in ihm den entscheidenden Offenbarer Gottes zu erblicken (408).
Eicher nimmt Rahners transzendentale Christologie gegenüber einer
zu kurz angesetzten Kritik in Schutz (412IT), konstatiert aber gleichwohl
eine „rasante Reduktion der faktischen Geschichte auf die gna-
denhaft bestimmte Geschichtlichkeit. . . Die Offenbarungstheologie
resorbiert sich in transzendcntaltheologischer Anthropologie, das
Gott-Denken im Denken des Menschen" (420f).

Diese Reduktion scheint in Pannenbergs offenbarungstheologi-
schem Geschichtsdenken aufgehoben zu sein. Mit Rahner verbindet
Pannenberg das Bestreben, die anthropologische Wende der Neuzeit
theologisch positiv zu erschließen. Im Unterschied zu Rahner versteht
er Offenbarung aber nicht als transzendentale Bedingung der
Möglichkeit menschlicher Erkenntnis, sondern als Kategorie geschichtlicher
Erfahrung. Damit bietet der neue Entwurf von „Offenbarung
als Geschichte" produktive Möglichkeiten, die Pannenberg
nach Eichers Urteil aber wieder verspielt, weil er mit seiner Konzeption
von proleptischer Eschatologie die Gegenwart des Heils zu entwerten
droht (461 f), weil er sich vor allem - gegen das einmütige Votum
der Forschung - darauf versteift, die Auferstehung als historisch
verifizierbares Faktum zu postulieren. So mündet dergeschichtstheo-
logische Ansatz in seinem Zentrum in den Verlust von Geschichte
aus (464). Dieser Vorwurf wird gegenüber Moltmanns Hoffnungs-
theologie noch verschärft: „Die eschatologische Theologie gerät zur
negativen Geschichtstheologie" (479).

Für die dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung
„Dei Verbum" des 2. Vatikanums gibt nicht mehr wie für das 1. Vatikanum
die Aufklärungsproblematik den Ausschlag. Neben neueren
Entwicklungen innerhalb der katholischen (und evangelischen)
Theologie wirken sich jetzt Positionen eines geschichtlichen Offenbarungsdenkens
aus, die in ihren Wurzeln noch vor dem 1. Vatikanum
liegen und von ihm entweder nicht berücksichtigt oder förmlich
verdrängt wurden (4961T). Gleichzeitig bleibt aber die Doktrin von der
Unfehlbarkeit des Papstes in voller Schärfe in Geltung, so daß es „zu
einem eigenartig unausgeglichenen Kompromiß" (498) zwischen
einem heilsgeschichtlich-worttheologischen Ansatz (Kapitel I der
Konstitution) und einer kirchlichen Überlieferungslehre (Kapitel II
der Konstitution) kommt, den Eicher in umsichtigen Interpretationen
am Text und der dramatischen Vorgeschichte dieser Konstitution
durchleuchtet. „In dieser mangelnden Konsequenz liegt das
größte Problem der gegenwärtigen katholischen Offenbarungstheologie
" (543).

Diese stupend fleißige und beeindruckend gelehrte Arbeit hat ihr
Gewicht und ihre Stärke in den gründlichen Analysen unterschiedlicher
offenbarungstheologischer Konzeptionen aus Vergangenheit
und Gegenwart. Dem Vf. gelingen immer wieder erhellende
Schneisen durch das Dickicht komplizierter Gedankengänge und Argumente
, und datür gilt ihm uneingeschränkter Dank. Es charakterisiert
aber diese umfängliche Untersuchung, daß sie den Entwurf einer
Offenbarungstheologie unter den Bedingungen des neuzeitlichen Bewußtseins
nicht eigens als systematisch-theologische Aufgabe in Angriff
nimmt. Sie macht das Problem bewußt, liefert auch einzelne
Bausteine und zeichnet Umrisse, aber das Gebäude selbst muß erst
noch errichtet werden.

Hamburg Hermann Fischer

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