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Ausgabe:

1981

Spalte:

86-87

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hermisson, Hans-Jürgen

Titel/Untertitel:

Glauben 1981

Rezensent:

Huber, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 2

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Lich/Hcssen Hans-Werner Bartsch

hier einer Arbeit von Arnold Mayer: Das Rätsel des Jakobus- mentierfeld hätte mehr Sinn, wenn die methodologischen Präbriefes
, 1930, der den Brief auf ein älteres Werk eines Juden zisicrungen klarer erkennbar würden.

zurückführt, der in dem Brief nach der Methode der „Ono- Der wichtigste Teil des Buches liegt zweifellos im Schluß-
mastic" aus den Namen von Jakob und seiner Familie ethische kapitel, das eine Fülle von schon vorliegenden Beziehungen
Weisungen zog, z. B. "Simcon's namc was popularly derived zwischen den beiden thematisierten Bereichen deutlich macht,
from the Hcbrew word mcaning 'to hear' (shamah). . . . Thcre- wie vor allem die Arbeiten von Ricocur und die Auseinander
forc our author speaks in 1,19-25 about 'quick to hear bul Setzungen mit ihm erkennen lassen: Der Kompetenzbegrifl
slow to anger', that is learn listening from Simeon but do not kann die strukturalc Analyse zu einer Phänomenologie des
follow him in his anger" (423). Es ist sehr fraglich, ob damit Lesers machen, wenn Poetik zur Kompetenzprüfung dessen
etwas für das Verständnis des Briefes gewonnen ist. M. Dibe- wird, wie jemand fähig wird, einem literarischen Text zu ant-
'ius' Kommentar von 1920 findet auch im Literaturverzeichnis Worten und vor allem dessen, wie gut jemand antwortet (179).
keine Erwähnung. Die Phänomenologie kann dem Strukturalismus helfen, aus
Das Buch bietet uns so ein Bild von den Stärken und seiner unfruchtbaren Verhaftung an die Paradigmen der „lan
Schwächen der Theologie in den USA. guc" - bei weitgehendem Ausschluß der „parolc" - herauszukommen
und zu einer wirklichen Strukturanalyse von Texten
zu werden (180f). Denn ein Text als solcher ist immer parolc
und nie languc. Aus einem solchen Zusammenspiel ergeben sich
sicher Fortschritte: So stimmt wohl die Kritik an Marin (ThLZ
Detweiler, Robert: Story, Sign and Seif. Phenomcnology and 103, 1978 Sp. 583 f) als einer „wilden Exegese". Aber die Gründe
Structuralism as Literary Critical Methods. Philadelphia, Pa.: dafür liegen doch tiefer: P. Ricoeur hat Marin als eine Spiel
Fortress Press; Missoula, Montana: Scholars Press 1978. IX, art der „substitutiven Hermeneutik" kritisiert (Biblical Herme-
224 S. 8° = Semcia Supplements, 6. S 5,95. neutics, Scmeia 4, 1975, 29-148). Diese ist leider weit verbreitet
und reicht bis in die Bibelübersetzungen und jede einzelne
Der Literaturwisscnschaftlcr in Atlanta (Georgia), aufge- semantische Präzisierung, sei es, daß man die Ausdrücke bewachsen
in der Literaturtheorie des New Criticism, wendet yjfa abcr dic Bedeutung wechselt, sei es, daß die Exegeten
sich den dominierenden westeuropäischen Denkmethoden zu, semantisch von den ihn geläufigen Übersetzungen und Fröm-
«m m herkömmlicher systematischer Weise beide zunächst in migkeitstraditionen abhängig bleiben, sei es, daß „Wirkungs-
■nien Grunddefinitionen nebeneinander zu stellen (7-30. Basic geschichtc" und „Horizontverschmclzung" zum Programm wer-
^-oneepts of Phenomcnology and Structuralism), ihre jeweilige dcn Man kam) undisziplinierte Intuition anderswo nur dann
Anwcndung auf die Literaturwissenschaft darzustellen (31 bis zu Rccht kritisieren, wenn man entschieden gegen den Mangel
102, Phcnomenological Literary Criticism; 103-164, Structura an scmantischer Methodik angeht und wachsam gegenüber
»st Literary Criticism), um schließlich die Möglichkeiten einer dcn eingeschliffcnen pseudosemantischen Prozessen bleibt,
stärkeren Vermittlung zwischen beiden zu erkunden (165-218, Dcr vf hat cjnc Materialsammlung als Arbeitsbuch vorge-
fossibilitics of Reconciliation). Der abschließende gemischte legt/ um Theoiogen mit Nichttheologen und vor allem die
index ersetzt als Pcrsonalindcx das Literaturverzeichnis und phänomenologen unter ihnen mit den Strukturalisten unter
9'bt als Sachindex dic Möglichkeit, die Ausfuhrungen zur struk- ihnen ins Gcsprach zu bringcn. Damit es dabei nicht zu einer
turalistischen Terminologie zusammenzusehen. „Heiligen Allianz" kommt, werden auch die Empiristen nicht

Das einleitende Referat der phänomenologischen Grundbe- aus dicsem Gespräch aussteigen,
griffe geht von den Husserlschen Kategorien aus und zeigt

ihre jeweils differenzierenden Weiterentwicklungen. Es bleibt Berlin Wolfgang Schenk
aber bei dem lcxikalisierendcn Verfahren, so daß methodisch
ein entsprechender Überblick wie bei J. M. Bochchski, Dic zeit-

Senössischen Denkmethoden (1954), 22-36 instruktiver bleibt. Hermjsson Hans-Jürgen, u. Eduard Lohse: Glauben. Stuttgart-

ei treter einer entsprechenden Literaturtheorie werden dann Berlin-Köln-Mainz:' Kohlhammer 1978. 140 S. kl. 8° = Kohl-

°n R. Ingardcn und M. Merlcau-Ponty bis H. G. Gadamer hammer Taschenbücher. 1005. Biblische Konfrontationen.
und p. Ricocur vorgestellt (31-48), wobei wieder die Methode Kart. DM 10,-.
<'Cr kleinen instruktiven Summarien angewendet ist. Angeschlossen
ist eine illustrierende Matcrialsammlung, dic zehn Die Reihe „Konfrontationen" zielt auf Gegenüberstellungen
Bcispicltcxte, je zur Hälfte religiösen und zur Hälfte säkularen in mehrfachem Sinn i Probleme gegenwärtigen Lebens und Han-
Inhalts darbietet (49-93, weitgespannt von Bultmanns „Der dclns und dic biblische Botschaft, das Zeugnis des Alten und
Mensch zwischen den Zeiten nach dem Neuen Testament" bis des Neuen Testaments, dic unterschiedlichen Auskünfte der
Hailiburtons E. A. Poe-Interpretation). verschiedenen biblischen Schriftsteller sollen einander gegen-
Parallcl strukturiert ist dic entsprechende Darbietung des übcrgestellt werden. Im vorliegenden Band wird dieses an-
j^atcrials zum Strukturalismus. „Das Anliegen des Struktura- spruchsvolle Programm an einer zentralen Problemstellung,

ismus - im Unterschied zur Phänomenologie - besteht nicht nämlich an der Frage nach dem biblischen Verständnis von

darin, aufzudecken, wie das Bewußtsein ein System von Sein „Glauben", durchgeführt. Entstanden ist ein flüssig und ein«

und Bedeutung formt, sondern wie ein System das Sein und leuchtend geschriebener Überblick über das Glaubensvcrständ

lc Bedeutung des Bewußtseins formt. . . Bewußtsein rückt im nis in den verschiedenen biblischen Schriftengruppen.

*~Ukturalen Denken an die Peripherie und existiert nur als Der alttcstamcntliche Teil gliedert sich in drei Abschnitte:

c'n Phänomen unter anderen, das gestallet und verändert Erzählungen vom Glauben; Israels Klagen und die Bewährung

Verden kann. Nur das eine System der Sprache liegt allen des Glaubens; Glaube der Propheten (an den Beispielen Jesaja

anderen zugrunde" (17). Die Auflistung für den „Strukturalis- und Deuterojesaja). Dic Gliederung des alttcstamcntlichen Ka-

in der Literaturwissenschaft" (103-124) entspricht etwa nons wird also aufgenommen; die Differenzen zwischen den

Crn Überblick, den ein deutschsprachiger Leser bei H. Gallas verschiedenen alttcstamcntlichen Schriftengruppen kommen

( n : H. L. Arnold - V. Sincmus (Hrsg.], Literaturwissenschaft, ebenso zur Geltung wie die Übereinstimmung darin, daß Glau-

*3, 374-387) nachlesen kann. Die zehn nachgeordneten Bei ben das Vertrauen auf den handelnden und redenden Gott

P'clsummarien (u. a. R. Barthcs' Analyse vom Jakobskampf, meint, das sich auch seinerseits zu artikulieren vermag.

Starobinskis Analyse vom Gcrasenischcn Besessenen, M.Ca Der neutestamentliche Teil geht vom Bekenntnis der ältesten

Sa''s' Analyse von Schöpfung und Sintflut und L. Marins ein- Christenheit zum gekreuzigten und auferstandenen Christus

■ nlugicje Arbeiten) lassen eine noch größere und unabgeklärtere aus. Daran schließen sich Abschnitte über die synoptischen

■eubreite erkennen, die nur durch sehr allgemeine Prinzipien Evangelien, dic Paulus-Briefe, die nachpaulinischen Briefe und

!*nci deren sehr unterschiedliche Anwendungen zusammenge die johanncischen Schriften an. Trotz aller Varianten im ein-

'ten werden. Der weite Weg von den Prinzipien zu den zclnen ist das Glaubensverständnis des Neuen Testaments auf

cthodcn wird kaum durchleuchtet. Das vorgeführte Expcri- eine gemeinsame Mitte bezogen: den Anruf des Evangeliums