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Ausgabe:

1981

Spalte:

860

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ratzmann, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Missionarische Gemeinde 1981

Rezensent:

Langer, Jens

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

860

daten und geistliches Erbe der an den einzelnen Tagen des jeweiligen
Monats verehrten biblischen Gestalten, Heiligen und Märtyrer der
alten ungeteilten sowie der russischen Kirche. Entsprechendes gilt Tür
die als wundertätig verehrten Ikonen. Band 2 umfaßt die
Monate September bis März, Band 3 die Monate März bis August.

Die Herausgeber, Lehrende und Lernende der Moskauer geistlichen
Schulen sowie Mitarbeiter der Verlagsabteilung des Moskauer
Patriarchats unter Leitung des lgumen Innokentij (Prosvirnin), waren
sich darüber im klaren, daß das gedruckt oder in Handschriften vorliegende
Quellenmaterial in den verschiedenen Perioden unter unterschiedlichen
Gesichtspunkten abgefaßt worden ist. Um das Spezifische
im Leben und Wirken der einzelnen Heiligen zu erfassen, waren
sie deshalb bemüht, die Erkenntnisse aller grundlegenden Arbeiten
russischer Hagiologen, von Dimitrij von Rostov (gest. 1709) bis zu
den neue Quellen und Fakten verwertenden heutigen Publikationen
in „Bogoslovskie trudy" und im „Zurnal Moskovskoj Patriarchii", zu
berücksichtigen. Dies nicht zuletzt in bezug auf die erst in jüngster
Zeit in den russischen Heiligenkalender Aufgenommenen wie Ioann
Russkij (1962; 27. 5.), German Aljaskinskij (1970: 27. 7.) und Metropolit
Innokentij (Veniaminov) von Moskau (1977; 31.3. und 23. 9.).

Hinsichtlich der Aufnahme von Wunderberichten verweisen die
Vff. im Vorwort (Bd. 2, S. 8) auf die Diskussion in der Anfang des
20. Jh. beim Hl. Synod gebildeten Kommission für die Ausgabe der
Cetil Minei in russischer Sprache. Gegenüber jenen, die deren Glaubwürdigkeit
bezweifelten und sie deshalb fortlassen wollten, sowie
jenen, die eine dem „Gegenwartsbewußtsein" entsprechende Fassung
anstrebten, hatte V. O. Kljucevskij in seinem zusammenfassenden
Votum die Meinung vertreten, man solle das in Jahrhunderten Überlieferte
nicht in gekünstelter Weise verändern. Doch bemühten sich
die Vff., die greifbaren Lebensfakten in den Vordergrund zu stellen,
wobei sie sich bewußt sind, in der vorliegenden Ausgabe die Fülle des
Materials keineswegs ausgeschöpft zu haben. Um den Geistlichen der
Russischen Orthodoxen Kirche eine eigene Weiterarbeit zu ermöglichen
, ergänzten sie die jeweiligen Angaben durch eine Bibliographie
vofi Werken der russischen Heiligen bzw. der russischen Übersetzungen
von Werken der nichtrussischen Heiligen.

Auch die beiden abschließenden Bände wollen das geistliche Erbe
aus den verschiedenen Epochen durch auszugsweise Wiedergabe unmittelbar
zur Geltung bringen. Neben Gedanken Ephräms des Syrers
werden Auszüge aus Werken russischer Väter, darunter Starzen der
Optina-Pustyn', bis hin zum 1938 verstorbenen Schimonach Siluan
aus dem russischen Panteleimon-Kloster auf dem Athos geboten, die
inhaltlich eine Fülle von Momenten entfalten.

So vermitteln diese Bände des Handbuches einen umfassenden Einblick
in die orthodoxe Spiritualität. Es ist nur zu bedauern, daß den
beiden Bänden kein alphabetisches Register der einzelnen Heiligen
beigegeben wurde.

Berlin Hans-Dieter Döpmann

Harakas, Stanley Samuel: Christian ethics in ecumenical perspective:
an orthodox Christian view (JES 15,1978 S. 631-646).

Kallis, Anastasios: Orthodoxie. Was ist das? Mainz; Matthias-
Grünewald-Verlag 1979. 94 S. gr. 8° = Orthodoxe Perspektiven, 1.
Kart. DM 9,80.

Klinger, Jerzy: Perspektiven der russischen-orthodoxen Verehrung

der Heiligen Dreifaltigkeit (US 34, 1979 S. 138-152).
Metropolitan Damaskinos of Tranoupolis: Towards the Great and

Holy Council (GOTR 24, 1979 S. 99-116).
Rusam, Reinhard: Solidarisch mit der Gemeinde. Was Lutheraner

mit den Orthodoxen verbindet (LM 19,1980 S. 471-473).
Salachas, Dimitri: Schwester-Kirchen im Gespräch. Der offizielle

theologische Dialog der orthodoxen und der katholischen Kirche

(Cath 34, 1980S. 249-259).
Samsonow, L: Die Einheit der Menschheit. Zur Geschichtstheologie

Wladimir S. Solowjows (SOrth 1980 Heft 4 S. 50-64).

Ökumenik: Missionswissenschaft

Ratzmann, Wolfgang: Missionarische Gemeinde. Ökumenische Impulse
für Strukturreformen. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1980.
257 S. 8' = Theologische Arbeiten, 39. M 16,20.

„Die ,missionarische Gemeinde' ist eine Zielvorstellung, die wohl
nie ,ganz' erreicht werden kann. Aber in dieser Funktion ist sie heute
wichtiger als gestern. Die ökumenischen Gedanken sind noch lange
nicht überholt und ausgeschöpft, sie warten auf weitere Nutzung"
(2160- Mit diesen Sätzen endet das Buch. Es geht einem Anliegen
nach, das in den sechziger Jahren Bewegung in die kirchlichen
Vorstellungen gebracht hat, und es übersieht nicht die Ermüdungserscheinungen
in den siebziger Jahren. So markiert es für die achtziger
Jahre mit der zitierten Schlußpassage die Notwendigkeit eigenen
Nachdenkens und eigenständiger Praxis der Christen in der DDR.'

Rez. gesteht, daß er über weite Strecken Mühe mit der Lektüre
hatte. Das liegt gewiß auch an der Stoffülle und den Zeiträumen, die
der.Vf. zu bewältigen hatte: Zuerst wendet er sich der Studienarbeit
über die missionarische Verkündigung „von den Anfangen" bis zur
Vollversammlung 1961 in Neu Delhi zu und schließt die Studienarbeit
über die missionarische Gemeindestruktur zwischen Neu
Delhi und Uppsala (1968) an. Der Versuch, nach der Darstellung der
ökumenischen Diskussion dieselbe einer Beurteilung zu unterziehen,
wirkt in der Diktion stellenweise etwas befremdlich (72, 108,"159). Bei
einer durch Textanalysen geprägten Arbeit ist es für den Leser wohl
nicht gewinnbringend, vom Vf. z. B. zu erfahren: „Wir unterstützen
entschieden die Positionen der ökumenischen Studie (.. .)." (159)
Aber mit dem Hinweis auf dieses Engagement leite ich auch bereits
zu den anschließenden Kapiteln über. Sie befassen sich in bezug aut
das Thema mit der Kommission für Haushalterschaft und Evangelisation
des Lutherischen Weltbundes, mit der Geschichte und den Ergebnissen
der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Strukturfragen
der Gemeinde in der DDR und mit einigen Auswirkungen dieser Studien
auf kirchliche Theorie und Praxis hierzulande. Dabei leistet der
Vf. am Ende wirkliche Pionierarbeit sowohl im Blick auf den Vergleich
zwischen ORK und LWB als auch hinsichtlich der Einblicke,
die er in die theologischen und personellen Schwierigkeiten gewährt,
die die Kirchen in der DDR mit der Rezeption der ökumenischen Ergebnisse
hatten. Damit bietet der Vf. geradezu Mosaiksteine für eine
Kirchengeschichte der letzten Jahrzehnte ohne kirchliche Selbstgerechtigkeit
(z. B. 192ff). Wenn der Vf. feststellt, daß bereits in den
sechziger Jahren das Schema „Sammlung und Sendung" als inadäquat
aufgegeben wurde (194), fragt sich der Rez. angesichts der Tatsache
, daß dieses Theologoumenon de facto von allgemeinkirchlicher
Dignität geblieben zu sein scheint, was wirklich aufgenommen
worden ist von dem Ringen um missionarische Strukturen.

Die Kirchen in der DDR sind noch weit von einer „Kirche der
überzeugten Zeugen"2 entfernt, und die Ökumene konstatiert die
kirchliche Stagnation zunehmend kritisch.' Die Proklamation von
Jubiläen, Jahren und Jahrzehnten kann den Mangel an praktischen
Konsequenzen nur ganz oberflächlich verdecken. So führt dieses
Buch letzten Endes zu schmerzhaften Einsichten. Wer es liest, muß
sich ihnen im Blick auf unsere kirchliche Praxis aussetzen.

Güstrow Jens Langer

' Vgl. z. B. Jens Langer, Teilnahme am Auftrag des ganzen Gottesvolkes. Zur
Gemeindearbeit in den achtziger Jahren, in: Standpunkt 9, 1981,44-46.

2 K.-P. Hertzsch, Zeugnis- und Dienslgemeinschaft der evangelischen Christen
in der DDR. a. a. O. Beilage zu Hea 9/1979, 3.

5 Vgl. etwa den vielfach publizierten, aber wenig beachteten Brief einer
ÖRK-Bcsuchergruppe vom Frühjahr 1979, z. B. in: Die Kirche Nr. 28, 1979.
I; Der Sonntag Nr. 29/30, 1979, 1.4, 2.4; Mecklenburgische Kirchenzeitung
Nr. 12, 1980. 1.