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Ausgabe:

1981

Spalte:

885-889

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Commentary on Romans IX - XVI and essays 1981

Rezensent:

Wilckens, Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 12

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daß sie eher als ein Kontrastbeispiel für die übrigen Texte zu gelten
hat. Ebenfalls als Kontrastbeispiele werden in einem Anhang die aramäischen
Inschriften Palästinas aus dem 3. bis 6. Jahrhundert n. Chr.
wiedergegeben (S. 251-275). Es handelt sich hauptsächlich um Synagogen
- und Grabinschriften. Die Herausgeber bieten keine kritische
Ausgabe der Texte. Sie verzichten daher gänzlich auf die Kennzeichnung
unsicherer Lesarten sowie auf textkritische Anmerkungen. Um
dennoch eine selbständige Weiterarbeit zu ermöglichen, geben sie
jeweils in einem gesonderten Teil (S. 189-250, zum Anhang
S. 277-303) eine kurze Beschreibung der einzelnen Texte mit Angabe
der Erstveröffentlichung sowie mit ausführlichen weiteren Literaturangaben
. Die Beschreibung der Texte ist durchweg sehr allgemein
gehalten, nur die Inschriften werden z. T. detaillierter erörtert. Der
Wortschatz wird durch je ein Glossar zu den Haupttexten und zum
Anhang erschlossen (S. 305-346,347-355). Bei beiden werden die Eigennamen
in einem gesonderten Teil zusammengefaßt. Es folgt noch
ein Sachregister, ein Register moderner Autoren sowie eine Konkordanz
der Texte in den einschlägigen Sammelwerken (S. 357-373).

Schon diese wenigen Bemerkungen dürften zur Genüge deutlich
machen, daß die beiden Herausgeber ein sehr brauchbares und sehr
erwünschtes Hilfsmittel geschaffen haben, um sich mit den bis jetzt
bekannten Texten dieses aramäischen Sprachzweiges näher zu befassen
. Auch ihren Grundsätzen hinsichtlich der Anlage des Buches und
der Behandlung der Texte ist durchweg zuzustimmen. Man könnte
höchstens fragen, ob nicht doch einige textkritische Anmerkungen
sinnvoll gewesen wären. Aber dies hätte die Druckkosten sicher erheblich
vergrößert, und es hätte natürlich auch nur eine sehr subjektive
Auswahl getroffen werden können. Lediglich bei den Glossaren
ist ein kleines Desiderat anzumelden. Die Darbietung der Verbformen
ist hier wenig übersichtlich. Die Herausgeber führen zwar alle
vorkommenden Formen mit Stellenangabe auf, geben aber nur sporadisch
die entsprechenden grammatischen Bezeichnungen, wie Stammesmodifikationen
oder Infinitive, an. Diese Bezeichnungen hätten
systematischer angegeben werden können. Dann wäre die Benutzung
der Glossare entschieden erleichtert worden. Sachliche Unklarheiten
entstehen dadurch freilich kaum, da die Übersetzung der Texte die
grammatische Bestimmung der Formen deutlich genug erkennen
läßt. So kann man den Herausgebern für die geleistete Arbeit nur
dankbar sein. Sie haben ein Standardwerk geschaffen, das keiner zusätzlichen
Empfehlung bedarf, und damit der Aramaistik insgesamt
einen wichtigen Dienst erwiesen.

Aur folgende Einzelheiten sei noch hingewiesen: Das Siglum ASH (vgl. nur
die Konkordanz. S. 367-373) wird in den Abkürzungsverzeichnissen (S. XV-
XIX) nicht aufgeführt. Das Wort pijt findet sich nicht im Glossar (51,14). Bei
i/r'(5l,2) differieren Übersetzung und Glossar. Warum erscheint das in den
Texten defektiv geschriebene Wort pr nw (53,2; 59,3) im Glossar in der Form
pwr'nwl Statt hdswn (60,4) ist kdspl zu lesen.

Leipzig Joachim Conrad

' Es fehlen die beiden Targumfragmente 4QtgLev und 4QtgJob aus DJD 6,
da dieser Band erst nach Abschluß des Manuskripts erschien. Die Veröffentlichung
von J. T. Milik, The Books of Enoch. Aramaic Fragments of Qumran
Cave 4, Oxford 1976, die ebenfalls erst nach Abschluß des Manuskripts erschien
, konnte nur noch teilweise berücksichtigt werden.

Neues Testament

Cranfield, C. E. B.: The Epistle to the Romans. A critical and exegeti-
cal Commentary. I: Introduction and Commentary on Romans
I—VIII. II: Commentary on Romans IX-XVI and Essays. Edinburgh
: Clark 1975/79. XXVII, IX, 927 S. 8' = The International
Critical Commentary on the Holy Scriptures of the Old and New
Testament. Lw. £ 8.50; Lw. £ 10.-.

Mit diesem zweibändigen Kommentar zum Römerbrief beginnt
eine neue ,Generation' des International Critical Commentary; und
ohne Zögern läßt sich sagen: Dieser neue Kommentar entspricht
nicht nur vollauf dem traditionell hohen Level des ICC, sondern er
übertrifft sogar seinen berühmten Vorgänger innerhalb dieser Reihe
(Sanday-Headlam) in mehrfacher Hinsicht und ist zweifellos überhaupt
der beste Kommentar zum Römerbrief in englischer Sprache.
Der Vf., einer der beiden Neutestamentier in Durham/England, hat
sein reiches Lebenswerk mit einem Meisterwerk der literarischen
Gattung eines großen wissenschaftlichen Bibelkommentars gekrönt.

Dieser Kommentar wird nicht nur dem Anspruch der Reihe gerecht
, im weitgespannten Rahmen der gegenwärtigen internationalen
Forschung und Diskussion einen markanten Beitrag zum Verständnis
dieses großen Paulusbriefes zu liefern; sondern sein besonderes Anliegen
ist zugleich, dem heutigen Leserden ganzen Reichtum der Exegese
aller Jahrhunderte zu erschließen. Auf Schritt und Tritt läßt er ihn
der exegetischen Weisheit eines Origenes, Johannes Chrysostomus,
Ambrosiaster, Augustinus, Pelagius, Thomas von Aquin, Luther,
Calvin, Bengel begegnen (um hier nur die von Cranfield besonders
gern und häufig Angeführten im Chor der zahllosen anderen zu nennen
); und zwar mit Bedacht so, daß die Beobachtungen und Urteile
dieser Großen der Vergangenheit ganz genauso ernstgenommen
werden wie die der modernen, .kritischen' Kollegen, unter denen
übrigens keine Stimme ein so großes Gewicht bekommt als die von
Karl Barth. Es ist ferner ein besonderer Vorzug dieses Kommentars,
daß die z. T. sehr verschiedenen Meinungen nicht nur mit Zustimmung
oder Ablehnung in den Fußnoten vermerkt, sondern im Kontext
der Exegese übersichtlich nebeneinandergestellt und sorgsam in
Pro und Contra erwogen werden, so daß der Leser das Urteil des Vf.
als das Ergebnis einer sorgsam und verantwortlich vorgeführten Teilnahme
an der wissenschaftlich-exegetischen Diskussion deutlich zu
erkennen vermag und zugleich vom Autor selbst instandgesetzt wird,
dessen Urteil wiederum seinerseits kritisch zu erwägen. Der Kommentar
erscheint so streckenweise als eine moderne Spielart der mittelalterlichen
quaestiones disputatae. Dabei scheut sich Cranfield in
keiner Weise davor, wenn nötig, erheblichen Raum für solche quae-
stionen-artigen Erörterungen in Anspruch zu nehmen; und er kann
dies unbesorgt tun, denn er weiß seinen Leser mit meisterhafter Beherrschung
eines ebenso leidenschaftlich sachlichen wie sprachlich
kultivierten modus dicendi wirklich zu fesseln, gleich ob es um Entscheidungen
von zentraler theologischer Bedeutung geht wie z. B. um
das Verständnis von öixaioovvt] tieoG in 1,17 (S. 91 -99), von tip' J> in
5,12 (S. 274-279), des äycö in 7,7ff (S. 340-347) und von tUa; vö/wv
in 10,4 (S. 515-520) oder auch um wichtige Entscheidungen im Detail
wie etwa zu 2,15f (S. 159-262), zu oii ndvrwi; in 3,9 (S. 187-191)
oder zußixpov niaxEWi 'm 12,3 (S. 613-616). Der Kommentar eignet
sich darum besonders auch für Anfänger im Theologiestudium, die er
in die wissenschaftliche Exegese einzuführen in der Lage ist wie kaum
ein anderer.

In philologischer Hinsicht ist dieser Kommentar in erfrischender
Weise konservativ: Der vorgegebene Text ist als solcher zu interpretieren
, und zwar als authentisch in seinem vollen Umfang einschließlich
16,25-27 beurteilt (S. 6.8.8080; es gibt weder Interpolationen
noch auch Glossen (vgl. besonders S. 368 zu 7,25b). Und im Blick auf
vorpaulinische Traditionsstücke im Text des Römerbriefs urteilt
Cranfield überaus vorsichtig und berücksichtigt auch dort, wo er
solche Hypothesen für gut begründet hält wie z. B. zu 1,3f (S. 57), bei
der Textinterpretation selbst eine Unterscheidung von Tradition und
.Redaktion' bewußt nicht. Dadurch geht freilich die historische Tiefendimension
, die gerade auch der so stark reflektierte Text des Römerbriefes
hat, bei der Interpretation weithin verloren.

Historische Aspekte interessieren überhaupt strictissime nur dort,
wo sie zur Erklärung des vorliegenden Textes schlicht notwendig
scheinen, z. B. zur Identifizierung der „Schwachen" und „Starken"
(S. 690-698), wo Cranfield m. E. überzeugend die These vertritt, daß
es sich um einen Konflikt um die christliche Weitergeltung jüdischer