Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1981

Spalte:

895-896

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Kottje, Raymund

Titel/Untertitel:

Die Bussbuecher Halitgars von Cambrai und des Hrabanus Maurus 1981

Rezensent:

Haendler, Gert

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

895

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 12

896

Weltmonarchie und des Marsilius von Padua Lehre von der Volkssouveränität
.

Daß Ockham in Paris bei Duns Scotus studierte (138), gehört zu
den Irrtümern der älteren Ockhamdarstellung. Eine Verwechslung
liegt vor, wo die Transsubstantiation als „Auferstehung des Fleisches
" erläutert wird (69). Kann es als „beginnende Kapitalisierung"
angesehen werden (70), daß es möglich wird, ein Kreuzzugsgelübde
dadurch einzulösen, daß ein anderer für einen Kreuzzug ausgerüstet
wird? Die Redemption, d. h. die Erfüllung einer Bußstrafe durch eine
Ersatzleistung oder auch durch eine Ersatzperson, hat ihren Ursprung
im germanischen Heidentum und ist schon seit dem 6. Jh. in den
Bußbüchern zu finden. Die Redemption mittels Geld wurde stellenweise
seit dem 9. Jh. anerkannt.

Diese Anfragen und Einwände sollen auf keinen Fall übersehen
lassen, daß dieses mit bibliographischen Hinweisen versehene und
durch ein Register - das Personen, Orte und Sachen enthält - erschlossene
Taschenbuch eine empfehlenswerte Übersicht über die
deutsche Geschichte vom 13. bis zum 15. Jh. bietet.

Leipzig Helmar Junghans

Kottje, Raymund: Die Bußbücher Halitgars von Cambrai und des
Hrabanus Maurus. Ihre Überlieferung und ihre Quellen. Berlin -
New York: de Gruyter 1980. XIX, 297 S. gr.8' = Beiträge zur Geschichte
und Quellenkunde des Mittelalters, N. F. 8. Lw.
DM 148,-.

Eine katholisch-theologische Habilitationsschrift (Bonn 1965) wird
in überarbeiteter Form vorgelegt. Bußbücher gab es in der keltischen
Kirche des 6.-8. Jh. in verschiedenen Fassungen, einzelne Sünden
wurden unterschiedlich beurteilt. An solcher Vielfalt stieß sich die
kirchliche Reformbewegung im Reich Ludwigs des Frommen. Das
Pariser Konzil 829 verlangte die Verbrennung der bisherigen Bußbücher
. Neue Bußbücher sollten sich auf das alte Kirchenrecht stützen
können. Solche neuen Bußbücher waren die des Halitgar von
Cambrai und des Hrabanus Maurus. Bischof Halitgar war bei den
Pariser Beratungen über die Bilderfrage 825 dabei und reiste 828 als
fränkischer Gesandter nach Byzanz. Halitgar wurde von seinem Erz-
bischof Ebo von Reims mit der Abfassung eines neuen Bußbuches
beauftragt. Er legte ein Werk in 6 Büchern vor; das letzte Buch bezeichnete
er als „Paenitentiale Romanum", das aus einem römischen
Archiv stamme. Halitgar will möglichst viele Sünden erfassen, zumal
das 6. Buch bietet „in 105 Kapiteln eine katalogartige, teilweise systematisch
geordnete Zusammenstellung einer Vielzahl von Sünden und
der jeweils aufzuerlegenden Buße" (8). Hrabanus Maurus verfaßte
eine Schrift zum Thema Buße 841 /42 als Abt von Fulda, weil Erz-
bischof Otgar von Mainz ihm einige Fragen vorgelegt hatte. Als Erz-
bischof von Mainz hielt Hrabanus Maurus 847 eine Synode ab, die
die Verwerfung der bisherigen Bußbücher bestätigte. 853 schrieb er
seine zweite Arbeit, die auf Fragen eines Bischofs zur Bußpraxis eingeht
. Beide Schriften des Hrabanus gehen nur auf die speziellen Fragen
der Briefschreiber ein, wollen also kein umfassendes Bußbuch
sein. Doch findet sich schon in der handschriftlichen Überlieferung
der Begriff „Paenitentiale". Leider fehlen kritische Editionen, man ist
überwiegend auf Migne angewiesen (Halitgar PL 105, Hraban PL 110
und 112).

Kottje geht zwei Fragen nach. Er untersucht zunächst den Einfluß
der neuen Bußbücher. Halitgars Bußbuch erreichte eine größere Verbreitung
als die Bücher des berühmteren Hrabanus. Doch war Halitgars
Werk fast nur im Nordosten verbreitet. Vermutlich hat sich Erz-
bischof Ebo von Reims für die Verbreitung des von ihm angeregten
Werkes eingesetzt (250). Die Bußbücher des Hrabanus sind „wohl
nicht in weiten Bereichen benutzt worden" (252). Diesen nüchternen
Ergebnissen liegen umfassende Untersuchungen zugrunde über die
Handschriften, handschriftliche Überlieferungsgruppen, bisherige

Ausgaben und den ursprünglichen Textumfang. Die zweite gilt den
benutzten Quellen. Greifen die neuen Bußbücher „tatsächlich nur
auf die alt- und gemeinkirchliche Tradition zurück? Oder haben sie
noch aus anderen Quellen geschöpft" (10)? K. führt zu der Erkenntnis
, daß ganz überwiegend aus altkirchlicher Tradition geschöpft
wurde. Nur das spätere Werk des Hrabanus bietet auch „Texte aus
jüngeren Konzilsbeschlüssen und aus einigen der bekämpften Büßbücher
: aus den unter dem Namen Erzbischof Theodors von Canter-
bury und Erzbischof Egberts von York überlieferten Bußtarifsammlungen
und aus dem fränkischen Paenitentiale Martenianum" (253).
Überhaupt läßt sich eine erhebliche Eigenständigkeit des Hrabanus
auch durch eine Untersuchung seiner Bußbücher zeigen. Es wird
deutlich, „welch bemerkenswertes und in Rechtssammlungen wohl
einzig dastehendes Gewicht Hraban der Hl. Schrift selbst in Rechtsfragen
einräumte; gerade in einigen Fragen, zu denen er unabhängig
von den Rechtsquellen Stellung nahm, war sie für ihn maßgebende
Autorität. Noch auf dem Gebiet des Rechtes ist somit der große
Schrifterklärer nicht zu verkennen" (253). K. polemisiert gegen das
frühere Urteil, Hraban sei ein „öder Kompilator" gewesen. Zwar bestehen
Hrabans Werke weithin aus Zusammenstellungen älterer
Quellenstücke, aber er „wählt sie so aus und stellt sie so zusammen,
daß sie seinem Denken und Urteilen Ausdruck verleihen" (254).

Textbeilagen (255-82) und Register (283-97) können zur Weiterarbeit
anregen, auch wenn man den Eindruck hat, als sei durch K. ein
für längere Zeit abschließendes Werk vorgelegt worden.

Rostock Gert Haendler

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Rublack, Hans-Christoph: Gescheiterte Reformation. Frühreformatorische
und protestantische Bewegungen in süd- und westdeutschen
geistlichen Residenzen. Stuttgart: Klett-Cotta 1978. VI,
290 S. gr.8° = Spätmittelalter und Frühe Neuzeit, 4. Lw. DM 88,-.

Durch das Teilprojekt „Stadt in Spätmittelalter und Reformation"
im Tübinger Sonderforschungsbereich 8 (Spätmittelalter und Reformation
) soll vor allem der Anteil von nichttheologischen Faktoren
am Fortgang oder Scheitern der reformatorischen Bewegung erfaßt
und beschrieben werden. Untersuchunsgegenstand sind vorwiegend
süddeutsche Städte mit der spätmittelalterlichen Kirchenpolitik ihrer
Magistrate, ihrer sozialen Schichtung und dem Verlauf ihrer reformatorischen
Bewegung. Rublack (=R.) ist am Tübinger Teilprojekt maßgeblich
beteiligt. Seine Forschungsergebnisse über die gescheiterte
Reformation in süd- und westdeutschen geistlichen Residenzen, die
er in knapper Form z. T. bereits 1977 auf der Reinhäuser Tagung
über „Stadt und Kirche im 16. Jahrhundert" (hrsg. von B. Moeller.
Gütersloh 1978, 109-124) vorgetragen hatte, legt er nun in einer
weithin aus den Quellen gearbeiteten Monographie vor.

Auf Grund der Bedeutung und eigener archivalischer Forschung
untersucht R. im umfangreichsten I. Teil Würzburg. Die städtische
Autonomiebewegung hatte bereits 1400 die entscheidende Niederlage
erlitten. Einer eigenständigen Kirchenpolitik waren daher schon
verfassungsrechtlich enge Grenzen gesetzt. In der sozialen Distanz
des gemeinen Mannes zum Rat existierte ein Spannungspotential.
Die Verbindung von Humanismus und Reform läßt sich nur in Einzelfällen
nachweisen (Domprediger J. Reyß). Die reformatorischen
Prediger P. Speratus und J. Poliander wichen ebenso wie andere reformatorisch
gesinnte Kleriker bald dem Widerstand des Domkapitels
. Gegen zölibatsbrüchige Stiftsherren ging der Fürstbischof schon
1523 mit Ausweisung vor. Da auch Konrad von Thüngen zu den Befürwortern
eines schärferen antilutherischen Kurses im Reich gehörte
, ging er konsequent gegen reformatorische Predigt und Druckschriftenverbreitung
vor. Wirkungslos blieben die bischöflichen Maß-