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Ausgabe:

1982

Spalte:

191-192

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Maier, Johann

Titel/Untertitel:

Kleines Lexikon des Judentums 1982

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Seite 1

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191

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 3

192

Gott, Kap. 1-5; Lehre vom Worte Gottes, Kap. 6-9; Lehre vom
Menschen, Kap. 10-11; Lehre von den letzten Dingen, Kap. 12-13.

Die Fülle der Gedanken können wir hier nicht nachzeichnen. Der
Autbau jedes Kapitels ist lose, doch ergibt sich ein Gedanke aus dem
anderen. Es wird ja an Hörer und Leser gedacht, die nicht Juden sind
aber erfahren möchten, wie ein jüdischer Denker seine eigene Tradition
sieht, wie das Christentum in seinem Blick erscheint, wie er Fragen
der Moderne aufgreift. Der Vf. vertritt seine Meinung deutlich,
aber unpolemisch. Mischna, Legenden, Kommentare, Philosophen,
aber auch Literaten sind mit aufschlußreichen Zitaten oder Hinweisen
immer wieder zu finden. Spinozas Buchtitel „Theologischpolitischer
Traktat" gewinnt exemplarische Bedeutung, so könne
man eigentlich jede Theologie des Judentums nennen. Sigmund
Freud, Buber, aber auch Stefan Heym sind präsent. Bei Fragen der Bibelinterpretation
zeigt sich, daß der Vf. keinen Fundamentalismus
vertritt. Er variiert den 8. Glaubensartikel des Maimonides so: „ich
glaube mit vollkommenem Glauben, daß die ganze Thora, die sich
jetzt in unseren Händen befindet, Männern wie unserem Lehrer
Mose, über ihm sei der Friede, gegeben wurde" (210). Er zitiert dann
den Segensspruch, der bei der Verlesung aus der Thora vom jeweils
Aufgerufenen gesprochen wird: „Gelobt seist Du, Herr unser Gott,
der die Thora gibt" (ib.) und macht darauf aufmerksam, daß vom
heutigen Geben die Rede ist - wie schön paart sich hier Ergriffenheit
mit kritischem Denken! *

Die bildhafte, vom Konkreten ins Allgemeine gehende Denkweise,
das Narrative, das nach Ben-Chorin für jüdisches Denken so bezeichnend
ist (aber doch nicht nur für jüdisches Denken!), ergreift oft. So
etwa beim Realismus dem Leiden gegenüber, wo, durch Max Brod
vermittelt, eine Talmudstelle dem Vf. wichtig wird: da fragt ein
Rabbi, der einen erkrankten Rabbi besucht, ob ihm die Züchtigungen
lieb wären. „Dieser erwiderte: Weder die Leiden noch ihr Lohn"
(265). Christliche Aufopferung der Leiden für andere wird dem
gegenübergestellt (in Baecks Terminologie: Romantik des Christentums
der klassischen Religion des Judentums), doch wird diese
Transzendierung des Leidens etwa durch Edith Stein „besonders ergreifend
" genannt (264).

Vielen Geschichten, Anekdoten, Sprichwörtern wird der Leser
nachdenken wollen. Die Messias-Vorstellungen und -Hoffnungen
wird er beim Vf. mit Anteilnahme beschrieben finden und mit Anteilnahme
lesen. Wenn Ben-Chorin über die Trennungslinie zum
Christentum spricht, die in der Erwartung einer sich in Öffentlichkeit
und Geschichte vollziehenden Erlösung deutlich werde - nach
Golgotha hätten sich die Strukturen der Welt aber nicht verändert;
Jesu Gebet um das Kommen des Reiches klinge in Hoffnung aus auf
das Kommende, ohne Rückschau auf den Gekommenen (285) - so
verliert für den lesenden Christen seine christliche Vorstellungswelt
ihre fraglose Selbstverständlichkeit und, wenn es sich fügt, so gewinnt
sein Glaube unerwartete Tiefe, für die er vielleicht lange kein Wort
finden kann.

Rostock Peter Heidrich

Maier, Johann, u. Peter Schäfer: Kleines Lexikon des Judentums.

Konstanz: Christliche Verlagsanstalt, zugleich Stuttgart: Kath.
Bibelwerk 1981. 332 S. m. 32 Abb.,z. T. färb. 8'= Bibel - Kirche -
Gemeinde, 16 Kart. DM 24,50.

Eine kurzgefaßte, präzise und zuverlässige Informationsquelle über
die Welt des Judentums in Geschichte und Gegenwart zu besitzen, ist
ein breites Bedürfnis. Die beiden bekannten Judaisten J. Maier und
P. Schäfer legen ein vorzügliches kleines Nachschlagewerk vor, das
den Benutzer bis in entlegene Winkel des jüdischen Lebens führt. Die
Artikel werden von den beiden Herausgebern einzeln verantwortet.
Natürlich kann man bisweilen über Auswahl und Gewichtung einzelner
Beiträge streiten; auch ist die politische und soziale Wertung
nicht allemal unproblematisch. Aber insgesamt ist das Werk, das mit

einer Reihe trefflicher Bilder ausgestattet ist, von hohem Informationsgehalt
und damit eine wirkliche Bereicherung der Literatur über
das vielschichtige Phänomen Judentum.

T. H.

Baumbach, Günther: Der christlich-jüdische Dialog (ZdZ 1981 S. 171-183).
Gero, Stephen: The Legend of the Fourth Son of Noah (HThR 73,1980
S. 321-330).

Hay David M.: Philo's References to Other Allegorists (StPhilo 6, 1980
S. 41-61.

Hecht Richard D.: Patterns of Exegesis in Philo's Interpretation of Leviticus
(StPhil 6, 1980 S. 77-136).

Marböck, Johannes: Henoch - Adam - der Thronwagen. Zu frühjüdischen
pseudepigraphischen Traditionen bei Ben Sira (BZ 25, 1981 S. 103-111).

Nash, Stanley: In Search of Hebraism. Shai Hurwitz and his Polemics in the
Hebrew Press. Leiden: Brill 1980. XIII, 410 S. 8" = Studies in Judaism in Modern
Times, 3. Lw. hfl 120.-.

Petuchowski, Jakob J.: Gottesdienst des Herzens. Eine Auswahl aus dem Gebetsschatz
des Judentums. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1981. 140 S. 8'. Pp.
DM 19,80.

-: Den Menschen mit Weisheit geformt. Zur Theologie des jüdischen Gebetbuches
(LM 19, I980S. 530-533).

Neues Testament

Büchele, Anton: Der Tod Jesu im Lukasevangelium. Eine redaktionsgeschichtliche
Untersuchung zu Lk23. Frankfurt/M.: Knecht
1978. 230 S. 8* = Frankfurter Theologische Studien, 26. Kart.
DM 44,-.

Diese von F. Lentzen-Deis betreute und 1977 von der Philosophisch
-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt/M. angenommene
Dissertation ist, wie Vor- und Nachwort zeigen, aus der
persönlich motivierten Fragestellung des Vf. erwachsen, inwieweit
das Verständnis des Todes Jesu im Neuen Testament - in diesem Fall
speziell bei Lk - eine Hilfe für das christliche Verständnis des Todes
überhaupt sein kann.

Nach einer Übersicht über die bisherige Behandlung des Themas in
der wissenschaftlichen Diskussion (15-23) wird in einem ersten
Hauptteil Lk 23 untersucht (25-114), u. zw. zunächst in einer versweisen
Exegese und dann mittels Strukturanalyse. Die Frage nach der
Herkunft lk Sonderguts wird nicht eigens thematisiert; vielmehr ist
entscheidend, „zu welcher theologischen Aussage Lk als Redaktor
die ihm vorliegenden Quellenstoffe zu ihrer jetzigen Form kompositionstechnisch
und redaktionell gestaltet hat" (29 A. 26). Es wird aber
deutlich, daß Vf. weithin mit lk Um- und Ausgestaltung des Markus-
Stoffes rechnet. - Die gründliche Versexegese arbeitet bereits wesentliche
Aspekte der lk Darstellung des Todes Jesu heraus: Nachfolge,
Zeugenschaft, Verspottung, Jesu Gottverbundenheit, Schrifterfüllung
. - Die Strukturanalyse vertieft diese Ergebnisse zunächst
durch viele gute Einzelbeobachtungen zur Kompositionstechnik, wie
z. B. Rahmung, Klimax und Kontrast, die in einer schematischen
Skizze übersichtlich zusammengefaßt werden. Vf. ermittelt dabei in
Lk 23 u. a. durchgehend eine Dreierstruktur. Diese versteht er auf
dem Hintergrund des israelitischen Zeugenrechts (Dtn 19,15). Lk
wolle seinen Lesern „Sicherheit" (1,4) über die christliche Lehre vermitteln
. „Diese Sicherheit und Zuverlässigkeit... erreicht er - entsprechend
jenem israelitischen Rechtsgrundsatz - dadurch, daß er die
einzelnen wichtigen und entscheidenden Inhalte der Passion mehrfach
. . . bezeugt" (71). Solche, von R. Morgenthaler angeregte, Deutung
der Formalstruktur ist aber unsicher, da eine Bezugnahme auf
Dtn 19,15 im Neuen Testament zwar wiederholt begegnet, im Lk
Doppelwerk aber gerade fehlt. - Hinsichtlich der inneren Struktur
von Lk 23 kann Vf. die Bedeutsamkeit christologischer und ekklesio-
logischer Motive (Jesus als leidender Gerechter und Prophet, Nach-