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Ausgabe:

1981

Spalte:

129-131

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Rorarius, Winfried

Titel/Untertitel:

Seele, Tod, Unsterblichkeit 1981

Rezensent:

Eibach, Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

ständigt in einem II. Teil seine Übersicht über „Die Melodien
der alten deutschen Täuferlieder", während Walter Hüttel
über „Gesangbücher und Liederdichter im ehemals schönbur-
gischen Hoheitsgebiet" berichtet. „Paul Gerhardt und seine
Lieder in der Tradition des .Locus amoenus' ", d. h. des in der
Dichtung seit Homer oft beschriebenen idealen Naturzustandes
bzw. der vollkommenen Landschaft, behandelt Hans-Bernhard
Schönborn. Dem Rez. will es scheinen, als ob Vf. hier
zuungunsten der eigenständigen dichterischen Kraft P. Gerhardts
etwas übersichtig wird. Einen Aufsatz „Altböhmischc
Weihnachtsliedcr" widmet K. Ameln dem Gedächtnis des
auch um das Jahrbuch hochverdienten Verlegers Karl Vötterle.
Frieder Schulz bietet eine alphabetische Übersicht über „Die
Regional-Ausgaben des EKG (1950-1975)". Litcraturberichtc
gelten einem „Standardwerk zur Geschichte der Notenschrift"
und „Neudrucken zur Hymnologic und Musik". Es wird schließlich
über die „Paul-Gcrhardt-Tage in Wittenberg. 27.-30. Mai
1976" und die „Neunte internationale Tagung für Hymnologic.
22.-27. 8. 1977 in Erfurt/DDR" berichtet. Die Literaturberichte
zur Liturgik (Gesamtredaktion: A. Völker) (179-203) umfassen
auch solche aus Norwegen (Helge Fachn), Finnland (P. Lem-
piäincn) und den Niederlanden (A. C. Honders - J. P. Boendcr-
maker). Zur Hymnologic berichtet K. Ameln mit Mitarbeitern
(204-239); aus fremdsprachigen Ländern kommen Berichte
aus Frankreich (£. Weber), den Niederlanden (A. C. Honders),
Polen (Arol Mrowiec), Ungarn (K. Csomasz Töth) und Großbritannien
(R. A. Lcavcr) zu Wort. Verzeichnisse der Lied- bzw.
Strophenanfänge und der Personennamen fehlen nicht.

Bad Homburg William Nagel

Ameln, Konrad: Das deutsche Weihnachtslied der Reformation
(MuK 50, 1980 S. 184-189).

Drömann, Hans-Christian: Grundsätze für die Arbeit an einem
neuen Gesangbuch (MuK 50, 1980 S. 166-175).

Nicolas, J.-H.: Lc culte public integral que le Christ par
l'Eglise rend au Perc (NRTh 102, 1980 S. 343-363).

Riehm, Heinrich: Die Lieder in den Rcgionalteilen des Evangelischen
Kirchengesangbuches (MuK 50, 1980 S. 175-183).

Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie

Rorarius, Winfried: Seele - Tod - Unsterblichkeit. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1979. S. 8°. Kart.
DM 24,-.

Der Vf. ist leitender Arzt einer Nervenklinik und hat einen
Lehrauftrag für Psychiatrie an der Kirchlichen Hochschule
Bethel. Er versteht seine Ausführungen als Erörterung von
Problemen, die für die Theologie eine Herausforderung darstellen
, obgleich theologische Fragen nur ganz am Rande angedeutet
werden (241-244). Dabei informiert er - leider nicht
"Timer in durchsichtiger Weise auf das Thema bezogen - über
die Ansichten vieler namhafter Wissenschaftler und Philosophen
vor allem über die Frage, ob der Seele eine besondere,
von dem Körper (Materie) unabhängige Existenzweisc zuzubilligen
ist. An der Beantwortung dieser Frage entscheidet sich
letztlich die Stellungnahme zum Problem der Unsterblichkeit
der Seele und die Einstellung zum Tode und Fortleben nach
dem Tode.

Rorarius stellt dar, wie mit dem Vordringen naturwissenschaftlicher
Denkweisen die dualistische Sicht des Menschen
Zunehmend einer monistischen, die Identität von Körper und
Seele behauptenden Sicht Plalz machte und wie diese auch die
Ansichten der Philosophen (und Theologen) mehr und mehr
bestimmte.

Rorarius bestreitet nicht, „daß Denken und Bewußtsein Funktionen
des Gehirns" sind (48), sondern nur (mit dem Neuro-
Physiologcn und Nobelpreisträger J. Eccles), daß damit die
Identität von Gehirn und Bewußtscinsleistungcn (Identitäts-
hypolhesc) zugleich bewiesen ist. „Dieses Leben der Person

ist etwas, das auf eine Weise, die ich nicht verstehe, auf mich
zugekommen ist. Mein Werden ist so geheimnisvoll wie mein
Vergehen" (J. Eccles, 55). „Der Leib-Seele Hiatus ist unüberbrückbar
- jedenfalls für den Erkenntnisapparat, mit dem wir
ausgerüstet sind" (51). Es sprechen keine überzeugenden Argumente
dagegen, daß die dualistische Auffassung von Descartes
zu Recht besteht, wenn man entgegen Descartes die Seele nicht
als Substanz versteht. Entsprechend möchte er das geistige
Leben des Menschen als eine völlig neue Art des Lebens (64.
181 ff. 245 f unter Berufung auf K. Popper) und die menschliche
Seele ( = Persönlichkeit im Leibe, 237) vor allem als Be-
wußtscinsphänomen verstehen. Ihr Ende sei nicht zugleich mit
dem Tod des Körpers gegeben, sie trenne sich im Tode vom
Körper, nehme eine neue Dascinsweise, eine Art „sublimer
Materialität" (237), einen spirituellen, der Raum-Zcitlichkcit
entnommenen „Geistleib" an (226), der „aus einer unbekannten,
uns für gewöhnlich nicht perzipierbaren Energieform" gebildet
ist (247), denn Materie ist nach E. Schrödinger nichts anderes
als eine bestimmte Form der Energie, die auch andere Formen
annehmen kann. Der Tod stellt demnach nichts Endgültiges
dar (234), er ist kein Absolutum (272), er ist vielmehr „dialektisch
" so zu verstehen, „daß, so wie das Leben aus sich seinen
Widerspruch entbindet, wir auch den Tod als dialektisches
Phänomen ansprechen können - dergestalt, daß wir in ihm -
zwar verborgen - ein ihn aufhebendes Leben vermuten dürfen"
(272f). „Das Ende, jedes Ende, ist - dialektisch gesehen -
Neubeginn" (229). Nur wo es ein derartiges Sein über den Tod
hinaus gibt, hat das irdische Sein, haben vor allem die durch
die Liebe getragenen menschlichen Beziehungen (265) einen
Sinn (273 f).

Obgleich die derzeitigen wissenschaftlich-empirischen Methoden
nur die Außenseite des Todes, also nur das Ende und nicht
den Innenaspekt, den Neubeginn eines Lebens in neuer Scins-
weise im Augenblick des Todes zu erfassen vermögen, meint
Rorarius doch, daß es schon heute genügend empirisch beobachtbares
Material gibt, das mit der monistischen Identitätstheorie
nicht erklärt werden kann, ja ihr widerspricht und das
für die dualistische Hypothese spricht (229), durch sie gedeutet
werden kann und das für die These vom Überleben der Seele
(= Persönlichkeit) spricht. Er stellt für den angloamerikani-
schen Bereich eine Aufgeschlossenheit der Wissenschaftler, jedoch
eine „dogmatisch anmutende Voreingenommenheit deutschen
Wissenschaftsgebarens" gegenüber solchen Phänomenen
fest (232). Er bezieht sich vor allem auf die Beschreibungen,
die durch die neue Todesforschung (R. Moody, Leben nach dem
Tode; E. Kübler-Ross, Vorwort zu R. Moody; A.Ford, Bericht
über das Leben nach dem Tode; u. a.) beigebracht wurden und
in denen Menschen, die nach klinischem Tod durch medizinische
Methoden wieder ins Leben zurückgerufen wurden, ziemlich
übereinstimmend von, in auf die Empirie bezogenen Begriffen
kaum beschreibbaren Erlebnissen berichten, nach denen
eine Bewußtseinskontinuität über den Tod hinaus bestand, es
zu einer Loslösung vom irdischen Körper und einer Verwandlung
in einen spirituellen Leib kommt, daß dieses Geschehen
mit dem Gefühl der Freude und des Friedens verbunden ist
(225 ff). Die Persönlichkeit befindet sich dabei oft außerhalb
ihres Körpers, betrachtet ihn von außen (227). Weiter bezieht
er sich auf die Phänomene der Geistererscheinung (von Verstorbenen
), die Hinweise, daß Menschen „Medien" für Botschaften
aus der übersinnlichen Welt werden können (251 ff)
und auf die freilich sehr unsicheren Hinweise über eine Rein-
karnation der Seelen (was für eine Präexistenz der Seelen
spräche, 267). All diese Phänomene berechtigen „zu der
Hypothese (!)..., von einem Fortlehen der menschlichen Seele
zu sprechen" (234). Zu ihrer Wahrnehmung und Deutung bedarf
es der Preisgabe der monistischen Identitätshypothese
von Körper und Seele und - im Sinne von Th. Kuhn (Die
Struktur der wissenschaftlichen Revolution) - eines neuen
Paradigmas, einer den Phänomenen angemessenen und sie
sachgerecht wahrnehmenden und deutenden, einer die übersinnliche
Welt akzeptierenden wissenschaftlichen Hypothese.

Für das rationalistische Denken stellen die Ausführungen
von W. Rorarius eine Herausforderung dar. Sic sind ein Hin-