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Ausgabe:

1981

Spalte:

882

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hubmann, Franz D.

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zu den Konfessionen 1981

Rezensent:

Horák, Ladíslav

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Seite 1

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881

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 12

882

dem Endgültigen, vwdem Letzten, dem Eschaton. Dieses aber ist nur
ihis. was es ist, in seinem Bezug zum Vorletzten, zum Diesseitigen, zu
all dem, was ohne Christus unvollkommen, uneindeutig, ambivalent,
ohne letzte und endgültige Antwort bliebe. Mit der Erscheinung Christi
wird das Vorletzte aber nicht zur bloßen Vorstufe, die nur noch
von noetischem Belang wäre, und verblaßt auch nicht zur bloßen
Vorausschattung. Sondern -. . .- im Lichte des Letzten, des Christuszeugnisses
, bekommt das Vorletzte seine helle Eindeutigkeit; es wird
gewogen und geprüft, es wird transparent auf Scheitern und Sünde,
die Christus kreuzigt, oder auf das letzte Heil, das im Alten Testament
, wie der Christusname, noch nicht ausgesprochen, aber doch
geahnt, erhofft, verheißen und eigentlich gemeint ist" (193). Aber was
ist da letztlich anders als beim Vorstufen- und Vorbereitungsverständnis
des AT, nach welchem das AT als Wegstrecke auf ein Letztes
, auf die Christusoffenbarung, zugeht, wogegen G. wiederholt vehement
zu Feld zieht? Selbst beim Verzicht auf die Vorstellung einer
geschichtlichen Erstreckung vom „Noch-nicht" zum „Dann-doch"
bleibt notwendigerweise der Schritt (und das heißt doch ein Bewegungselement
in Raum und Zeit) von der Uneindeutigkeit zur Eindeutigkeit
, vom AT zur Erscheinung Christi zu gehen, oder, vielleicht
besser gesagt, nachzuvollziehen. Typologese sieht nach G. recht verstanden
so aus: „Von Tod und Auferstehung Jesu Christi her gesehen
, sagt die ererbte Schrift, deren Gültigkeit ja nicht aufgehoben ist,
.Typisches'. Dieses Typische wird aber nicht nur in den Schatten gestellt
. Es wird auch vom Eschaton her ins rechte Licht gerückt".
„Darum verlieren die Typoi, nachdem der Antitypos erschienen ist,
nicht ihr Gewicht -...-, sondern sie werden zur sprachlichen Ermöglichung
eschatologischer Verkündigung" (195). Auf diese Art und
Weise ist auch die Botschaft der Gerichtspropheten .typisch': „sie
verkündigen auch der christlichen Gemeinde, daß das Ende gekommen
sei - das Ende über Hochmut, Gottlosigkeit, Herzenshärtigkeit
und Götzendienst, und daß nur dem, der dies Gericht an sich geschehen
läßt, das Heil der das Leben erneuernden Vergebung zugesagt
werden, daß erst am Nullpunkt menschlichen Scheiterns dem Demütigen
Leben und Seligkeit geschenkt werden" (196). So kann auch
Deuterojesaja der christlichen Gemeinde den Ausgang aus Babel ansagen
: „aus dem, was Babel immer schon - typisch! - war, aus Sünde,
Unheil und Gericht, und hin zum Zion, zum Ort der Begegnung mit
dem lebendigen Gott des Heils, der doch an keinen Ort sich binden
läßt" (ebd.). Diese Ansagen sind „nicht als bloße Vorstufe vergangen,
sondern gegenwärtig, als gegenwärtige Konkretheit des in Christus geschenkten
Heils, das doch all diese Konkretisierungen übertrifft,
transzendiert und darum nicht auf sie angewiesen bleibt" (im Anschluß
an das Jypische' von Gen 12; 195). Die Frage, ob die alttesta-
mentlichen Texte darin noch ihre eigene Sache sagen dürfen, wird
von G. rundweg bejaht: sie sagen jetzt erst recht ihre eigene Sache,
das, was sie immer schon „eigentlich gemeint" haben (193). Als her-
meneutischer Schlüssel scheint dahinter eine existenziale Interpretation
der Texte zu funktionieren (84, 188), die mit besonderen Formen
von Typologese und Allegorese verbunden wird (1950- Die Geschichtsdimension
ist bewußt ausgeblendet, läßt sich aber letztlich
auch bei G. nicht verdrängen. Es bleibt die Frage, ob der Autor wirklich
all den Aporien entkommen ist, die er in der Geschichte der alt-
testamentlichen Hermeneutik gesehen hat. Sind tatsächlich Begriffe
wie Erbe, Schrift, Christliches, Sprache u. a. m. tauglicher und aussagekräftiger
als bisher gebrauchte und vom Autor abgelehnte? Bedürften
sie nicht einer präziseren Definition? So, wie sie verwendet werden
, bleiben sie merkwürdig blaß und werfen neue Fragen auf. Das
Postulat, für ein rechtes christliches Verstehen des Alten Testaments
vom Neuen Testament auszugehen, wird sicherlich von niemandem
bestritten, aber für die Frage nach der Modalität solchen Vorgehens
fehlt immer noch eine wissenschaftlich redliche und überzeugende
Antwort. Schade, daß G. in seinem letzten Kapitel nicht ausführlicher
geworden ist.

Leipzig Siegfried Wagner

Hubmann, Franz D.: Untersuchungen zu den Konfessionen Jer
11,18-12,6 und Jer 15,10-21. Würzburg: Echter 1978. 395 S.
gr. 8" = Forschung zur Bibel, 30. DM 48,-.

Zu den zahlreichen Untersuchungen und Büchern über das Jere-
miabuch und über die einzelnen Jeremia-Probleme ist ein neues erschienen
. Es geht um eine von der katholisch-theologischen Fakultät
der Universität Innsbruck angenommene Dissertation, die für den
Druck ein wenig bearbeitet wurde. Sie befaßt sich - wie aus dem Titel
hervorgeht - mit zwei Konfessionen des Jeremia. Sie ist in zwei Teile
geteilt, die fast den gleichen Umfang (17-175 und 179-307) und eine
gleiche Gliederung in 7 Abschnitten haben. Die Inhaltsangabe ist
übersichtlich, die ganze Arbeit ist gründlich mit Literaturangaben
versehen. Wertvoll sind hauptsächlich die Hinweise auf die ältere
katholische exegetische Literatur.

Jeder Teil beginnt mit einer kurzen Übersicht der bisherigen Forschung
. Die Übersicht ist sinnvoll gegliedert: vor 1840, von Ewald bis
Duhm, von Duhm bis Volz, Volz und Rowley und die Forschung
nach Volz, bzw. bis Nötscher und von ihm bis zur Gegenwart (2.
Teil). Die Position eines jeden Forschers ist kurz gekennzeichnet. Als
2. Abschnitt folgt dann der Text mit Übersetzung und Anmerkungen.
Als 3. Abschnitt kommen dann die literarkritischen Überlegungen,
im 4. die Beobachtungen zur Struktur mit dem Exkurs über die Übersetzung
von 12,6 mit einer möglichen Lösung. Im 5. Abschnitt ist der
Kontext untersucht, und die exegetischen Bemerkungen und die
redaktionelle Beurteilung schließen den ersten Teil.

Im 2. Teil, der ähnlich gegliedert ist, kommen nach den exegetischen
Bemerkungen noch die Überlegungen zur Komposition. Mit
dem Literaturverzeichnis, das umfangreich und fast erschöpfend ist,
und mit den zahlreichen und sehr praktischen Textblättern und Tabellen
zu den Doppelüberlieferungen im Jeremiabuch - u. zw. zuerst
zu denen im Jer-buch, zweitens zu den außerjeremianischen Parallelen
und drittens der Synopsis der Septuaginta- und MT-Zählung -
schließt das Buch ab.

Der Autor beweist im ganzen die Zuverlässigkeit des MT gegenüber
den Versionen. Er versucht den MT zu verstehen und zu erklären
ohne viele Emendationen und Konjekturen. Zu diesem Zweck
dient ihm auch die strukturale Analyse.

Für die Konfessionen Jer 15,10-21 macht er auf die Bedeutung von
Parallel- oder Doppelüberlieferungen aufmerksam, nicht nur innerhalb
des Jeremiabuches, sondern auch auf die außerjeremianischen.
Er prüft sie nach Form (Prosa, Poesie, Mischtexte) und Inhalt und
ordnet sie in den Kontext ein. Er sieht darin in erster Linie nicht die
gedankenlose Arbeit des Redaktors oder der Redaktoren, sondern in
dem Überlieferungskomplex und in der Verwendung in anderen, zum
Teil sehr unterschiedlichen Kontexten die bewußte theologische Arbeit
und Absicht. Das sieht man am besten in solchen Fällen, in
denen der Adressat verschieden ist - z. B. Jer 6,22-24 das Wort über
Jerusalem ist 50,41-43 auf Babel übertragen, oder 49,19-21 (Edom)
ist 50,44-46 wieder Babel gemeint. Interessant ist seine Hypothese,
daß für die Übernahme der Doppelüberlieferungen aus außerjeremianischen
Büchern Jeremia selber verantwortlich ist.

Der Autor verspricht in dieser Richtung noch weiter zu arbeiten
und von dieser Seite zur Frage der Entstehung und Redaktion des
Jeremiabuches neues Licht zu bringen und neue Fragen und Antworten
zu bieten.

Liberec Ladislav Horäk