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Ausgabe:

1982

Spalte:

195-196

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schille, Gottfried

Titel/Untertitel:

Das älteste Paulus-Bild 1982

Rezensent:

Lindemann, Andreas

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Seite 1

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195

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 3

196

Briefen entfaltet ist, das Geschenk Gottes und das Handeln des Menschen
. Zusammenfassend formuliert S. (S. 132): „Gotteskindschaft ist
der neue Zustand des Menschen, der ein Ausdruck von Glaube und
Taufe ist. ... Glaube und Taufe stellen die Zusammenarbeit Gottes
und des Menschen dar."

Das zwölfbändige Kommentarwerk, von dem in dieser Zeitschrift
(ThLZ 105, 1980 Sp. 6790 schon die Bände über Markus und Johannes
rezensiert worden sind, informiert den polnischen Leser eingehend
über den Stand der Exegese und berücksichtigt dabei auch die
Diskussion im evangelischen Raum. In den Eigenaussagen will es bewußt
im Rahmen kirchlich katholischer Schriftauslegung bleiben.

Erlangen Ernst Lerle

Schille, Gottfried: Das älteste Paulus-Bild. Beobachtungen zur
lukanischen und zur deuteropaulinischen Paulus-Darstellung.
Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1979.92 S. gr. 8*. Kart. M 4,50.

Der erste, umfangreichste Abschnitt der Studie widmet sich dem
Paulus-Bild der Apg (S. 9-52); im zweiten Teil (S. 53-79) behandelt
Sch. nacheinander Kol, Eph und die Pastoralbriefe; am Schluß
(S. 81-92) stehen die Anmerkungen. Um die lukanischen Aussagen
über Paulus zu erfassen, wendet Sch. die Methode der ,,radikale[n]
Redaktionsgeschichte" (S. 9) an. Lukas habe „ein völlig geschlossenes
Bild gezeichnet" (S. 15), das als solches zur Kenntnis genommen
werden müsse und nicht mit den Mitteln historischer Analyse auf
seinen historischen Kern hin befragt werden soll (Sch. spricht S. 16f
von einer ,,bunte[n] Ikone auf Goldgrund" als von einem Bild, dem
gegenüber „historische Mittel... im allgemeinen versagen, weil sie
ihm nicht angemessen sind"). Gleichwohl stellt Sch. das Paulus-Bild
der Apg dann doch im Gegenüber („Dissonanz", S. 20) zum historisch
Erkennbaren dar. Er betont dabei die Tendenz des Lukas, Paulus
als von Anfang an in jeder Hinsicht „groß" darzustellen: Paulus
beginne „sofort im Vollbesitz missionarischer Schlagkraft" (S. 20),
gewinne gegenüber Barnabas rasch das Übergewicht (S. 22), sei alsbald
„ein selbständiger Missionsleiter" (S. 24), der sich „seiner Größe
entsprechend ... auf die Großstadt- und Großraumarbeit" beschränke
(S. 25). wobei er vom Geist geführt werde (S. 26). Höhepunkt sei
die doppelte Apantesis der römischen Gemeinde in Apg 28,15; diese
bereite dem Paulus einen Empfang, „der ihn in den Rang eines Ky-
rios erhebt" (S. 30). In diesem Zusammenhang gibt Sch. eine bemerkenswerte
Antwort auf die oft gestellte Frage, warum Lukas auf eine
einheitliche Titulatur für Paulus verzichtet: Durch die Verwendung
zahlreicher Titel („Zeuge" 22,15; „Apostel" 14,4.14; „Prophet und
Lehrer" 13,1) „hat er nicht etwa die Bedeutung dieses Mannes verkannt
oder gar verkleinert, sondern mit wünschenswerter Umsicht
gesteigert" (S. 33; vgl. S. 51: Lukas lag daran, „Paulus so einzuordnen
, daß der Leser die gleichwertige Andersartigkeit begriff"). Ausführlich
geht Sch. auf die Chronographie der Apg ein (S. 33-44); zwar
fänden sich auch in der vorlukanischen Tradition gelegentlich Zeitangaben
(z. B. 11,27-30), aber die Paulus-Chronologie als ganze sei
unabhängig von Vorlagen - auch unabhängig vom Corpus Paulinum
- entworfen (S. 38), wobei charakteristisch die langen Zeiträume
seien, die Lukas den Aufenthalten des Paulus vor allem in Korinth
und Ephesus zumesse (S. 390- Sch. nimmt, m. E. sehr zu Recht, an,
daß die Apg ein positives Paulus-Bild in der zeitgenössischen Kirche
voraussetzt (S. 17: „Bis zum Beweis des Gegenteils läßt sich das Gesamtphänomen
des Deuteropaulinischen [zu dem Sch. auch die Apg
rechnet; A. L.] nur auf dem Hintergrund einer ständig wachsenden
Paulus-Verehrung begreifen"; vgl. auch S. 52).

Nicht wesentlich hiervon unterschieden ist das Paulus-Bild des Kol
(S. 53-60), der ebenso wie Eph „den Charakter eines Rundschreibens
" besitze (S. 54). Beide Briefe seien „ein gut Teil vor dem lukanischen
Werk anzusetzen", da „kein Satz der lukanischen Neuprägung
hinter das in den Deutcropaulinen belegte Maß" zurückgreife (S. 68).

Paulus werde gezeichnet als Völkermissionar und als Lehrer der Kirche
bis hin zu dem Gedanken, daß das Leiden des gefangenen Apostels
„in die oikonomia Gottes eingeordnet und damit selbst zu einem
Gegenstand der Verehrung" wird (S. 60). Eph (S. 60-66) bietet nahezu
dasselbe Bild, was nach Sch. gerade gegen die literarische Abhängigkeit
vom Kol spricht: „Eine Vorstellung - und um eine solche
handelt es sich bei dem jeweiligen Paulus-Bild - läßt sich nicht literarisch
kopieren" (S. 60; vgl. S. 66-68). Paulus stehe nach dem Eph
„nicht in der Schar der Triumphierenden, sondern'auf dem Kampffeld
", wie vor allem 6,19f zeigten, und in dieser Hinsicht mute Eph
sogar älter an als Kol (S. 65).

Das Paulusbild der Past (S. 69-79) gehört in eine deutlich spätere
Zeit; diese Briefe setzen eine feste Struktur der Kirche voraus und interpretieren
Paulus als Träger der Tradition (sehr gut S. 77: In Kol
und Eph „gilt das Wort eines Paulus nicht, weil es von ihm
stammt..., sondern weil es, wie die Aktualisierungen anzeigen,
gegenwartsnah, effektiv ist. Im Gegensatz dazu steht die Paulus-
Renaissance der Pastoralbriefe, die dem Traditionellen verpflichtet
ist, einfach weil Tradition als Gut empfunden wird."). Auch verglichen
mit der Apg repräsentieren die Past eine wesentlich jüngere
Stufe des Paulus-Bildes (S. 78).

Sch.s Studie enthält viele anregende, z. T. auch provozierende Gedanken
, die gelegentlich natürlich etwas fragmentarisch bleiben
(worauf im Vorwort S. 5f schon vorwegnehmend hingewiesen wird).
Bedenken habe ich einigen Einzelheiten gegenüber. So ist es m. E.
nicht zu verifizieren, daß das Bild der paulinischen Großstadtmission
ausschließlich lukanisch sein soll (S. 25f) - Kenchreä liegt nicht auf
dem Lande, und aus Rom 15,19.23 ergibt sich gewiß nicht, daß Paulus
jede Ortschaft zwischen Jerusalem und Illyrien besucht hat; kleine
Städte wie Derbe und Lystra werden gerade in der Apg, nicht aber bei
Paulus erwähnt. Auch leuchtet kaum ein, daß die großen Zeiträume
in der paulinischen Mission allein auf das Konto des Lukas gehen sollen
- Sch.s Behauptung, zwischen der Gründung der korinthischen
Gemeinde und der Abfassung des 1 Kor in Ephesus „dürften noch
kaum Monate verflossen sein, auf keinen Fall Jahre, da diese Gemeinde
noch in den Anfangsschwierigkeiten steckt" (S. 38), ist m. E.
unbegründet. Skepsis scheint auch angebracht zu sein gegenüber der
These, die Gallio-Episode Apg 18 sei ursprünglich von der Paulus-
Überlieferung unabhängig gewesen und habe allein vom Christen (!)
Sosthenes gehandelt (S. 41). Aber solche Detailkritik ändert nichts
am Gesamteindruck, daß Sch. auf relativ knappem Raum eine sehr
bedenkenswerte Darstellung des ältesten Paulus-Bildes (resp. der ältesten
Paulus-Bilder) der Kirche vorgelegt und dabei gezeigt hat, welcher
Wertschätzung sich Paulus zur Zeit des ausgehenden ersten
Jahrhunderts erfreute (vgl. S. 52).

Bethel Andreas Lindemann

Sandelin, Karl-Gustav: Die Auseinandersetzung mit der Weisheit in
1. Korinther 15. Abo: Abo Akademi. 1976. 263 S. 8° = Meddelan-
den frän Stifteisens förÄbo Akademi Forskningsinstitut, 12.

Der Titel dieser Untersuchung läßt bereits erkennen, wie Vf. den
religionsgeschichtlichen Hintergrund in der Argumentation des Pls.
in 1 Kor 15 bestimmt: Es ist die Weisheit, präziser: der vor allem von
Sap Sal und Philon repräsentierte Zweig der alexandrinischen Weis-
heilstradition. Davon seien Korinther beeinflußt, und Pls. greife diese
Tradition auf, um gegen sie mit ihren eigenen Mitteln zu kämpfen.

Unter den „Vorfragen" wird u. a. eine vorläufige Bestimmung der
pln. Interpretation der Aufcrstehungsleugnung in Korinth gegeben
(S. 13-20): Die Ausführungen in V. 1-21 sind nur sinnvoll, wenn
„einige" (V. 12) in der Gemeinde die Auferstehung überhaupt, also
auch die Christi, verneinten.

Den größten Teil nimmt der Abschnitt über „Die Christologie von
I.Kor. 15" ein (S. 21-113). Hier werden die christologischen Aus-