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Ausgabe:

1981

Spalte:

104-105

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Cyrillus Alexandrinus, Dialogues sur la trinité 1981

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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1(13

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

I ol

rechnungen (Komputationen) trotz ihrer teilweise abstrusen Behauptungen
einen oft unterschätzten Aussagewert. Die in Kap.
IX (395 bis 428) untersuchten Weltzeit-Spekulationen sind demgegenüber
nur abgeleitete, private Einzclleistungen, deren Wert
man erst auf dem Hintergrund der Komputationen erkennt.

Stark vereinfacht, faßt sich das Ergebnis (Kap. VIII, 353ff)
wie folgt zusammen: „In der ältesten Zeit ... feierte man
Ostern, das einzige Hauptfest des Jahres, sehr wahrscheinlich
ohne viel Überlegung nach der Berechnung, die sich bei Einführung
des Christentums im eigenen Kirchengebiet als die
zweckmäßige anbot. Mit der Vergrößerung der Kirchen und mit
zunehmender Kontaktbildung in Fragen der Lehre und der
liturgischen Praxis - eine kirchengcschichtlichc Phase, die spätestens
im 2. Jahrhundert erreicht war - stand man unausweichlich
vor der Notwendigkeit, das Recht der eigenen Praxis zu
entfalten und zu begründen" (353). Die Christen waren für
Kalenderbcrechnungen nicht vorgebildet. Daher darf man „annehmen
, daß ihre frühen technischen Regelungen auf einfachsten
Prinzipien ruhten. So feierte man z. B. weithin einfach gleichzeitig
mit den Juden" (355). Aber schon die Juden standen vor
fast unüberwindbaren Schwierigkeiten, ihren in Jerusalem von
Jahr zu Jahr durch Beobachtungen festgelegten Passa-Termin
z. B. bis in die entferntere Diaspora bekanntzumachen. Darum
entstanden neben den lunaren solare Berechnungen, die von
anderen Gesichtspunkten ausgingen. Die christlichen Gemeinden
standen darüber hinaus vor der Wahl, ob sie das Fest
quartadeeimanisch (14. zum 15. Nisan) vom Karfreitag oder vom
Ostersonntag her berechnen wollten, Unterschiede übrigens,
die sich schon in die Evangelienschreibung (und nicht erst: aus
ihr) eingezeichnet haben. Auf jüdischer Seite differenziert sich
die lunare Berechnung nach 70 und vollends nach 135 dahin, ob
man den Passa-Termin nach Jerusalemer Beobachtung (die
nicht mehr vermittelt werden konnte) oder nach primitiven
Mondjahr-Zyklen festsetzen sollte; da das Mondjahr nach zwei
bis drei Jahren einen Schaltmonat fordert, konnte der Frühjahrsmonat
und damit das Passa vor das Frühjahrsäquinoktium
geraten, was früher als verboten galt. Im 2. Jh. beginnen
die Versuche, wiederkehrende Jahres-Zyklen zu bestimmen
(25, 84 Jahre), im 4. Jh. kam es zur Bildung des
sog. konstanten Reformkalenders, um allen Juden eine einheitliche
Festberechnung möglich zu machen. Die Diaspora hat
daneben nach dem Frühjahrsmonat ihrer jeweiligen Umgebung
ihr Passa berechnet. Fast alle diese Bemühungen spiegeln sich
in den erhaltenen christlichen Zeugnissen. Daneben beobachtet
man die Aufnahme der essenischen (jüdisch-häretischen) solaren
(genau: solarlunaren) Kalendcrtradition: „Die solarquartadcci-
manischen Christen setzen Ostern wahrscheinlich im Rahmen dieses
durch die julianische Kalenderreform ins Leben gerufenen
mehr oder weniger einheitlichen Kalcndersystems fest" (369).
Feststehende Daten waren der 25. März, nach alexandrinischer
Tradition der 22. (21.) März und bei den Montanisten der 6.
bzw. 7. April. Setzte man das Fest vom Ostersonntag (Sonntag
nach dem 14. Nisan) her an (Rom zu Ausgang des 2. Jh.) - man
feierte vom Karsamstagabend zum Ostermorgen -, kam man
zu weiteren Möglichkeiten. Die frühchristliche Osterbegehung
war also alles andere als einheitlich! Als die christlichen Kom-
putisten die zyklische Vorausberechnung einführten, nutzte
man die jüdischen Erfahrungen (z. B. 25, 84 Jahre als Grundlage
). Im Jahr 325 beschloß das Konzil von Nicäa, die eigene
Festansetzung grundsätzlich von der jüdischen Berechnung zu
trennen. Offenbar waren praktisch die Differenzen und bezüglich
der Vorausberechnung die eigenen Erfahrungen groß
genug geworden, den Schnitt zu vollziehen.

So bringt uns A. Strobel im Punkt der Osterberechnung ein
erhebliches Stück vorwärts. Man wird auch in einer Fülle weiterer
Einzelheiten seinen Aufstellungen gern folgen. Man
legt seine Studie mit Gewinn aus der Hand. Für diesen Gegenstand
wird man künftig auf sie nicht verzichten dürfen. Trotzdem
sind mir einige Fragen geblieben: (1) Größere Zurückhaltung
scheint mir bei der Frage geboten, ob die Rückwärtsberechnung
der Väter, die man bei Prüfung der „Kopfjähre"
der Zyklen oder bei den Weltgesamtzeit-Spekulationen erkennen
kann, eine selbständige Instanz für die Berechnung

des Todestages Jesu ergibt. Sollten wir nicht die Möglichkeit
einkalkulieren, daß der von den Vätern anvisierte Todestag
Jesu von diesen „berechnet" worden ist, also nicht eine durch
die Rechnung gestützte Tradition darstellt? - (2) Die Ablösung
der christlichen Osterbegründung im Karfreitag (Quartade
eimaner) durch die Feier des Ostersonntags scheint mir noch
zu schematisch mit dem Gedanken begründet zu werden, daß
der Karfreitag die jüdische Praxis genauer aufnehme als der
Sonntag, wodurch der Sonntag das Omen des Sekundären auf
sich zieht („heidenchristlich"). Sollte man nicht doch erwägen,
daß beide Möglichkeiten von Anfang an konkurrierten? Da
wir für christliche österliche Begehungen doch frühestens aus
den Synoptikern Belege gewinnen können, während schon bei
Paulus (lKorl6,2) die Sonntagsbegehung belegt zu sein scheint,
sollten wir uns den Gedanken eines Nacheinanders vor Bereitstellung
weiterer Materialien und Überlegungen vorerst versagen
. - (3) Denn was heißt „von Anfang an"? Ich habe die
stärksten Bedenken, damit sofort die Urgemeindc und deren
Praxis zu bezeichnen. Mit welchem Recht könnten wir von einer
Jerusalemer Begehung der ersten Tage und Jahre sprechen? Von
christlichen Festbegehungen sollte man erst von dem Zeitpunkt
an sprechen, für den solche zum ersten Mal belegt werden können
. Aber schon in den Synoptikern überlagern sich die Dinge.
Vollends würde ich es nicht wagen, aus diesen Belege für
kalendarisches Rechnen zu gewinnen, um wieviel weniger für
Jesu Denken. Daß die erste Christenheit im Gesamtrahmen
eines apokalyptisch rechnenden Judentums zu sehen ist, beweist
doch noch nicht, daß es sich präzisen Zahlenspckulationcn
öffnete. Ist nicht eins der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung
, daß man die Kalenderberechnung erst im 2. Jh.
thematisiert hat, weil nach dem Jüdischen Krieg und vollends
nach dem Bar-Kochba-Aufstand neue Grundlagen für die Oster-
festlegung gefunden werden mußten? Ich würde einräumen,
daß Lukas (Anfang der Apostelgeschichte) wie in vielen anderen
Dingen auch diesbezüglich ein Feingefühl für neue Entwicklungen
zeigt. Aber ich frage, ob man tatsächlich hinter
Lukas zurückgehen darf.

Druckfehler: S. 292 sind die Zeilenanfänge 12/13 vertauscht worden: S. 354
Z. 6 trennen .alter überlieferter".

Borsdorf b. Leipzig Gottfried Schille

Cyrille d'Alexandrie: Dialogues sur la Trinite. II: Dialogues
III, IV, V. Texte critique, traduetion et notes par G. M. de
Durand. III: Dialogues VI et VII. Texte critique, traduetion
et notes par G. M. de Durand. Paris: Les Editions du Cerf
1977/78. 470 S. et 332 S. 8° = Sources Chretiennes, 237/246.
ffr. 140,- et 184,-.

Schnell sind diese beiden Bände dem ersten, der 1976 erschien,
gefolgt, so daß nun die Neuedition der Dialoge vollständig
vorliegt. Der zweite Band enthält die Dialoge III-V, die beweisen
wollen, daß der Sohn (Logos) kein Geschöpf, sondern
wahrer Gott sei und die gleichen göttlichen Eigenschaften besitze
wie der Vater. Die beiden letzten Dialoge legt der dritte
Band vor. Der VI. Dialog behandelt das Verhältnis von Logos und
Sarx, vom Logos und den menschlichen Eigenschaften, ein
Thema, das in den späteren christologischen Streitigkeiten
größere Präzisierung erfuhr, dessen alexandrinische Grundsätze
hier sehr deutlich werden, weil sie nicht durch die
spätere Polemik und Unsachlichkeit belastet sind. Der VII. Dialog
schließlich erörtert den göttlichen Charakter des Hl. Geistes.
Die Dialoge sind also zum Erfassen der alexandrinischen und
späteren monophysitischen christologischen Ausgangsposition,
die ja aus der göttlichen Oikonomia, der göttlichen Trias entwickelt
wird, von großer Bedeutung.

Die beiden Bände der Edition, die hier vorzustellen sind,
bestärken Eindruck und Beurteilung, die Rez. bei Besprechung
des ersten Bandes in dieser Zeitschrift (103, 1978 Sp. 118-120)
zum Ausdruck brachte.

Die Ausführungen des Vf. über seine Grundsätze der Textkonstituierung
in Bd. I 115-118 lassen sich jetzt überprüfen.
Mit Recht folgt er keinem der Textzeugen blindlings; denn