Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1981

Spalte:

889-892

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

The books of Jeu and the untitled text in the Bruce codex 1981

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

889

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 12

890

nicht entschieden genug zu begrüßen; und man darf die dringliche
Bitte äußern, daß es bald zu einer deutschen Übersetzung kommen
möge, damit dieses Werk im deutschen Sprachraum die breite Wirkung
findet, die ihm gebührt.

Lübeck Ulrich Wilckens

Schmidt, Carl [Ed.]: Pistis Sophia. Translation and Notes by V. Mac
Dermot. Leiden: Brill 1978. XX, 806 S. gr. 8' = The Coptic Gno-
stic Library. Nag Hammadi Studies, IX. Lw. hfl 224.-.

- : The Books of Jeu and the Untitled Text in the Bruce Codex.
Translation and Notes by V. MacDermot. Leiden: Brill 1978.
XXVI, 345 S. gr. 8' = Nag Hammadi Studies, XIII. Lw. hfl 120.-.

Ein ähnlich praktisches Arbeitsmittel für die Erschließung des Inhalts
der beiden berühmten „Askewianus" und „Brucianus" genannten
Codices, wie die deutsche Gnosisforschung es seit Jahrzehnten in
„Koptisch-Gnostische Schriften I" von Carl Schmidt besitzt (Kop-
tisch-Gnostische Schriften, Erster Band: Die Pistis Sophia - Die beiden
Bücher des Jeü - Unbekanntes altgnostisches Werk, hrsg. v.
C.Schmidt [GCS 45 (13)], 1905; 2. Aufl. bearb. v. W.Till, 1954;
3. Aufl. [nur wenig verändert], 1959; unveränderter Nachdruck der
3. Aufl., 1962; 4. Aufl. im Druck), gab es in einer anderen Sprache
nicht. Nachdem man das - besonders im englischsprachigen Bereich

- schon geraume Zeit als Mangel empfunden hatte, zumal die beiden
Codices ja in englischem Besitz sind, wurde erst jetzt das Desiderat
einer modernen englischen Übersetzung dieser schon lange bekannten
gnostischen Texte in koptischer Sprache so deutlich, daß man
energisch zur Abhilfe schritt, zu einer Zeit nämlich, da die Erschließ
ßung und Auswertung neugefundener gnostischer Texte in koptischer
Sprache - gemeint ist der Fund von Nag Hammadi - in vollem Gange
ist und der Rückbezug des Neuen auf das Alte ja naheliegt. In dieser
Perspektive ist es auch zu verstehen, daß das nun vorliegende zweibändige
Werk unmittelbar in das von James M. Robinson (Clare-
mont) geleitete Coptic Gnostic Library Project, das die englischsprachige
Gesamtausgabe des Nag Hammadi Fundes zum Gegenstand
hat, einbezogen wurde. Die englische Übersetzung (nebst den sachbezogenen
Querverweisen auf andere gnostische Quellen in den Anmerkungen
dazu) ist es, was wohl als Anlaß und Zentrum von V. Mac
Dermots Unternehmen anzusehen ist. Das ist eine notwendige Feststellung
, wenn wir unsere Aufgabe in erster Linie darin sehen, das
Werk unter den Maßstäben zu würdigen, nach denen es gewollt und
angelegt ist. Die Aufnahme auch des koptischen Textes würde sich
einem dann darstellen als eine sekundäre Erweiterung des Vorhabens,
von der man weiterhin mutmaßen könnte, daß sie nicht ohne Zusammenhang
mit einer entsprechenden Umprofilierung eines erheblichen
Teils des gesamten Coptic Gnostic Library Project zu sehen ist.
Damit übrigens, daß man nun in diesem Werk, wie es sich schließlich
entwickelt hat, den koptischen Text - so bequem Tür die Arbeit - der
Übersetzung gegenüberstehen sieht, ist es weit über den zunächst ins
Auge gefaßten englischsprachigen Interessentenkreis hinaus zu einer
echten Attraktion geworden.

Wer sich auf eine Bearbeitung der Texte der Codices Askewianus
und Brucianus einläßt, muß sich entscheiden, ob er Schmidt ersetzen
oder auf ihn bauen will. Ob die erste Seite der Alternative - bzw. in
welchem Maße sie - überhaupt möglich ist, kann hier zunächst dahingestellt
bleiben, zumal die Autorin sie sich für sich selbst nicht erwägt
, vielmehr geradewegs auf die zweite zusteuert, die sich allerdings
als auch gar nicht ohne Tücken erweist.

Die Übersetzung basiert auf den Textausgaben von Schmidt und
folgt auch seinen Übersetzungen, sowohl - durchweg - in der Gliederung
, als auch - gewöhnlich - im Textverständnis. Wiewohl also
nicht etwa eine englische Übersetzung der deutschen Übersetzung
von Schmidt repräsentierend, sondern wirklich eine Übersetzung aus
dem Koptischen, stellt sie doch (erklärtermaßen) so etwas wie eine
englische Adaption von Schmidt dar. Gelegentliche Abweichungen

vom Textverständnis Schmidts (bzw. Tills; im Falle von UAW
kommt noch Baynes hinzu) verspricht die Autorin in den Anmerkungen
kenntlich zu machen, was auch geschieht, wo sie selbst solche bemerkt
. Damit sind wir schon bei dem Problem unbeabsichtigter Verschiebungen
des Textverständnisses durch das Medium einer dritten
Sprache, aber - das ist ein weites Feld. Man kann z. B. fragen, ob die
Umformung in die vom englischen Stil geforderten kürzeren Sätze,
was manchen koptischen Circumstantialis in einen Hauptsatz verwandelt
, nicht doch hin und wieder den Sinn tangiert. Daß andererseits
bei gelegentlichen eigenen (nicht, wie es bei den meisten der Fall
ist, von Till herrührenden) Abweichungen sich auch Kuriosa einschleichen
können, dafür sei - als auffälligstes Beispiel - auf PS 70,13
hingewiesen. Allgemein problematisch ist in den Anmerkungen zur
Übersetzung der zu weite und oft geradezu sinnwidrige Gebrauch der
Kategorie „wörtlich" („Üt."), der bis zur ungewollten Entlarvung eigener
Schnitzer reicht (z. B. Ps 95; 231'; J 129'). Um - angesichts des
auf der gegenüberliegenden Seite ja gebotenen koptischen Textes -
unrationelle Doppelheiten zu vermeiden, wird in der Übersetzung
auf griechische Wörter, die im koptischen Text gebraucht sind, in der
Regel nur durch Kursivdruck ihrer englischen Äquivalente hingewiesen
, werden auch die Zauberworte (im koptischen Text durch Unterstreichungen
sekundär hervorgehoben) und Zauberfiguren des Codex
Brucianus nur durch Punkte wiedergegeben bzw. ausgelassen. Die
Verteilung der Übersetzung auf die Druckseiten richtet sich so genau
wie möglich nach dem koptischen Text auf der gegenüberliegenden
Seite.

Dieser koptische Text ist eine leicht retuschierte fotomechanische
Reproduktion der Schmidtschen Textausgaben (und zwar mitsamt
ihrer originalen Seitenzahlen, die dann neu auch rechts über die
Übersetzung gesetzt sind), also für Askewianus von Coptica II (1925),
für Brucianus von TU VIII, 1/2 (1892). Abgesehen von punktuellen
Verbesserungen der Lesungen (nach Schmidts eigenen Angaben in
den Nachträgen: Coptica II, 453-456 bzw. TU VIII, 1/2, 690-692)
betreffen die Retuschen die Tilgung der in Coptica II am Rand angegebenen
Seitenzahlen der Ausgabe von Schwartze-Petermann (ohne
daß - unglücklicherweise - die damit zusammengehörenden kleinen
hochgestellten senkrechten Striche im Text, die die genaue Zäsur der
Seiten bei Schwartze-Petermann angeben, mitgetilgt worden wären)
bzw. in TU VIII, 1/2 die Tilgung der Angaben mit der älteren Zählung
der Codexseiten des Brucianus und der vielen Indexzahlen, die
einst auf die Anmerkungen des Apparats verwiesen hatten, (wodurch
sich gewisse freie Räume bzw. Unregelmäßigkeiten des jetzigen
Schriftbildes erklären). Im Apparat der Textausgaben beruhen nur
die koptischen Bestandteile ebenfalls auf fotomechanischer Wiedergabe
der betreffenden Stücke des ursprünglichen Apparats (bzw. der
Nachträge). Sonst ist umgestaltet worden, einmal durch Weglassung
der Schmidtschen Verweise auf die Lesungen seiner Vorgänger (beim
Brucianus - weil sachlich unmöglich - nicht konsequent durchgeführt
), zum anderen durch Transformation der deutschen Nomenklatur
bei den übriggebliebenen Anmerkungen in eine Englische. Im System
ist bei der Umgestaltung der Apparat der Ausgabe des Brucianus
dem der Ausgabe des Askewianus angeglichen worden (nach Textzeilen
aufgebaut; entsprechend hat auch der koptische Text selbst nachträglich
Zeilenzählung erhalten).

Hinsichtlich der völlig neugestalteten Register hat die neue Ausgabe
des Askewianus gegenüber der alten verloren, die des Brucianus
gewonnen. Der erste Teil dieses Urteils stellt mit Bedauern fest, daß
das koptische Wortregister von Coptica II (403-447) nicht übernommen
oder adaptiert worden ist; der Grund des zweiten Teils liegt in
dem Umstand, daß die alte Ausgabe des Brucianus überhaupt kein
Register hatte. Auch der Inhalt und das Arrangement der Register
sind von dem Primat der Übersetzung bestimmt. Dabei bilden die ersten
beiden Teile eine reziproke Dublette ("Key to words of Greek
origin" und "Greek words"). Vom koptischen Wortbestand kommt
durch das Filter, durch das der nächste, sehr beschränkte Teil bestimmt
ist ("Selected words of Coptic origin"), nur wenig durch. Es