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Ausgabe:

1981

Spalte:

109-112

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Von der Apostolischen Zeit bis zum Konzil von Chalcedon (451) 1981

Rezensent:

Lohse, Bernhard

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

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Orten im Sinne seines gro5en Vorbildes reformatorisch tätig
war.

Nach jedem Kapitel weist Kolb übrigens in einem zum Teil
ausführlichen Anmerkungsapparat seine Quellen nach. Von
S. 69 an unterzieht er sich der komplizierten Aufgabe, Amsdorfs
Stellung in den wenig förderlichen theologischen und
kirchenpolitischen Streitigkeiten nach Luthers Tod zu charakterisieren
. Die Wendung gegen Wittenberg, gegen die Philippisten
, die Verteidigung Jenas und die geistig-geistliche Stützung
der ernestinischen Fürsten haben starke Wirkungen gehabt, auch
und gerade als sein Bischofsamt nach kurzer Zeit entwicklungsbedingt
unglücklich endete. Als Visitator der Kirche und
theologisch-kirchcnpolitischer Berater seiner Landesoberen hat
sich Amsdorf bis an sein Lebensende gefühlt.

Ein kompromißloser Kampf gegen die Adiaphoristen, gegen
das Augsburger und Leipziger Interim hatte neben viel Klärendem
immerhin auch viel Einseitiges in sich. Evangelisch richtige
Erkenntnis und Beharrungsstarrsinn zugunsten einmal
geprägter Formeln kommen bei Amsdorf unausgesetzt zusammen
. In Kapitel 3 ist die Auseinandersetzung um den Satz,
daß gute Werke nicht zur Erlangung des Heils notwendig -
ja sogar schädlich (158) - seien, so beschrieben, dafj die
Motive für die Verluste von Freunden (Major, Menius) ans
Licht treten. Wahrheit und Lüge standen für den Unerbittlichen
immer so scharf und eindeutig gegenüber, daß differenzierende
Bedeutungsskalen tragender Begriffe kein Gegenstand der
Reflexion waren.

Kap. 4 (181-224) beschreibt noch einmal Amsdorfs soteriolo-
gische Akzente, hier bezogen auf die Ablehnung aller Spielarten
des Synergismus. Pfeffinger und Strigel waren hier seine
Hauptgegner, die für Amsdorfs Verständnis Gottes Ehre und
Gottes alleiniges Tun verletzten (224). Gott ist der Töpfer.
Menschen sind Lehmklumpen in seiner Hand. Mit diesem Bild
meinte Amsdorf, Luthers soteriologisches Erbe richtig umschrieben
zu haben.

In Amsdorfs letzten Eisenacher Jahren nahm die Vereinsamung
zu. Auch seine Fürsten, die Jahrzehnte hindurch sehr
auf seinen Rat hörten, entfremdeten sich ihm mehr und mehr.
Der Streitschriftenkrieg, welcher nie ganz offen, aber sachlich
doch auch Melanchthons Lehre traf, hielt an. Körperliche Gebrechen
taten ein übriges, um den alten Vorkämpfer für Luthers
Evangeliumsverständnis (240) zu isolieren. Er hielt Luthers
Fragestellungen lebendig, wenn auch mit einer Linienführung,
die die Einseitigkeiten der lutherischen Orthodoxie, welche
dann große Teile Europas über anderthalb Jahrhunderte beherrschte
, einleitete. Die Verzweigtheit dieser Entwicklung
zwischen großer Treue zum durch Luther auf den Leuchter
gehobenen Evangelium und der Pcnetranz hermeneutisch nicht
genügend geöffneter Formeln gezeigt zu haben, ist Kolbs
großes Verdienst. Dafür ist sehr zu danken.

Berlin Joachim Rogge

Beinert, Wolfgang: Der Kirchen- und Sakramenlsbegriff der
Confcssio Augustana (ThGl 69, 1979 S. 237-262).

Brandmüller, Walter: Die Confcssio Augustana in ihrem historischen
Kontext (StZ 105, 1980 S. 553-566).

Dclius, H.-U.: Zur Martin-Luthcr-Studicnausgabc. Erfahrungen
und Probleme (Standpunkt 7, 1980 S. 180-181).

Koch, Ernst: Marburg 1529 (ZdZ 1979 S. 451-456).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Grillmeier, Alois: Jesus der Christus im Glauben der Kirche.

1: Von der apostolischen Zeit bis zum Konzil von Chalcedon
(451). Freiburg - Basel - Wien : Herder [1979) XXIV, 829 S.
gr. 8°. Lw. DM 98,-.

Grillmcicr hat über drei Jahrzehnte lang sich intensiv der
Erforschung der altkirchlichcn Christologie gewidmet. Anläßlich
der 1500. Wiederkehr des Zusammentretens des Konzils
von Chalkedon hatte er zusammen mit Heinrich Bacht das

dreibändige Werk „Das Konzil von Chalkedon" 1 herausgegeben
, wobei er selbst ausführlich „Die theologische und sprachliche
Vorbereitung der christologischen Formel von Chalkedon"
würdigte. Dieser schon den Umfang einer Monographie erreichende
Beitrag ist die Keimzelle der jetzt vorliegenden umfassenden
Darstellung. Auf dem Wege von dem Beitrag von
1951 bis zu der umfassenden Darstellung von 1979 sind die
beiden englischen Ausgaben 2 veröffentlicht worden. Dabei war
ursprünglich nur an eine Übersetzung des Beitrages von 1951
gedacht gewesen; jedoch stellten beide englischen Ausgaben
dann wesentlich erweiterte Fassungen dar. Waren diese englischen
Ausgaben schon die bis dahin umfangreichste Gesamtdarstellung
der altkirchlichen Christologie, so ist der jetzt erschienene
Band noch einmal erweitert und ausgebaut worden. Dabei
handelt es sich hier nur um den ersten von insgesamt drei Bänden
, die das ganze Werk umfassen soll. Grillmeicr möchte im
2. Band die Christologie in der Zeit von dem Konzil zu Chalkedon
bis zu Papst Gregor dem Großen (604) und im dritten die Entwicklung
der Christologie bis zur Zeit Kaiser Karls des Großen
(Frankfurter Konzil 794) behandeln. Was Grillmeier vorgelegt
hat und noch vorlegen will, ist also nicht mehr und nicht weniger
als eine Dogmcngcschichte der Christologie von den Anfängen
bis zur Schwelle der Frühscholastik. Wie aus seinen
vielfältigen Publikationen hervorgeht, die er neben der Wcitcr-
arbeit an dem Beitrag von 1951 immer wieder herausgebracht
hat und die zu einem wichtigen Teil in seinem Aufsatzband
„Mit Ihm und in Ihm. Christologische Forschungen und Perspektiven
" (1975, 2 1978) gesammelt sind, dürfte kein anderer
heute für diese große Aufgabe so gut gerüstet sein wie er.

Der Standort, von dem aus Grillmeier die Geschichte der
Christologie schildert, wird in dem Titel seines Werkes deutlich
: „Jesus der Christus im Glauben der Kirche". Der Ausgangspunkt
seiner dogmengeschichtlichen Arbeit unterscheidet
sich damit erheblich von demjenigen in den noch immer „klassischen
" protestantischen Darstellungen der Dogmcngcschichte.
Dieser Ansatz führt aber nirgends zu einer engen Sicht; ganz
im Gegenteil, die wissenschaftliche Diskussion wird allenthalben
, auch bei den von der Kirche je und dann verurteilten
Häretikern, ebenso umfassend wie unvoreingenommen aufgearbeitet
, wobei auch manches Urteil in neuem Licht erscheint.

Grillmeicr erörtert zunächst in einem ersten Teil „Die Geburt
der Christologie" (3-280). Das erste Kapitel hier ist der
Entwicklung „Von der Bibel zu den Vätern" (3-132) gewidmet.
Diese Schilderung der Frühzeit ist im Vergleich mit den früheren
Fassungen von Grillmciers Werk besonders stark ausgebaut ,-
im übrigen hat Grillmeicr aber auch manche Passagen in der
Schilderung der späteren Epochen neu eingefügt, so insbesondere
bei den Ausführungen über Ephräm und den Origenismus
am Ende des 4. Jh. Was die Frühzeit betrifft, so wollte der Vf.
„paradigmatisch die Vcrklammcrung der apostolischen mit der
nach apostolischen Zeit" aufzeigen (VII). Ziel ist also nicht eine
ncutcstamcnllichc Christologie, sondern stets das Verfolgen
früher Ansätze über die Entwicklungen in den neutestament-
lichcn Schriften bis weit in die alte Kirche hinein. Die aus
späterer Sicht häretischen Linien werden dabei weniger berücksichtigt
. Um so ausführlicher sind die Erörterungen der Hoheitstitel
Jesu in den synoptischen Evangelien wie etwa der
Prophctcntitel, aber auch die Behandlung der bei Paulus begegnenden
Hymnen Rom 1, 3-4 und Phil 2, 5-11 sowie des Kyrios-
titels. Grillmeier zieht dabei die ncutcstamcntlichc Forschung
in großem Umfang heran, kann aber immer wieder gerade
von seiner besonderen Fragestellung her zu eigenen Akzentsetzungen
oder Korrekturen gelangen. Die Vcrklammcrung
von ncutestamcntlichcr und patristischcr Forschung in diesem
Kapitel ist m. E. vorbildlich, auch unter methodischem Gesichtspunkt
.

Die beiden anderen Kapitel des ersten Teiles behandeln
einmal die Christologie des 2. Jh., zum anderen die Epoche
von Hippolyt bis Origenes. In jenem Kapitel (133-221) ist
wohl besonders wichtig die Erörterung der „Namcns-Christolo-
gie" - eine archaische Form der Christologie -, aber auch die
Behandlung Justins, bei dem der Vf. schon vorher auf die
Bedeutung des Messiasbildes im Dialog mit Trypho hingewie-