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Ausgabe:

1981

Spalte:

91-92

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Glaube und Leben im Judentum 1981

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

92

Schökel, L A., A. Strus: Salmo 122: Canto al nombre de Jerusalem
(Biblöl, 1980 S. 234-250).

Seters, J. van: The Religion of the Patriarchs in Genesis
(Bibl 61, 1980 S. 220-233).

Stendebach, Franz Josef: Gerechtigkeit als Treue (BiKi 34,
1979 S. 79-85).

Stolz, Fritz: Einsicht und Erfolg - ein Element alttestament-
licher Königsideologie. Zum normativen Stellenwert eines
biblischen Themas (ThGl 69, 1979 S. 343-356).

Vogels, Walter: II n'y aura plus de prophete! (NRTh 101, 1979
S. 844-859).

Weimar, Peter: Zur Freiheit geschaffen. Aspekte des alttesta-
mentlichen Freiheitsverständnisses (BiKi 34, 1979 S. 86-90).

Judaica

Fohrer, Georg i Glaube und Leben im Judentum. Heidelberg:
Quelle & Meyer 1979. 173 S. kl. 8° = UTB 885. Kart. DM 18,80.

Das Büchlein, das aus Vorlesungen entstanden ist, die an
der Universität Erlangen-Nürnberg gehalten worden sind, informiert
in gedrängter und faßlicher Form über das Judentum
unserer Zeit. Da es an Kenntnissen hierüber im deutschen
Sprachraum weitgehend mangelt, aber ein wachsendes Bedürfnis
danach besteht, das von vergleichbaren Publikationen aus
den zwanziger und dreißiger Jahren nicht befriedigt werden
kann, weil diese vergriffen sind, füllt eine am Selbstverständnis
des heutigen Judentums orientierte Darstellung, wie sie
F. bietet, eine Lücke auf dem Büchermarkt.

F. setzt mit dem ein, was für das Judentum konstitutiv ist:
dem Bekenntnis zu dem einen Gott und der Verbindlichkeit
der Thora. Was beides für den frommen Juden bedeutet, wird
an jüdischen Selbstzeugnissen aufgezeigt und von der biblischen
Grundlage aus entfaltet. Darauf wird die Weiterführung
der mit der Thora gegebenen Tradition durch die Rabbi nen
erläutert. Knapp wird auf die Entstehung von Mischna und
palästinischem Talmud und etwas verkürzt auf die des babylonischen
Talmuds eingegangen; schließlich auch auf die Ausgestaltung
der rabbinischen Lehre im Mittelalter durch den
Schulchan Aruch.

Das erste Kapitel schließt mit einem Exkurs über das jüdische
Jahr. Hier scheint dem Rez. die Herleitung der unterschiedlichen
Jahresbeginne aus einer voneinander abweichenden
Praxis des Nordreiches Israel (Frühjahr) und des Südstaates
Juda (Herbst) fragwürdig. Autochthon palästinensisch
dürfte wegen des dann erfolgenden Vegetationseinschnittes
der Jahresbeginn im Herbst sein, während der Jahresbeginn
im Frühjahr beiden Teilreichen von den mesopotamischen
Großmächten aufgezwungen sein dürfte, die Bcwässerungs-
kulturen mit Vegetationseinschnitt im Frühjahr hatten.

Kap. 2 führt in den jüdischen Gottesdienst ein, seine Gesänge
und Gebete sowie die Gebete, die jeder fromme Jude täglich
verrichtet. Ins einzelne gehen dann die Kap. 3 bis 6, welche
die jüdischen Feiertage behandeln: den Sabbat, die Hauptoder
Wallfahrtsfeste (Passa, Wochenfest, Laubhütten), die
Hohen Feiertage (Neujahr und Versöhnungstag) sowie weitere
Feste (besonders Chanukka und Purim). Immer wird die biblische
bzw. geschichtliche Grundlage genannt, und dann wird
auf den Vollzug der Feier eingegangen. Dabei wird erfreulich
viel an Gebets- und Liedertexten geboten, zumeist in Anlehnung
an oder in wörtlicher Wiedergabe von E. Schubert-
Christaller, Der Gottesdienst der Synagoge, Gießen 1927. Auf
diese Weise wird ein lebendiger Eindruck vermittelt.. Ein Hinweis
darauf, daß das Gebets- und Liedgut des Judentums nicht
einheitlich ist, sondern vielgestaltig und daß die Textauswahl
sich an einem bestimmten Zweig des deutschen Judentums
orientiert, wäre dienlich gewesen. Zu fragen ist, ob Übertragungen
aus den zwanziger Jahren, die noch vorwiegend vom
Endreim geprägt waren, unserem Zeitgeschmack entsprechen.
Vorzuziehen wären m. E Übertragungen, die vor allem den
Sinn voll wiederzugeben suchen und dann erst Elemente poetischer
Form einbringen, wobei nicht an Endreim, sondern an
Rhythmus zu denken wäre, der dem deutschen Sprachduktus
und nicht dem der hebräischen Vorlage zu folgen hätte. Eine
kurze Einführung wie die von F. mußte auf Vorhandenes zurückgreifen
; aber hier liegt m. E. eine wichtige Aufgabe der
Zukunft.

Kap. 7 behandelt die religiösen Bräuche im Alltag, Kap. 8
die Glaubenslehren, in Form einer knappen Auslegung der
„Dreizehn Glaubensartikel" des Maimonides, Kap. 9 bringt
einiges über die Ethik, in Anlehnung an M. Friedländer, Die
jüdische Religion, 1936. Abgeschlossen wird (Kap. 10) mit einer
Hervorhebung von Lobpreis, Heiligung und Freude als kennzeichnenden
Eigenarten jüdischen Glaubens und Lebens.

F.s Buch ist straffer angelegt als die gleichfalls gut informierende
Darstellung von Leo Prijs, Die jüdische Religion.
Eine Einführung, München 1977 (vgl. ThLZ 104, 1979 Sp. 574 f)
und bringt vor allem mehr über den jüdischen Gottesdienst
als jene. Es leistet gerade hierin einen guten Dienst der Vermittlung
von Kenntnissen.

Berlin Ludwig Wächter

Lasker, Daniel J.: Jewish Philosophical Polemics against Chri-
stianity in the Middle Ages. New York: KTAV Publ. House
1977. XI, 286 S. gr. 8° Lw. $ 17,50.

Dem vorliegenden Werk über die jüdisch-christliche Polemik
des Mittelalters liegt die Dissertation des Vf. zugrunde. Der
jüdische Gelehrte zeigt sich wohlbewandert in der theologischen
Diskussion der drei monotheistischen Religionen sowie
in der mittelalterlichen Philosophie.

Die Einführung gibt einen Überblick über die Themen und
Methoden der antichristlichen jüdischen Polemik des Mittelalters
, die exegetische, historische und rationale Argumente
benützte. Besonders wichtig ist die Exegese, die sich vor allem
auf Texte der hebräischen Bibel stützt, wobei durch die jüdischwörtliche
Auslegung einerseits und die christlich-übertragene
Interpretation andererseits Gegensätzlichkeiten entstehen. Auch
Neues Testament und Talmud werden herangezogen, bei welch
letzteren Juden übertragen, Christen aber wörtlich auslegen.
Historische Argumente wenden sich in der Hauptsache gegen
die christliche These, das Elend der Juden sei die Strafe für
die Kreuzigung Christi; Gott habe sie deshalb verworfen. Die
rationalen Argumente teilen sich in solche des gesunden Menschenverstandes
und solche der Philosophie, die eine gemeinsame
Basis für alle Gelehrten des Mittelalters bildete, welcher
Religion sie auch angehörten.

Im zweiten Kapitel beschreibt Vf. die Quellen, die er bearbeitet
hat, teils gedruckte Schriften, teils Manuskripte: eine
erstaunliche Fülle von Literatur in hebräischer, lateinischer
und arabischer Sprache ist aus den jüdisch-christlichen Streitgesprächen
hervorgegangen. Der Autor beschreibt 41 Hauptwerke
, die er nach ihren Methoden einteilt: Bibelexegesc,
Interpretation rabbinischer Literatur, Angriffe aufs Christentum
, Vergleich christlicher Dogmen mit dem Neuen Testament,
Angriffe auf Glaubensartikel, Vergleich des Christentums mit
den Grundlagen der Philosophie. Die literarischen Formen
sind unterschiedlich: Dialog, exegetischer Traktat, Gedicht,
Brief, Parodie. Polemisches Material findet sich aber gelegentlich
auch in sonstigen Werken wie Bibelkommentaren, mystischer
Literatur, Dichtung und Liturgie, auch in Chroniken.
Gesetzeswerken und philosophischen Abhandlungen. Die christlich
-polemische Literatur mit ähnlichen Formen kennt vor
allem auch die Spiele mit ihrer besonders beim einfachen Volk
wirksamen Art. Auch sonst konnten Christen viel offener gegen
das Judentum polemisieren als die Juden, da jene keine Zensur
zu fürchten hatten. Ein wesentlicher Unterschied in der Sache
besteht darin, daß das Judentum für Christen ein theologisches
Problem darstellt, und sie es deswegen innerhalb ihrer Theologie
thematisieren mußten, während für Juden das Christentum
keine theologische Relevanz besitzt.

Das dritte Kapitel handelt über die Art, wie die Vernunft
in den „Religionsgesprächen" gebraucht worden ist. Philoso-