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Ausgabe:

1981

Spalte:

93-95

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kümmel, Werner Georg

Titel/Untertitel:

Einleitung in das Neue Testament 1981

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

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phischc Überlegungen sollten erweisen, daß christliche Dogmen W. G. Kümmel, von der in rascher Folge 5 Auflagen (12. bis

unlogisch und irrational sind, während Juden ihre eigenen 16. Auflage) gedruckt werden konnten (ThLZ 91, 1966 Sp. 755).

Lehren für mit der Vernunft vereinbar halten. Dabei wird das 1972 schien dem Vf. „eine weitere unveränderte Auflage als

Christentum nicht für grundsätzlich falsch gehalten - Juden nicht mehr vertretbar". Dementsprechend wurde für die

brachten durchaus dafür Verständnis auf, daß Christen, die in 17. Aufl. 1973 nicht nur die neuere Literatur eingearbeitet,

ihrem Glauben aufgewachsen sind, diesen für vernünftig hal- sondern auch „der ganze Text überarbeitet". Wenn diese Über

ten, so Jehuda ha Lcvi im „Kusari", - aber für Juden sei es arbeitung auch den Charakter des Werkes nicht änderte, so

unannehmbar. Maimonides gab in seinem „Führer der Ver- war es doch an der Zeit, von der 17. Aufl. an auf dem Titelblatt

irrten" zu, daß es auch in der jüdischen Lehre Unmöglichkeiten nur noch .Kümmel' als Verfasser anzugeben; denn das vorlie

gebe, aber sie seien nur von Natur aus unmöglich, vom Den- gende Werk ist allein seinem Fleiß zu verdanken, und die Ur

ken her aber durchaus möglich, während viele christlichen Dog- teile sind, auch wo sie übernommen wurden, seine Urteile,

rnen der philosophischen Logik widersprächen. Diese Über- Aus dem alten Buch von Feine-Behm ist ein neues entstanden,

legung bildet die Grundlage für die philosophisch orientierte das freilich seinen Ursprung nicht verbirgt. Die Übertragung

Polemik des Judentums gegen das Christentum: die Philoso- der Autoren- und Stellenangaben in Anmerkungen hat die

Phie kann zwar die religiöse Wahrheit nicht positiv beweisen. Lesbarkeit des Buches seit der 17. Auflage sehr erhöht, und

wcil sie auf einer anderen Ebene liegt, wohl aber vermag sie, sein weiterer Erfolg - 1978 erschien die 19. Auflage - zeigt

deren Unmöglichkeit aufzuzeigen. an, daf} es nicht nur dem Forscher unentbehrlich wurde, son-

Dic nächsten vier Kapitel gelten dem Einzclerweis. An den dern daß auch die Studierenden den .Kümmel' als ein sehr

vier in diesem Zusammenhang wichtigsten Dogmen - Trinität, nützliches Lehr- und Nachschlagcbuch benützen.
Inkarnation, Transsubstantiation und Jungfrauengeburt - wird im Vorwort der ersten von ihm bearbeiteten Auflage (l21963j

gezeigt, wie die Gelehrten im einzelnen argumentierten. Dabei gibt Kümmel die ihn leitenden Kriterien an: „Meine Absicht

stellt sich heraus, dafj gerade die Trinität - oder auch die bei der Neugestaltung war es, in umfassender Weise in den

Jungfrauengeburt - an sich für Juden nicht den stärksten stand der internationalen Forschung einzuführen und zugleich

Anstoß bereiteten, sondern daß die Fleischwcrdung Gottes klare Entscheidungen in strittigen Fällen zu treffen." An dieser

'hnen das größte Skandalon bedeutet: Gott ist unkörperlich Aufgabenstellung hält der Vf. auch in den weiteren Auflagen

und allgegenwärtig, er kann nicht an einen bestimmten Ort fest.

begrenzt werden, kann sich nicht verändern So können zwar fa der zuergt genannten Absicht liegt die unübertroffene

Attribute mit Gottes Einzigkeit vereinbar gedacht werden und stärke dicser Einleitu die Bewunderung abnötigt. Natürlich

f als Emhe.t von Macht, Weisheit und Wille, die zur Schop- konnte und durfte es nicht die Absicht des vf sein y0ÜMD

tung fuhren, diskutiert und verstanden werden, oder als Den- digkeit in dcr Aufzählung und Erschließung der Literatur zu

Ker, Denken und Gedachtes, nicht aber als drei Personen, von cr/ie]cn Aber Vollständigkeit ist insofern angestrebt, „als

aenen eine ein begrenzter und bestimmter Mensch ist. Von nichts für die EinleitUngsfragen wirklich Wesentliches fehlen

Richer Vorstellung können sich Juden nur abwenden und von solUe.. Das w dn hohes ^ das 7U erreichen auch ein is_

aa her kommen auch die übrigen einzelnen Gegenbeweise ses Maft subjcktiver Wertung einschließt; aber der Erfolg des

Im Schlußkapitcl wird vor allem ausgeführt wie die vielen ßuchcs bestätigt, daß dies Ziel, soweit es denn überhaupt

Beispiele der Argumentation zeigen, daß die judischen Gelehr- mög]ich jst errcjcht wur(Je 0bw die VQn Kümmel benutztc

Z tW 1° ?C DisPutatlon^n Ehrten, über christliche Dogmen Lltcratul. hinaus wird man Wesentliches nur selten finden Es

3ut Bescheid wußten. Sie haben aus der christlichen Literatur qchört kdn flcr ^ ^ der Vora c> daf} cin in dieser

^nerse.ts - so zitierte etwa Juda Arje de Modcna oft Thomas Hinti(Sit vergleichbares Werk von einem Verfasser schwerlich

von Aquin - und von den Argumenten christlicher Ketzer „och einma, vollcndct werden wird Dic 1978 erschienene

andererseits viel gelernt, aber sie haben nicht das interne, gc ig Auf, wurde gegenübcr der 17./I8. Aufl. um mehr als

ehrte christliche Schrifttum im einzelnen studiert, um es zu 30 Sciten mit Literatur-Nachträgen aus der Zeit von 1971 bis

^kämpfen. So brachte die jüdische Polemik wieder und wie- W77 vernichrt_ die in den Text _ leider auch in das Register -

°er Argumente vor, die durch innerchristliche scholastische nicht eingearbeitet wurden, ein Zeichen dessen, daß die 1973

Diskussion längst entkräftet waren. Die Debatten fanden also jn erstaunlicher Wcise bewältigte Arbeit schon heute kaum

" cm auf höchstem wissenschaftlichem Niveau statt, sondern nQch zu leisten sdn dürfte
diu der Ebene der Mission Juden griffen die christlichen . , ,. . ., . . . . .

Lpu,.„ , ,. ., ...... ... . .. . ... Auch die andere Absicht, klare Entscheidungen in strittigen

**<-nien auf, die ihnen zwangsläufig bei den verbreiteten Christ- . , , ~ V . . .

lirh„~ <• _ . , , . , . ... . . . Fallen zu tieften, wird von Kümmel durchgehend verwirklicht.

"uicn Versuchen, luden zu bekehren, begegneten. Nicht aka- . , . , ». . „„ ° , , _ ..

d(>„,;„ . _ . . _ ,. t . ... ^- , Stets erfahrt man, welche Meinung Kümmel aus welchen Grun

"«miSCnes Interesse, sondern Selbstverteidigung mit dem Ziel , ... . ... ..... , . _■ ..... . „ .

Qpc , , . „ . ,.. , . , . • ... t. den für richtig halt und warum in Einzelfallen seiner Meinung

Uberlebens war der Grund für Juden, auf christliche . . . «__ ____ ,_, . , '

iPi„,„ t , „,,-,■ ~ ; '. .. nach „keine einigermaßen sichere Antwort gegeben werden

«füren zu antworten. So blieb in diesen Debatten die Philoso- . „ , 3 .. . „. , .. ^ZZ. .

nv,:„ t . ., e _. . . . . , kann . Dem Leser wird also Klarheit verschafft. Dann hegt

kuic trotz ihrer großen Bedeutung nur eine unter anderen . , .. . . _ , ...

Waffen aber auch die Problematik, ia die Schwache dieser - nicht nur

r>: . . ■ . . r L dieser - Einleitung.

u'e zahlreichen Anmerkungen - fast ein Drittel des Buches .

»•"fassend - enthalten viele ausführliche Zitate aus latein. , M,t der Literatur zu E.nle.tungsfragen, die ins Unubersch

s*en. besonders aber hebräischen und arabischen Werken in bare gewachsen ist, haben sich auch die methodischen und

den Originalsprachen, was um so verdienstlicher ist, als diese sachlichen Gesichtspunkte, die Beobachtungen, Argumente.

Literatur teilweise schwer zugänglich sein dürfte. Eine reich- Problemstellungen und Losungsversuche von Jahrzehnt zu

^Itige Bibliographie sowie Register vervollständigen dieses Jahrzehnt vermehrt. Und was schon immer galt, gilt heute erst
für jeden Theologen und Historiker interessante und wichtige E.nleitungswissenschaft und Auslegung bilden einen un-

Buch losbaren Zirkel. Welcher Forscher konnte aber heute noch

T-,. ...... diesen Zirkel bei allen Schriften des Neuen Testaments selb-

1 «omgen Reinhold Mayer_____ , .

standig und hinreichend schlagen? Und wenn er es kann: wer
könnte dem Leser seiner Einleitung darüber gründlich und
umfassend argumentierend Auskunft geben? Es ist bewunderns
wert, was Kümmel auf 491 Seiten Text nicht nur an Information
, sondern auch an Argumenten und Gegenargumenten

k,- bringt. Aber eine echte Diskussion anhand der jeweiligen Texte

ummel, Werner Georg: Einleitung in das Neue Testament. kann vcrständlicherweise nur partiell Zustandekommen; oft

»H vWcT^TnM i. n,: yet' überwiegt deshalb der Eindruck einer Zensurierung. Welchen

'«8. XIX, 580 S. 8 . Kart. DM 48,-. „. ... .... . „ „ ,

Wert die angeführten Grunde und Gegengrunde und welches

'963 erschien dic Neubearbeitung der .Einleitung in das sachliche Gewicht die entsprechenden Entscheidungen haben.

N°ue Testament' von Feine (seit "1936 von Feine Bchm) durch vermag oft nur zu ermessen, wer sich in jener Diskussion

Neues Testament