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Ausgabe:

1982

Spalte:

184-186

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Johnson, Aubrey R.

Titel/Untertitel:

The cultic prophet and Israel's psalmody 1982

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 3

184

Miliard, A. R., and D. J. Wiseman [Eds.]: Essays on the Patriarchal
Narratives. Leicester: Inter-Varsity Press 1980. 223 S. 8".

Das Council des "Tyndale House" in Cambridge hat eine Arbeitsgruppe
eingesetzt, die sich um einen Beitrag zur Lösung der von der
gegenwärtigen Diskussion um die „Zuverlässigkeit" der alttestament-
lichen Patriarchenerzählungen gestellten Probleme bemühen soll.
Als erstes Ergebnis werden sieben Abhandlungen der an dieser Arbeit
beteiligten Alttestamentier, Semitisten und Archäologen vorgelegt:
J. Goldingay, The Patriarchs in Scripture and history; A. R. Miliard
. Methods of studying the patriarchal narratives as ancient texts;
J. J. Bimson, Archaeological data and the dating of the patriarchs;
M. J. Selman, Comparative customs and the Patriarchal Age; D. J.
Wiseman, Abraham reassessed; G. J. Wenham, The religion of
the patriarchs; und D. W. Baker, Diversity and unity in the literary
structure of Genesis.

Die Beiträge veranschaulichen trefflich die unbefriedigende Situation
in der Diskussion um die Erzväterüberlieferungen, die letztlich
durch die ebenso beharrliche wie unverständliche Orientierung auf
den Nachweis der Zuverlässigkeit des sekundären chronologischen
Aufrisses der Priesterschrift verursacht wird. Die Verfasser beziehen
durchweg eine konservative Position. Im Vordergrund steht die Auseinandersetzung
insbesondere mit Th. L. Thompson (The Historicity
oftbe Patriarchal Narratives, BZAW 133, 1974), der das entgegengesetzte
Extrem repräsentiert und die Erzväter überhaupt als literarische
Fiktion der Königszeit ansieht, und mit J. van Seters (Abraham
in History and Tradition, 1975), der die Abfassung der Patriarchenerzählungen
in das 6. Jh. v. Chr. verlegt. Anzuerkennen ist, daß sich
die Autoren um eine sachliche Kritik mühen, die sich freilich mit
einer Anhäufung von Erwägungen und Argumenten zur Behauptung
der aus dem chronologischen Schema von P errechneten Frühan-
setzung verbindet. Immerhin hält M. J. Selman für das in den Patriarchenerzählungen
erwähnte Brauchtum den weiten Spielraum des 2.
und I. Jt. v. Chr. für zulässig. G. J. Wenham gelangt bei der Untersuchung
der religiösen Vorstellungen auf das frühe 2. Jt. v. Chr., während
J. J. Bimson keine Abstriche an der priesterschriftlichen Chronologie
zu dulden gesonnen ist, Abraham in das 22./21. Jh. v. Chr.
versetzt und sich anschickt, sogar den 175 Lebensjahren Abrahams,
den 180 Jahren Isaaks und den 147 Jahren Jakobs durch Hinweis auf
überaus langlebige Bewohner entlegener Gebirgsgegenden und auf
die hohe Zahl der Regierungsjahre einiger ägyptischer Herrscher des
3. Jt.s historische Wahrscheinlichkeit zu verleihen (91f). Hervorgehoben
sei noch D. J. Wiseman's Versuch, Abrahams Stellung als die
eines ""district governor" nach Art des iapilum der Mari-Texte zu
interpretieren und damit die weithin übliche Deutung als Haupt einer
bedeutungslosen Nomaden- bzw. Halbnomadensippe abzulösen.
Diese Hypothese nähert sich einer gewissen Linie in den Angaben der
Abrahamsüberlieferung über die .Leitungsfunktion' des Erzvaters
mehr als andere Auffassungen, und es ist durchaus möglich, daß man
in der Zeit der Abfassung der Abrahamsgeschichten die Gestalt des
Patriarchen mit Elementen aus den Erfahrungen der ,Richterzeit'
ausstattete. In der Sicht W.s freilich ist so ziemlich alles, was über die
Erzväter berichtet wird, innerhalb des Rahmens der aus den in sich
widerspruchsvollen und nicht zu harmonisierenden Angaben über
den 400jährigen Aufenthalt in Ägypten und die Lebensjahre der Erzväter
errechneten Datierung historisch zuverlässig und frei von Anachronismen
.' Dies führt im speziellen Falle der vu/;//iiw-Hypothese
zu weiterreichenden Konsequenzen.2 Zu den Bemühungen um den
Nachweis der .Historizität' der ohne zureichende Gründe inhaltlich
in eine viel zu frühe Zeit verlegten Patriarchenerzählungen gesellt
sieh - wie üblich - die Behauptung der angeblichen Zuverlässigkeit
mündlicher Traditionen über viele Jahrhunderte hinweg (15011', Miliard
, 51 ff). Den modernen Forschungsneigungen gemäß wird diese
auf die Sagenforschung der Romantik zurückgehende Überzeugung
von D. W. Baker noch durch Argumente für die Einheit der literarischen
Struktur der Genesis und durch die Forderung nach einer Revision
der Quellenscheidung unterbaut.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

' Deshalb müssen auch die Gen 21,31 u. ö. erwähnten Philister bereits
in der ersten Phase der Mittelbronzezeit mit einem Vortrupp in der süd-
kanaanäischen Küstenebene in Erscheinung getreten sein. Ähnlich äußert sich
A. R. Miliard (501). der allerhand Material für irrtümlich angenommene Anachronismen
aus der Forschungsgeschichte altorientalischer Texte beiträgt.

2 So muß ein Distrikt-Gouverneur einen Vorgesetzten haben. Als ,,over-
lord" kommt aber nach den Aussagen der Texte nur Jahwe in Betracht. Also
wäre Jahwe in jener Zeit der Gott des späteren Palästina gewesen, und die insgeheim
erfolgte Berufung Abrahams zum "local representative of God" (148)
müßte von den Kleinkönigen Kanaans ohne weiteres akzeptiert worden sein.
Deshalb wird selbstverständlich der El-Eljon von Gen 14 mit Jahwe identifiziert
, und deshalb wird auch die Tributzahlung Abrahams an den Stadtherrscher
von Jerusalem in das Gegenteil verwandelt, weil eben nicht sein kann,
was nicht sein darf.

Johnson, Aubrey R.: The Cultic Prophet and Israel's Psalmody.

Cardiff: University of Wales Press 1979. XII, 467 S. 8°. Lw.
£ 19.95.

Das umfangreiche Werk des bekannten britischen Alttestament-
lers, das schon lange erwartet worden war, führt dessen frühere Publikationen1
fort und sucht die vielbeachteten (vor allem Anregungen
S. Mowinckels2 aufgreifenden) Thesen über das Wirken institutioneller
Kultpropheten am Jerusalemer Tempel durch eine eingehende
Exegese zahlreicher Psalmen weiter zu erhärten. Zu diesem Zweck
wird in einem ersten Teil (1-105) die Rolle der Kultpropheten im
normalen Gottesdienst untersucht, ein zweiter Teil (107-209) behandelt
ihr Auftreten in Zeiten nationaler Krisis, ein dritter und abschließender
(213-431) beschäftigt sich mit ihrer Funktion im Zusammenhang
von persönlichen Krisen eines einzelnen Individuums. Dem
Rez. sei im Vorab die Bemerkung gestattet, daß ihm die Grundthese
im ersten Teil am meisten, im dritten am wenigsten einleuchtend erschien
.

Da eine Untergliederung der drei Hauptabschnitte fehlt und der Index
(449-467) zwischen ausführlich behandelten Psalmen und beiläufig
erwähnten Schriftstellen nicht differenziert, ist ein Überblick
über das Werk schwer zu gewinnen. Nur gelegentlich über den Psalter
hinausgreifend, stellt es fast so etwas wie einen Kommentar über
diesen dar, nach Gattungen geordnet (Teil 2 behandelt das Klagelied
des Volkes, Teil 3 das Klage- und Dank-Lied des einzelnen), jeweils
mit ins einzelne gehenden text- und stilkritischen Bemerkungen und
dem Abdruck einer eigenen Übersetzung, ehe die spezifische Frage
nach dem Zusammenhang des betr. Psalms mit dem Wirken eines
Kultprophetcn gestellt wird. Die Emendations- und Übersetzungsvorschläge
sind oft eigenwillig (relativ häufig wird dabei Anregungen
M. Dahoods gefolgt). Außerdem fällt eine durchgehende Neigung zur
Frühdatierung auf: nicht nur werden die einer älteren Auffassung
(wie sie z. B. B. Duhm vertrat) entsprechenden exilisch-nachexili-
schen Ansetzungsvorschläge für zahlreiche Psalmen, vielfach mit
Recht.entschieden abgelehnt - der Vf. geht mit seinen eigenen Datierungen
umgekehrt so weit wie möglich herauf, meist in die frühe Königszeit
, wobei etwa das chronistische Zeugnis häufig at face value
herangezogen wird (vgl. den Index). In die gleiche Richtung mag gehören
, daß der Vf., außer häufigen Rückverweisen auf eigene Arbeiten
, einen Standardapparat älterer und neuerer Psalmenkommentarc
heranzieht, die er gleichsam unterschiedslos wertet; der methodische
Unterschied zwischen älteren Werken (vor Gunkel), die an der historischen
Ansetzung der einzelnen Psalmen interessiert waren, und
neueren, gattungsgeschichtlich orientierten kommt dabei ebensowenig
heraus, wie der zwischen der (noch ernsthaft abgewiesenen)
kollektiven Auffassung der individuellen Psalmen (vor Balla') und