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Ausgabe:

1981

Spalte:

112-113

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Jonge, Christiaan de

Titel/Untertitel:

De irenische ecclesiologie van Franciscus Junius 1981

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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III

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

I I 2

scn hatte, die nicht geringer sei als die üblicherweise zitierte
Logoschristologie (68). In diesem Kapitel werden Tertullian,
Novatian, Clemens und Origenes gewürdigt.

In dem zweiten Teil werden „Die ersten theologischen Deutungen
der Person Jesu Christi von Origenes bis zum Konzil
von Ephesus (431)" (283-634) geschildert. Dies ist bei weitem
der umfangreichste der drei Teile. Nach einer kurzen Einführung
und Übersicht werden hier nacheinander Euseb, Laktanz,
Asterius der Sophist, Arius und der Arianismus, das Konzil
zu Nicäa, Marceil, Eustathius, Aphrahat, Euseb von Emcsa,
Cyrill von Jerusalem, Athanasius, Apollinaris, weiter u. a.
Ephram, die Kappadokicr sowie auch die Lateiner Hilarius von
Poitiers, Hieronymus, Rufin, Ambrosius und Augustin gewürdigt
.

In dem dritten Teil widmet sich Grillmeier dem Thema
„Kerygma - Theologie - Dogma. Ephesus und Chalcedon
(431-451)" (637-775). Hier werden nacheinander geschildert
Nestorius, Cyrill von Alexandrien - insbesondere auch in
seinem Verhältnis zu Apollinaris von Laodicea -, das Konzil
von Ephesus (431), die Entwicklung bei Antiochenern und
Alexandrinern nach 431 und schließlich das Konzil zu Chal-
kedon (451).

Den Band beschließen eine ausgewählte Bibliographie, Verzeichnisse
der Schriftstellen sowie der griechischen und lateinischen
Wörter von besonderer Bedeutung, außerdem ein Personen
- und ein Sachverzeichnis. Eine Liste der Abkürzungen
findet sich am Anfang des Buches. Zwischendurch werden
allerdings zuweilen bei der Behandlung einzelner Kirchenväter
noch weitere Abkürzungen genannt, die tunlichst auch in das
AbkürzungsVerzeichnis aufgenommen werden sollten; sonst
muß, wer nur etwas nachschlagen will, gegebenenfalls länger
suchen, da die für einzelne Werke verwendeten Siglen sich nicht
immer ohne weiteres aufschlüsseln lassen.

Grillmeicrs umfassende Darstellung der altkirchlichen Chri-
stologie stellt in jeder Hinsicht ein reifes Werk dar. Man spürt
es dem Buch sowohl in seiner Grundkonzeption als auch in
den einzelnen Partien immer wieder ab, daß es aus souveräner
Beherrschung der Quellen heraus geschrieben ist. Dabei hat
Grillmeier die kaum zu überschauende Sekundärliteratur in
immensem Umfang verwertet und zugleich selbständig aufgenommen
bzw. oft genug auch deren Ergebnisse weitergeführt.
Neben der deutschen, englischen und französischen Forschung
ist besonders intensiv auch die italienische und die spanische
herangezogen worden. Hervorhebung verdient auch, daß die
Auseinandersetzung mit anderen Meinungen stets ruhig, sachlich
und vornehm erfolgt. Das Werk ist ein hervorragender
Führer für den Weg der altkirchlichen Christologie. Neben der
Würdigung der dogmatischen Aussagen zahlreicher Kirchenväter
liegt in der Darstellung ein Schwerpunkt auch bei der
Schilderung der Auslegungsgeschichte. Immer wieder weist
Grillmeier auf das Gewicht von Stellen wie Rom 1, 3.4 oder
besonders Kol 1, 15-20 hin; bei der letzteren wird deutlich,
daß die Aussage über Christus als das „Bild des unsichtbaren
Gotlcs" und als den „Erstgeborenen der ganzen Schöpfung"
nicht selten die Gefahr des Subordinatianismus heraufbeschwor;
so vor allem bei Origenes (108 f). Im Anschluß an die Untersuchungen
von Martin Tetz arbeitet Grillmeier aber auch die
Bedeutung dieses Kol-Textes für Marccll von Ancyra heraus.
Nicht zuletzt wird das Gewicht dieses Textes im Streit zwischen
Arianern und Nicänern deutlich; dabei hatte Athanasius mit
diesem Text manche Schwierigkeiten (112), jedenfalls ging er
an dem eigentlichen Sinn dieser Stelle vorbei.

Eine Einzel-Erörterung kann hier nicht gegeben werden;
wohl aber mögen einige Anfragen genannt werden.

Was die Darstellung im ganzen betrifft, so mag es als
unbillig erscheinen, wenn man angesichts des enormen Um-
fangs und der beeindruckenden Intensität der Untersuchung
noch weitere Wünsche äußert. Immerhin scheint es, daß zwei
Themen doch eine etwas ausführlichere Erörterung verlangt
hätten; die Gewichte dürften sonst nicht gerecht verteilt sein.
Man vermißt einmal eine nähere Erörterung der spätantiken
Anthropologie. Zwar weist der Vf. wiederholt auf die Rolle
etwa der platonischen oder der stoischen Philosophie hin.

durch die oft genug bei christologischen Entwürfen die Weichen
gestellt wurden. Nirgends wird jedoch auch nur skizzenhaft
die spätantikc Anthropologie geschildert. Dadurch bleibt jedoch
oft genug die Voraussetzung für die christologischen Konzeptionen
im Dunklen. Grillmeier meint etwa, das bekannte
Prinzip „Zwei vollkommene Wesen können nicht eins werden"
nicht erörtern zu müssen (484). Warum nicht? Müßte hier
nicht gezeigt werden, wie wichtig bestimmte philosophische
Voraussetzungen sind, so daß u. U. schon mit dem philosophischen
Vorverständnis die Entscheidung über die theologische
Angemessenheit christologischer Aussagen fällt? - Sodann
vermißt man auch eine nähere Behandlung der nicht-theologischen
Faktoren, insbesondere bei den kirchen- und machtpoli
tischen Interessen in dem Streit zwischen Nestorius und Cyrill.
Zuweilen deutet Grillmeier diese Zusammenhänge zwar an,
aber er läßt sie doch über Gebühr in den Hintergrund treten.
Sicher ist dem Vf. zuzustimmen, daß die christologische The
matik ihr eigenes Gewicht hat und keinesfalls nur als der
Exponent ganz anderer Entwicklungstendenzen angesehen
werden kann; in dieser Hinsicht stellt Grillmeiers Werk eine
berechtigte, fundamentale Korrektur nicht weniger älterer Untersuchungen
dar. Aber die weitgehende Abbiendung der
machtpolitischen Zusammenhänge, in welche die christologischen
Bemühungen eingebettet waren, führt doch zu einer gewissen
Verzeichnung. Dies zeigt sich besonders deutlich bei
der Schilderung der beiden Konzile zu Ephesus 431. Grillmeicr
geht im Grunde nur auf das später als ökumenisch anerkannte
Konzil ein.

Was die Darstellung im einzelnen betrifft, so ist sie durchweg
so fundiert und abgewogen, daß man auch dort, wo man
an sich anders urteilen möchte, die Position des Vf. für vertretbar
halten muß. Lediglich einige Fragen oder Wünsche
seien gestattet. Was die sog. Geistchristologie betrifft, so
finden sich zwar an einigen Stellen interessante Hinweise
(z. B. 200.336); man wünschte hier aber doch irgendwo eine
etwas ausführlichere, zusammenhängende Erörterung. Die bevorzugte
Schilderung derjenigen Entwicklung, welche schließlich
nach Chalkedon führte, hat, wie es scheint, gerade an
dieser Stelle zu einer besonderen Kürze geführt. Etwas unbefriedigend
ist auch die Würdigung Augustins (594-604). Was den
jungen Augustin betrifft, so wird der neuplatonische Hintergrund
allzu knapp erörtert. Für den älteren Augustin wird
zwar eine knappe Skizze seiner Christologie gegeben, nicht
aber die Tatsache gewürdigt, daß Augustin als erster und zugleich
in bahnbrechender Weise zwischen Christologie und
Gnadcnlehrc eine theologische Verbindung hergestellt hat.

An kleineren Wünschen oder Beanstandungen sei genannt: zwar hat der Vf.
griechische und lateinische Zitate durchweg auch in Übersetzung mitgeteilt, nicht
dagegen neusprachliche Zitate, die nicht selten umfangreich sind. Man mag
bezweifeln, dar} die Kenntnis des Italienischen verbreiteter ist als die des Lateinischen
. Es wäre eine Hilfe, wenn auch die neusprachlichen Zitate übersetzt
würden. - Einige Druckfehler: 121 Z. 6 v.o. 1. .371" st. .471". - 130 Z. 9 v.u. 1.
.Joh. 1,14". - 202 Anm. 187 Z. 9 v.u. 1. .Holfelder". - 302 Anm. 2 R. Farina,
dessen Untersuchung 1966 erschien (301 Anm. 1), konnte kaum Rickens 1967
erschienene Arbeit zur Kenntnis nehmen, was der Vf. ihm vorhält. - 573 Abs
4 Z. 2 v.o. 1. „scelc-".

Diese vergleichsweise kleinen Wünsche und Kritiken mindern
in keiner Weise den außerordentlichen Wert des Buches von
Grillmeier. Grillmeiers Darstellung der Christologie wird auf
lange hinaus sowohl in seinem theologischen Ansatz als auch
in der soliden Durchführung maßgebend sein.

Hamburg Bernhard Lohse

1 A. Grillmeier u. H. Bacht: Das Konzil von Chalkedon, 3 Bde., 1951-1954,
'1979.

- A. Grillmeier: Christ in Christian Tradition. Vol. 1: From the Apostolic
Age to Chalcedon (AD 451). London/Oxford 1965. -1975.

Jonge, Christiaan de: Die Irenische Ecclesiologie van Francis-
cus Junius (1545-1602). With an English Summary. Nieuw-
koop: de Graaf 1980. IX, 316 S. gr. 8° = Bibliotheca Huma-
nistica & Reformatorica, XXX. Lw. hfl 95,-.

Das Buch beginnt mit einem Lebenslauf des reformierten
Theologen Franciscus Junius, der nach Aufenthalten in Frankreich
und in der Pfalz 1582 in Leiden Professor Primarius