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Ausgabe:

1982

Spalte:

204-207

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen - 1. Januar 1547 - 25. Mai 1548 1982

Rezensent:

Schmidt, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 3

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vermochten ihn zu entschuldigen" (2). Doch gab es auch „Anklänge
an einen heiligen Krieg, wenn die Kirche wie bei den Sarazenenkämpfen
der Päpste im 9. und 10. Jahrhundert ihre Verteidigung in
eigene Hände nehmen mußte" (2). „Das Eindringen des Kreuzzugsgedankens
in die politische Propaganda des 12. Jahrhunderts"
(Kap. II) führte zu Plänen, Kreuzzüge auch gegen Ketzer, gegen By-
zanz oder gegen Slawen zu führen (13-20). „Die Zeit Lothars III. und
Innozenz' II." (Kap. III) stellte die militärischen Pflichten der deutschen
Bischöfe in Frage, die z. B. von Otto von Bamberg nur mangelhaft
erfüllt wurden. Lothar fand jedoch die Hilfe seiner Bischöfe, da
der Papst eingriff. Innozenz wiederum brauchte die Hilfe Lothars und
schrieb ihm von der „Pflicht zur Verteidigung der römischen Kirche"
(35). Propst Gerhoh von Reichersberg hat die kriegstüchtigen Bischöfe
seiner Zeit getadelt, aber „Gerhohs Ideal des Bischofs, der sich
von den politischen Verhältnissen abwandte, um nur seinen geistlichen
Aufgaben ... zu leben, war in dieser Epoche Utopie" (56).

Ein Schwerpunkt der Arbeit ist Kap. IV „Die ,Concordia discor-
dantium Canonum' Gratians" (57-108). Causa 23 stellt fest: Das
Tötungsverbot des Dekalogs gehört ebenso zum Naturrecht wie der
Grundsatz, Gewalt mit Gewalt abzuwehren. Für die Priesterweihe ist
die Tötung eines Menschen ein Hindernis, „die Kirche besitzt in
dieser Frage ihre eigenen moralischen Ideale" (63). Aber der Gehorsam
der Soldaten wird auch mit Rom 13 begründet (67). Ein Soldat
kann nicht die Rechtmäßigkeit von Befehlen prüfen, wohl aber die
Kirche; sie darf sogar „zur Einleitung eines Krieges initiativ werden"
(75). Von daher werden Kreuzzüge bei Gratian möglich. Als später
Kreuzfahrerstaaten unter Druck gerieten, „konnten die Kreuzzüge
als gerechte Kriege zum Schutz und zur Verteidigung und zur Wiedererlangung
zu Unrecht entrissenen Besitzes gelten" (89). Gratian
hat aber nicht nur das Recht der Kirche herausgestellt, er fordert
immer wieder auch die Zusammenarbeit von weltlicher und geistlicher
Macht. Nachfolgende Kanonisten hatten die Wahl, „entweder
die Überordnung der Kirche über den Staat oder die Zusammenarbeit
beider Gewalten stärker zu betonen" (108). Kapitel V „Bernhard von
Clairvaux und die Zeit des 2. Kreuzzugs" (109-158) geht auf den
Tempelorden ein. Krieg im heiligen Land läßt eine „Verbindung von
mönchischer und kriegerischer Lebensart" zu (115). Bernhard war
ein Propagandist des neuen Kreuzzugs, aber selbst er macht Einschränkungen
: „Mehrfach hat er der Erfüllung geistlicher Aufgaben
und dem Klostereintritt oder dem Verbleib in einem Kloster den
Vorrang vor einer Jerusalemfahrt zugewiesen" (130). Die Niederlage
der Kreuzfahrer 1149 „erschien als Gottesurteil" (144). Es war für
manche Zeitgenossen „nicht mehr sicher, ob der Kreuzzug ein Werk
Christi oder eine Versuchung des Antichrists war" (147). Selbst der
Patriarch von Jerusalem fragte, ob der Krieg überhaupt erlaubt sei
angesichts des Gebots „Du sollst nicht töten" und des Jesuswortes
„Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen" (155).

Das abschließende Kapitel VI „Die Dekretistik" erörtert die kirchenrechtliche
Entwicklung nach Gratian (159-258). Es geht um den
gerechten Krieg (188-207). Das Recht zur Eröffnung eines Krieges
wurde eingeschränkt „auf die Häupter von Staat und Kirche", um so
das Kriegsrecht von Städten zu bestreiten (208). Kriegsdienst unter
heidnischer Obrigkeit ist erlaubt, da auch sie ihre Gewalt von Gott
hat (211). Die militärische Hilfe der deutschen Kirche für den Herrscher
ist dann erst recht selbstverständlich. Bischöfe sollen „nicht
persönlich zu den Waffen greifen", doch sind sie verpflichtet, „mit
ihren Rittern dem König in einem gerechten Krieg Zuzug zu leisten"
(221). Eine militärische Befehlsgewalt des Papstes wird nur für das
Gebiet des Kirchenstaates anerkannt (229). Die Dekretisten konnten
„keinen Ansatzpunkt für eine kirchenrechtliche Kreuzzugsdoktrin"
finden (235). Hehl sagt sogar: „Von einer Begeisterung für den Kreuzzug
als einer Chance des Christen, das ewige Heil zu erwerben, ist in
den Arbeiten der Dekretisten nichts zu finden" (245). Die Erörterung
des Kriegsproblems nutzte keineswegs nur der Kirche. Sie bot auch
den „Herrschern die Möglichkeit zur Konzentration der politischen
Gewalt auf die Person des Königs und ergänzte so entsprechende

Ansätze des römischen Rechts" (251). Die Kirche hatte die Aufgabe,
die Parteien vor Kriegen zu warnen. Man sah schon damals das Problem
, daß „beiden Parteien vor der Schlacht... die Eucharistie gereicht
wird und Christus so ,gespalten' wird" (252). Die kirchenrechtlichen
Untersuchungen zum Problem des Krieges haben auf längere
Sicht dazu geführt, daß die staatliche Gewalt „eine eigenständige
Rechtfertigung" fand. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts schienen sich
hierokratische Auslegungen durchzusetzen, doch unter dem Eindruck
der Machtlosigkeit Papst Bonifaz' VIII. gegenüber dem französischen
König „fiel dieses Lehrgebäude wie ein Kartenhaus in sich
zusammen" (256). Im Vorwort sagt Hehl zusammenfassend: „Die in
der Kanonistik des 12. Jahrhunderts gezogene Summe des mittelalterlichen
Gewaltverständnisses bedeutet eine wesentliche Voraussetzung
für die Entstehung des modernen Staatsbegriffs" (VIII).

Quellenauszüge (259-67) sowie umfangreiche Register erhöhen
noch den Wert dieses höchst informativen Buches.

Rostock Gert Haendlcr

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von
Sachsen. III: 1. Januar 1547-25. Mai 1548. Hrsg. v. d. Historischen
Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
zu Leipzig. Bearb. v. J. Herrmann u. G. Wartenberg. Berlin: Akademie
-Verlag 1978. 914 S. gr. 8' = Abhandlgn. d. Sächs. Akademie
d. Wissenschaften. Phil.-hist. Kl., Bd. 68, H. 3. Lw. M 88,-.

Umfassende Veröffentlichungen bedeutender Quellentexte sind
eine grundlegende Voraussetzung aller theologischen, historischen
und philologischen Forschung und Lehrtätigkeit. Ihre Bearbeitung