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Ausgabe:

1981

Spalte:

135-137

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Confessio Augustana 1981

Rezensent:

Henschel, Martin

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

13(>

ökumenik: Catholica

Confessio Augustana: Hindernis oder Hilfe? Regensburg:
Pustet (1979]. 279 S. 8°. Kart. DM 28,-.

Der katholische Theologe Vinccnz Pfnür, Schüler von J. Ratzinger
und E. Iserloh, hat im Jahre 1974 die Anregung gegeben,
die Möglichkeit einer Anerkennung der Confessio Augustana
seitens der römisch-katholischen Kirche zu erwägen. Aus diesem
Anstoß hat sich im Vorfeld der 450-Jahr-Feier der Augustana
eine breite ökumenische Diskussion entfaltet. Allein die
Tatsache eines ökumenischen Gesprächs über diese wichtigste
lutherische Bekenntnisschrift ist für sich schon ein bedeutendes
Ereignis mit weiterreichenden Wirkungen, deren erste darin zu
sehen ist, daß auch die Lutheraner durch diesen Dialog veranlaßt
werden, ihre Bekenntnisschrift auf eine ganz neue Weise
zu entdecken.

Im Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim
(29, 1978, Heft 2) hatte H. Grothe die Diskussion bis zum
Frühjahr 1978 gesichtet, indem er 76 (so muß einer der wenigen
Druckfehler im hier anzuzeigenden Buch S. 142 Anm. 1,
berichtigt werden) der wichtigsten Titel bibliographisch erfaßte
und besprach. Vom 14. - 16. April 1979 wurde das Anerkennungsthema
auf einer gemeinsamen Tagung der katholischen
und evangelischen Akademien Bayerns verhandelt. Das vorliegende
Buch enthält die dort gehaltenen Referate. Hinzugefügt
sind je ein Aufsatz von H. Fries und W. Pannenberg. (Übrigens
sprachen am gleichen Wochenende auf einer Tagung der Evangelischen
Michaclsbrudcrschaft V. Pfnür, A. Peters, P. Knauer
und H. A. Dombois zum Thema: Die Confessio Augustana als
Frage an die getrennten Kirchen; vgl. Rundbrief der Evang.
Michaelsbruderschaft, Sonderheft 1978).

Der Sammclband wird eröffnet mit dem Vortrag E. I s e r -
1 o h s „Vorgeschichte, Entstehung und Zielsetzung der Confessio
Augustana" (9-29). In knappen Strichen zeichnet er die
historischen Abläufe nach, wobei die vergeblichen Ausglcichsvcr-
handlungcn nach der Verlesung der CA, die Apologie
Melanchthons, ja sogar die CA variata von 1540 mit in die
Betrachtung einbezogen werden.

G. Krctschmar behandelt „Die Bedeutung der Confessio
Augustana als verbindliche Bekenntnisschrift der Evangelisch-
Lutherischen Kirche" (31-77). Dieser Beitrag ist eine breit angelegte
Studie zum Begriff des Bekenntnisses, der im reformatorischen
Sprachgebrauch von vornherein Lehrverbindlichkeit
einschloß, und zur Geschichte dieser bekenntnisgebundenen
Verbindlichkeit. Hierzu fordert Kretschmar, daß wir „uns
radikal in den historischen Weg hineinstellen müssen" (50).
Es gilt ernst zu machen mit der doppelten Erkenntnis, daß
„das Bekenntnis nicht starres Lehrsystem sein" kann, jedoch
auch „nicht nur Antwort auf das Evangelium ist, sondern auch
und zugleich Gestalt des Evangeliums selbst" (51). Daraus
ergibt sich für Kretschmar auch heute die Aufgabe, „sich nicht
bei den Lehraussagen der Väter zu beruhigen, sondern auf uns
heute bewegende Fragen verbindlich zu antworten" (55), d. h.
in einer Lehr-Form, die diskussionsfähig ist und so die Kontinuität
mit den alten Texten erweisen kann bzw. die Abweichungen
von der Schrift her begründet. Barmen, die Leuen
beiger Konkordic und das Bekenntnis der Batak-Kirchc dienen
als historisches Illustrationsmaterial.

„Welche Probleme stehen einer .katholischen Anerkennung'
der Confessio Augustana entgegen und wie lassen sie sich
überwinden?" Unter dieser Frage bringt P. Manns in einem
umfangreichen Beitrag (79-144) seine methodischen und sachlichen
Bedenken in der Anerkennungsfrage vor. Ihm liegt
daran, daß „die mit aller Härte und Unerbittlichkeit zu stellende
und zu beachtende Wahrheits-Frage" (139) im ökumenischen
Gespräch nicht zu kurz kommt. Die theologische Wahrheit der
Reformation aber sieht er klarer von Luther als von Mclan-
chthon vertreten : „wer Luther eben als ,Vater im Glauben' liebt,
der verehrt ihn nicht nur persönlich, sondern der liebt ihn
gerade als ,Zeugen der Wahrheit' " (122). Manns befürchtet im
Gefolge des Anerkennungsprojektes die „Gefahr einer geheimen
Selbstabschnürung des Luthertums von Luther" (135). Darum

warnt er gerade aus ökumenischer Verantwortung heraus
leidenschaftlich vor „Jubilitis" und .Anerkennungs-Manie", vor
einer „Null-Ökumene" nach dem Prinzip des Sommerschluß-
Verkaufs. Diese Einwürfe sind, gerade weil sie von einem
katholischen Forscher kommen, beachtenswert, auch wenn in
der historischen Zeichnung das Verhältnis Luther-Melanchthon
unangemessen dramatisiert erscheint.

H. M e y e r liefert unter der Fragestellung „Behindern Amtsbegriff
und Kirchenverständnis in der Confessio Augustana
ihre Anerkennung durch die katholische Kirche?" (145-175) eine
klassisch zu nennende Studie über das Amt und speziell das
Bischofsamt in der Kirche nach der CA: Das kirchliche Amt ist
„der Sache nach in der Predigt des Evangeliums und der
Spendung der Sakramente impliziert" (159). An diesem wesentlichen
Punkt gibt es keinen Unterschied zwischen Pfarrer und
Bischof. Die Ausglicderung von Leitungsfunktionen (Ordination
, Kirchen- und Lchrzucht) „und damit das Amt des Ober
hirten oder Bischofs ist eine Sache praktischer Erwägungen
und Notwendigkeiten" (166), nicht Wesensmerkmal der Kirche.

H. Schütte geht auf „Voraussetzungen und Konsequenzen
einer Anerkennung der Confessio Augustana" aus katholischer
Sicht ein, indem er einige Bemerkungen J. Ratzingers entfaltet
(177-192). Als Bedingung der Anerkennung nennt er u.a. folgende
Voraussetzungen: Verbindlichkeit der CA innerhalb der
Reformationskirchen und zugleich ihre ökumenische Offenheit
durch Rückbezug auf die Schrift als norma normans; die durch
den geplanten gemeinsamen Kommentar zu erbringende Bestätigung
des Anspruchs der CA, den alten gemeinsamen Glauben
zu vertreten; breite spirituelle Vorbereitung in beiden Kirchen.
Als mögliche Konsequenzen skizziert Schütte : Nach mehreren
Schritten einer „relecture oecumenique" Anerkennung des
Textes der CA „als eine mögliche Artikulierung des Glaubens
der einen Kirche Jesu Christi" (183); Anerkennung der Kirchen
dieses - als katholisch anerkannten - Bekenntnisses (bei gleichzeitiger
Rezeption anderer Konsenspapicre) als „Kirche Jesu
Christi und ... mithin katholische Kirchen"; das Ziel: „Korporative
Einheit in der Verschiedenheit" in der Form „konziliarer
Gemeinschaft" (188). Auch die Schwierigkeiten beim Amtsverständnis
seien nicht unüberwindlich.

Aus evangelischer Sicht fragt W. L o h f f „Welche Folgen hätte
eine Anerkennung der Confessio Augustana durch die katholische
Kirche für die evangelisch-lutherische Kirche ?" (193-206).
Er geht von der Einsicht aus: Anerkennung der CA müsse bedeuten
, „daß kirchliche Institutionen und Traditionen in Lehre
und Leben dem Kriterium unterstehen, daß sie Zeugnis und
Ausdruck des im Evangelium der Rechtfertigung begründeten
Hcilsglaubcns sind und sich als solche erweisen und bewähren."
(199) Aus diesem Grundsatz folgert er nun im besonderen
selbstkritische Anfragen an das herrschende lutherische Selbst
Verständnis. Als revisionsbedürftig sieht er an die im gegenwärtigen
Luthertum herrschende „Verarmung im Ausdruck
christlichen Lebens" und die „Reduktion der allgemeinen christlichen
Überlieferung" (203) (das ist wohl im Blick auf die reichere
Fülle liturgisch-spiritueller Traditionen - auch marianische
? - im Katholizismus gesagt). Vor allem aber sei „eine
lutherische Stellungnahme zur historischen Sukzession anzubahnen
" (206), die der Kontinuität eines Lehramts der Kirche
Vorrang gibt vor dem „Unfchlbarkeitsanspruch der Theologieprofessoren
" (202).

Im letzten Beitrag von der Tagung der Münchener Akademien
behandelt der Paderborncr Weihbischof P.-W. Scheele „Die
Confessio Augustana im Kontext katholischen Lebens und
Lchrcns" (207-239). In vorsichtiger Zurückhaltung beschreibt
er Schwierigkeiten und Chancen des Anerkennungsprojekts
nun nicht hinsichtlich einzelner Lehraussagen, sondern im Blick
auf das Gesamtlcben der Kirchen. Hier hat er Hoffnungen,
sieht er Aufgaben, mahnt er zur Geduld. Daß in der Beschäftigung
mit der CA für die römisch-katholische Kirche auch die
Gelegenheit stecke, „ihr Versagen zu erkennen und zu bekennen
", wird nicht verschwiegen (222).

Die erste Zugabc stammt von H. Fries: „Katholische Aner
kennung des .Augsburger Bekenntnisses'?" (241-257). Die Erör
tcrung der Punkte, die für eine solche Anerkennung bzw. (schein