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Ausgabe:

1981

Spalte:

131

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Thomas, Klaus

Titel/Untertitel:

Warum Angst vor dem Sterben? 1981

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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131

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

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weis darauf, wie wenig die wissenschaftlich-empirische Sicht
der Welt die ganze Wirklichkeit zu erfassen vermag. Theolo
gen, die aufgrund dieses Denkens von einem „Fortleben nach
dem Tode" und auch der Auferstehung von den Toten zunehmend
meinten schweigen zu müssen, sehen sich plötzlich damit
konfrontiert, dafj die sog. Erfahrungswissenschaften nicht nur
empirische Beweise gegen, sondern auch für ein individuelles
Fortleben nach dem Tode liefern. Eine theologische Auseinandersetzung
mit diesen „empirischen" Befunden steht noch
aus, und es dürfte von Interesse sein, wie eine zunehmend
auf Erfahrungsbezug wertlegendc Theologie mit solchen Erkenntnissen
umgehen wird. Der Ansicht von Rorarius, dafj die
Theologie sich mit diesen Erfahrungen arrangieren und dogmatische
Vorurteile preisgeben müsse (269), ist skeptisch zu
begegnen. Die Theologie sollte die Phänomene in ihrer Theorie
und Seelsorge ernst nehmen, sie sollte aus dem Buch von
Rorarius lernen, wie sehr sog. empirische Erkenntnisse in
ihrer Wahrnehmung und Deutung von nicht verifizierbaren
Hypothesen bestimmt werden, dafj sie keine letzten Wahrheiten
über die Gesamtheit der Wirklichkeit geben und dafj daher
eine theologische Zurückhaltung ihren Aussagen gegenüber
durchaus angebracht ist. So sehr die Ausführungen von Rorarius
rationalistisches und „entmythologisierendes" Denken in
Frage stellen - sie sollten doch nicht vorschnell zu apologetischen
Zwecken verwertet werden, denn sie sprechen nicht minder
gegen die christliche Auferstehungshoffnung wie sie für
sie sprechen. Der von Rorarius unterbreitete Unsterblichkeitsgedanke
spricht für ein unvergängliches, sich je und je individualisierendes
Lebensprinzip, das Unsterblichkeit in sich
selbst hat und das des Gottes, der Herr über Tote und Lebendige
ist (Rom 14,9), der aus dem alles nichtigenden Tode neues
Leben schafft (Rom 4,17), die Identität der Person durch den
Tod hindurch verbürgt (IKor 15,35 ff) nicht bedarf.

Bonn Ulridi Eibach

Thomas, Klaus: Warum Angst vor dem Sterben? Erfahrungen
und Antworten eines Arztes und Seelsorgers. Freiburg-Bascl-
Wien: Herder 1980. 240 S. kl. 8" = Herderbücherei, 784. Kart.
DM 9,90.

Das Buch verbindet Literaturreferate mit Erfahrungen aus
der langjährigen Praxis des Arztes und Seelsorgers sowie (im
Schlufjteil) Hilfen zur Meditation. Die Themen reichen von den
Forschungsergebnissen und Hypothesen der Thanatologic über
die klassischen Inhalte der Sterbeseelsorgc bis zur Kreuzwegmeditation
. Wissenschaftliche Informationen aus Medizin, Psy
chologic, Religionswissenschaft und Theologie, die angesichts
der Themcnfüllc freilich fragmentarisch bleiben, und im guten
Sinn erbauliche Impulse wollen helfen, die Angst vor dem Sterben
aus christlichem Glauben zu überwinden. In knapper, ein
drücklichcr Form erfolgt Anleitung zum Sterbebeistand, der
möglichst früh in der aktiven Auseinandersetzung mit dem
Leiden zu beginnen hat. Das Leiden gilt „als Lehrmeister für
das Trösten und das Sterben". Direkte Sterbeseelsorgc ist Zuspruch
, der Trost, Vergebung und die Gewißheit des ewigen
Lebens mitteilen möchte. Wie der Vf. ärztliche Sterbehilfe durch
sinnvollen Einsatz von Pharmaka und seelsorgerlichen Beistand
verbindet, beeindruckt und bestärkt den Wunsch nach mehr
entsprechender Zusammenarbeit von Arzt und Seelsorger im
Dienst für Sterbende.

E. W.

Muyer-Scheu, Josef, u. Rudolf Kautzky (Hrsg.): Vom Behandeln
zum Heilen. Die vergessene Dimension im Kranken
haus. Wien-Freiburg-Basel: Herder; Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1980. 180 S. gr. 8° = Sehen - Verstehen -
Helfen, 4. Kart. DM 23,80.

Im Krankenhaus soll heilendes Handeln am ganzen Menschen
und zusammen mit ihm geschehen. Dazu ist die partnerschaftliche
Zusammenarbeit aller nötig, die mit den Kranken
zu tun haben. Ärzte und Krankenseelsorgcr tragen in diesem
Buch zur Begründung des Programms ganzheitlicher Sorge für

den Kranken bei. Die Leistungen der Schulmedizin werden anerkannt
, ihre Grenzen hinsichtlich der Kommunikations- und
Kooperationsfähigkeit deutlich markiert. W. Böker untersucht
als Psychiater „Sprache, Ursachenkonzepte und Hilfesuchverhalten
des Kranken in unserer Zeit" (9-22). H.-Ch. Piper
berichtet über Erfahrungen von Krankenhausscclsorgern im Umgang
mit Patienten (23-39). Der Medizinhistoriker H. S c h i p -
perges skizziert „Die Entwicklung der ,Cura' im Verständnis
der therapeutischen Dienste" (40-55). R. Kautzky bekennt
sich als Ncurochirurg zum naturwissenschaftlichen Leitbild der
Medizin, ergänzt es aber „durch die konkret gclebtc solidarische
Zuwendung von Menschen zu Menschen" („Die Antwort der
Therapeuten", 56-73). J. Mayer-Scheu, dessen Beitrag
mehr als die Hälfte des Buches ausmacht (74-180) beschreibt unter
dem Titel des Bandes die Aufgabe von Theologie und Seel
sorge im Krankenhaus. Diese praxisnahe und theologisch fundierte
Abhandlung wird, wie das ganze Buch, allen nützlich
sein, die zum Heilen beitragen möchten.

E. w.

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Baudler, Georg: Religiöse Erziehung heute. Grundelemente
einer Didaktik religiösen Lernens in der weltanschaulich
pluralen Gesellschaft. Paderborn-München-Wien-Zürich i
Schöningh 1979. 240 S. 8° = Uni-Taschenbücher, 898. Kart.
DM 17,80.

Der katholische Rcligionspädagoge Baudler analysiert in
diesem Buch die Bedingungen des religiösen Lernens in der
pluralen Gesellschaft, in der nicht mehr ein von allen approbiertes
Glaubenssystem durch einen Katechismus an die kom
mende Generation weitergegeben werden kann. Zur Begrün
dung des schulischen Religionsunterrichts benutzt er wie viele
Religionspädagogen den weit gefaßten Tillichschen Rcligions-
begriff, setzt ihn aber in ein dialektisches Verhältnis zum
christlichen Glauben: der Glaube setzt Religion zwar voraus,
aber transzendiert sie auch und befreit von ihr. Aus dieser
Dialektik ergeben sich zwei ,modi' des religiösen Lernens:
a) ein Lernen, durch welches die profane und alltägliche Situation
transzendiert und die in ihr enthaltene Frage nach dem
umgreifenden Lebensgrund erschlossen wird, und b) ein Lernen
, durch welches der Lebensgrund als der Vater Jesu Christi
erkannt und bekannt wird. Dein schulischen Religionsunterricht
wird schwerpunktmäßig .modus a', das Lernen von Religion,
zugewiesen, da dieses Lernen auch für nicht-chvistlichc Schüler
zumutbar und wertvoll ist. Der Ort für .modus b', das Lernen
des Glaubens, ist die Gemeindekatechesc. Baudler fordert aber,
daß auch das religiöse Lernen in der öffentlichen Schule die
auftauchende Sinnfragc für eine christliche Deutung offen
lasse und insofern das Lernen des christlichen Glaubens begünstige
. Unter dieser Bedingung ist das Lernen nach .modus a'
nicht bloß eine „Vorkatechese", denn „heute kann niemand
Christ sein, indem er seinen Glauben ausschließlich katechetisch
aktualisiert; gerade für den Glaubenden ist es notwendig,
seinen Glauben dadurch vor Erstarrung, Vcr-Idcologisierung
und Sekten-Mentalität zu schützen, daß er sich immer wieder
auch innerhalb einer weltanschaulich pluralen Lerngruppe der
Sinnfrage aussetzt . . .".

Analog zu den beiden Lern Modi haben auch die biblischen
Texte eine doppelte Funktion: Indem sie sich an Menschen
richten, die dem Glauben fernstehen, wollen sie erschließen,
werben, den Glauben bezeugen; indem sie Gläubige anreden,
haben sie eine identifizierende, bestätigende und tröstende
Funktion. Baudler entfaltet nun zwei Grundprinzipien einer
Didaktik des schulischen Religionsunterrichts und der Gemeinde
-Katechese, die auf der wechselseitigen Verflechtung von
überliefertem Glauben und heutiger Lebenssituation beruhen.
Der Weg von biblischen Texten zur gegenwärtigen Situation,
der hauptsächlich im Religionsunterricht begangen wird, erfot-