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Ausgabe:

1982

Spalte:

202-204

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Hehl, Ernst-Dieter

Titel/Untertitel:

Kirche und Krieg im 12. Jahrhundert 1982

Rezensent:

Haendler, Gert

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201

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 3

202

Segovia, Fernando: The Love and Hatred of Jesus and Johannine Sectarianism

(CBQ43, 1981 S. 258-272).
Stegemann, Wolfgang: Das Evangelium der Armen. Über den Ursprung der

Theologie der Armen im Neuen Testament. München: Kaiser 1981. 68 S. 8'

= Kaiser Traktate. Kart. DM 7,80.
Swetnam, J.: Jesus as Xöyoi in Hebrews 4,12-13 (Bibl 62,1981 S. 214-224).
Vicent, Rafael: Derash homiletico en Romanos 9-11 (Sal42, 1980

S. 751-788).

Kirchengeschichte: Mittelalter

Feiten, Franz J.: Abte und Laienäbte im Frankenreich. Studie zum
Verhältnis von Staat und Kirche im früheren Mittelalter. Stuttgart
: Hiersemann 1980. VII, 369 S., 7 Ktn gr. 8* = Monographien
zur Geschichte des Mittelalters, 20. Lw. DM 198,-.

Teil A. beginnt mit Fragen „Zur Problematik der Laienäbte". Vorwürfe
gegen Laienäbte werden vorgeführt, um den „Versuch einer
Neubewertung der irregulären Äbte" (47-58) zu begründen. Feiten
will „das Bild des ausbeuterischen Laienabtes korrigieren, zumindest
in weiten Teilen" (55). Diesem Ziel dient der umfangreiche Hauptteil
B „Zur Entwicklung des Abbatiats in Kirche und Welt vom 6. bis
zum 9. Jh." (59-279). Zur Merowingerzeit gab es einen großen Unterschied
zwischen Bischöfen und Äbten. Bischöfe spielten eine
politische Rolle, hatten Einfluß am Hof, hatten unter Umständen
auch militärische Aufgaben; sie konnten ihr Amt aus politischen
Gründen verlieren. Dagegen war „das Amt des Abtes weniger attraktiv
als das eines Bischofs" (86). Man strebte kaum aus politischem
Ehrgeiz nach der Abtswürde. Klostergründer konnten eine besondere
Rolle spielen, die für ein späteres „Laienabbatiat" bedeutsam war. Es
war möglich, daß „ein Gründer oder Eigenkirchenherr sich in seinem
Kloster niederließ, die Abtswürde übernahm, sich aber nicht dem
klösterlichen Leben unterwarf, sondern sein normales laienhaftes
Leben (mit Familie und Gefolge) fortsetzte" (98). Die Entwicklung
»Von der Merowinger- zur Karolingerzeit" (99-142) stärkte die Stellung
der Äbte, die auf den Synoden eine größere Rolle spielten. Damit
verbunden war eine zunehmende wirtschaftliche und mitunter
sogar militärische Bedeutung einzelner Klöster. Bezeichnend für
diese Aufwertung der Äbte ist die Sendung des Abtes Fuldrad von St.
Denis (neben Bischof Burchard von Würzburg) nach Rom 749/50,
um über die Erhebung Pippins zum König zu verhandeln. Den letzten
Merowinger steckte man ins Kloster. Es gab also „eine nicht-
religiös bestimmte Verwendung der Klöster als Haftanstalt für politische
Gegner und als Ruhesitz für ausgediente Politiker" (139).
Dennoch sind die Äbte „noch nicht so stark in die politisch-
militärische Sphäre verflochten wie die Bischöfe" (141). Laienäbte
smd nicht schlüssig nachzuweisen.

„Die Zeit Karls d. Gr. und Ludwig d. Fr." (143-287) bringt in der
Integration der Äbte in die Reichskirche einen Höhepunkt. Karl sah
m den Klöstern primär seine Bildungsstätten. 825 forderte man die
Mitwirkung der Äbte in Rechtsfragen, „selbst Äbtissinnen sind nach
den Kapitularien zur Rechtspflege in Eintracht mit Bischöfen, Äbten
und Grafen aufgerufen" (159). In seinen letzten Jahren hat Karl
über Äbte geklagt; die Besitzvermehrung der Klöster führte zur Verarmung
bestimmter Bevölkerungsteile (170). Die Äbte „erscheinen
mnerhalb der Kirche noch deutlicher als um die Mitte des
8- Jahrhunderts mit den Bischöfen als eine vom übrigen Klerus abgehobene
Gruppe" (174). Ausführlich untersucht F. die Klosterprivilegien
Karlsd. Gr. (174-257). Er vermutet „einen Zusammenhang zwischen
Schenkungstätigkeit und Expansion des Reiches" (249). Später
gab er weniger Privilegien, was erklärbar ist „aus einer Enttäuschung
Karls darüber, daß die von ihm Begünstigten ihre Rolle in seinem poetischen
System nicht zu seiner Zufriedenheit spielten" (252). Ein
Beispiel ist Alkuin (236-244). Es gab Fälle von „Besinnung auf die
geistlichen Aufgaben und Rückzug aus dem Königsdienst" (257). Die

Klosterpolitik Ludwigs d. Fr. begann mit einem Anlauf zu Reformen
(Benedikt von Aniane). Doch blieben Mönchtum und Welt verzahnt.
Auch Ludwig stützte sich auf „Äbte großer und mächtiger Klöster
und Stifte, die uns in den Urkunden als Petenten und Intervenienten,
in den erzählenden Quellen als politisch verantwortlich Handelnde
begegnen" (279). Summarisch sagt F.: „Die Herrscher vergeben einen
bestimmten Kreis von Abteien an Männer ihrer Wahl, an Verwandte
und Freunde, an reguläre und irreguläre Äbte, an Kleriker oder
Laien, die eines gemeinsam haben: Sie arbeiten mit dem Herrscher
zusammen, er ist auf ihre Unterstützung angewiesen, wie umgekehrt
sie ihre Stellung der Gunst des Herrschers, zuweilen auch ihrem politischen
Einfluß verdanken" (279).

In Teil C. kommt F. auf das Stichwort „Laienabbatiat" zurück
(280-304). Der Geschichtsschreiber Einhard erhielt als Laienabt
mehrere Klöster; 830 zog er sich in sein Lieblingskloster zurück. Unklar
ist, ob er Mönch wurde oder Laie blieb (286). Grundsätzlich
waren Laien als Äbte möglich. Es gab manche Kritik an Klöstern,
aber frühestens 825 enthält solche Kritik auch den Vorwurf, daß als
Abt ein Laie amtiere. Erst in der Mitte des 9. Jh. gab es einen „Höhepunkt
der Kritik an den Laienäbten" (303). Diese späte Kritik hat die
Geschichtsschreibung bestimmt; sie ist aber „nicht a priori als sachgerecht
oder gar als gerecht schlechthin" zu werten (305). Tatsächlich
gab es Laienäbte erst relativ spät und nur in geringem Umfang. Noch
wichtiger ist die andere Feststellung: Es gab auch ohne Laienäbte für
Bischöfe und Äbte „die Einbindung in den ,karolingischen Staat', und
zwar in einem doppelten Sinne: Erschienen sie einerseits den staatlichen
Interessen dienstbar gemacht, so waren sie andererseits fähig
und willens, eigene umfangreiche Herrschaften aufzubauen" (306).
Die Reformbewegung im 9. Jh. betonte „die spezifischen Aufgaben
von Kirchen- und Klostergut, von Bischöfen und Äbten so stark, daß
sie mit der Realisierung ihres Ideals gleichsam auch das Gegenteil
hervortrieb ..., die Entstehung und zunehmende Verbreitung des
Laienabbatiats neben und z. T. in Konkurrenz anderer Formen irregulärer
Klosterherrschaft" (307).

Die Untersuchung beruht durchgehend auf Quellen, jede Seite ist
mit Anmerkungen unterkellert, es fehlt nicht an Auseinandersetzungen
mit anderen Meinungen. Im umfangreichen Literaturverzeichnis
(323-49) fehlt das Standardwerk von Franz Brunhölzl, Geschichte
der lateinischen Literatur des Mittelalters I, 1975; auch
R. Schneiders Untersuchung über Königswahl und Königserhebung
im Frühmittelalter hätte genannt werden sollen. Heussis Kompendium
wird nur eine 4. Auflage (1919) zugemessen. Die These über die
relativ geringe Rolle eines spezifischen Laienabbatiats ist anregend
und wohl begründet. Der Wert der Arbeit geht aber weit darüber hinaus
: An den reichen Quellenforschungen werden zukünftige Arbeiten
zum frühen Mittelalter nicht vorbeigehen können.

Rostock Gert Haendler

Hehl, Ernst-Dieter: Kirche und Krieg im 12. Jahrhundert. Studien zu
kanonischem Recht und politischer Wirklichkeit. Stuttgart: Hiersemann
1980. IX, 310 S. gr. 8' = Monograpien zur Geschichte des
Mittelalters, 19. Lw. DM 160,-.

Die Mainzer Dissertation (1977) nennt die Voraussetzungen der
Problematik: „Die Äußerungen der Bibel zum Krieg sind widersprüchlich
. Auf der einen Seite stehen das Tötungsverbot des Dekalogs
, die Aufforderung Christi an Petrus, sein Schwert in die Scheide
zu stecken, und die zahlreichen Friedensverheißungen - auf der anderen
die Schilderungen gottgewollter Kriege Israels in den Schriften
des Alten Testaments und in den Briefen des Petrus und Paulus die
Anerkennung der staatlichen Gewalt, der sie die Aufgabe zuwiesen,
mit ihrem Schwert ein geordnetes Zusammenleben der Menschen zu
sichern" (1). Die Bußbücher des frühen Mittelalters waren klar:
„Jeder Totschlag erforderte seine Buße. Weder die innere Einstellung
des Soldaten noch der Grund des Krieges und Befehl des Herrschers