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Ausgabe:

1981

Spalte:

63-64

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Fischer, Helmut

Titel/Untertitel:

Trauung aktuell 1981

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. I

64

verharmlost und verwischt. Aber er weist Wege („Petrus in der Kirche
", „Christus ergänzt das Fehlende"), die einer Wanderung wert
sind. Er zeigt den Weg zu der Kirche des Anfangs.

Erfurt Franz Peter Sonntag

Praktische Theologie:
Allgemeines

Fischer, Helmut: Trauung aktuell. Analysen, Erwägungen und Impulse
zum kirchlichen Handeln bei der Eheschließung. München:
Claudius Verlag 1976. 186 S. kl. 8". DM 9,80.

Die Aktualität der in diesem Büchlein geführten Auseinandersetzung
kann nur bestätigt werden: Seit einhundert Jahren erwecken unsere
evangelischen Kirchen mit ihrer Traupraxis, ihren Agenden und
Lebensordnungen noch immer den Anschein, als gehe es in der kirchlichen
Trauung um Eheschließung oder zumindest um die Durchsetzung
eines fixierten christlichen Eheverständnisses. Fischer stellt zunächst
kurz die Entwicklung der Trauung dar und untersucht kritisch
die heutigen agendarischen Formulare sowie die einschlägigen Bestimmungen
der kirchlichen Lebensordnungen. Im 2. Abschnitt berichtet
er dann über die statistische Situation der (auch in der BRD
stark zurückgegangenen) kirchlichen Trauungen und beleuchtet den
soziologischen Wandel der Eheauffassungen, der zu erheblichen Diskrepanzen
zwischen dem kirchlichen und dem populären Verständnis
der Ehe bzw. der Trauung geführt hat. Im 3. Abschnitt betrachtet
der Vf. die Trauung unter dem Gesichtspunkt eines Übergangsritus
und kommt zu dem Ergebnis, daß sie - unabhängig von ihrem christlichen
Gehalt - eine rituelle Funktion hat, die in der bürgerlichen Gesellschaft
von keiner anderen Instanz mit gleicher Wirksamkeit wahrgenommen
werde.

Der 4. Abschnitt „Konsequenzen für die Traupraxis" ist der wichtigste
, weil hier der Vf., auf dem Hintergrund langer pastoraler Erfahrung
und auch akademischer Beschäftigung mit dieser Problematik,
zu bemerkenswerten Vorschlägen gelangt. Schon im vorhergehenden
Abschnitt hatte er erklärt: „Wenn der Trauritus als Hilfe für den
Menschen theologisch verantwortet sein soll, so müßte er daraufgerichtet
sein, den Eheschließendcn und deren Familien zu einer Mündigkeit
im Sinne der Freiheit, zu der uns Christus freigemacht hat
(Gal 5,1), zu helfen" (120). Demzufolge tritt Fischer nun ein Tür einen
„Gottesdienst anläßlich der Eheschließung" bzw. „Traugottesdienst"
(dieser von ihm bewußt vorgeschlagene Begriff wird aber nicht konsequent
durchgehalten, vgl. 5.3. u. 5.4.), der von dialogischer Struktur
geprägt ist, d. h. „daß die jungen Eheleute an seiner Vorbereitung und

Gestaltung entsprechend dem Maß ihrer Möglichkeiten voll beteiligt
sind" (136). Der Traugottesdienst soll nicht einfach nach der Agende
gehalten, „sondern vom Brautpaar im Gespräch mit dem Pfarrer
selbst erarbeitet werden" (ebd.). Dafür sind natürlich ausgedehnte
Vorbereitungsgespräche erforderlich. Verbindliche Agenden lehnt
der Vf. ab; sie sollten am besten nur Gestaltungs- und Materialangc-
bote enthalten. An Stelle der nicht mehr verantwortbaren Traufragen
könnte das Brautpaar eigene Formulierungen ihrer Eheauffassung
vortragen, die dadurch bekenntnisartigen Charakter bekämen. Auch
die Traupredigt soll aus dem Dialog mit dem Brautpaar hervorgehen.
„Dabei sind nicht das Evangelium und der christliche Glaube als
Hilfe anzupreisen: vielmehr ist aus dem Geist des Evangeliums Helfendes
zu sagen" (162).

Die Thesen und Vorschläge Fischers sind in diesem material- und
argumentationsreichen Buch im ganzen gut begründet. Seinen Einsichten
und Urteilen kann ich mich weithin anschließen. Vorbehalte
bleiben selbstverständlich an einigen Stellen bestehen. Die wesentlichste
Frage wäre mir, ob bei einem so stark in den anthropologischen
Voraussetzungen begründeten Traugottesdienst die Evangeliumsverkündigung
auch noch etwas von ihrem unpopulären, paradoxen
, dem Menschen widersprechenden Charakter behält, der ihr
doch trotz aller Dialogstruktur eigen ist. Ich wundere mich auch
darüber, daß der Vf. für den „Segen", der m.E. die persönlich applizierte
Verheißung darstellt, so wenig Verständnis zeigt (vgl. 1.2.4.)
und daß er bei den Gebetsbeispielen, abgesehen von einer Ausnahme,
gerade solche als vorbildlich hinstellt, bei denen es gar keine Anrede
mehr gibt (das Beispiel von W. Seehaber, S. 156, halte ich übrigens
für ausgesprochen geschmacklos, weil es eine verkleidete Moralpredigt
an die Brautleute bedeutet!).

Im 5. Abschnitt geht Fischer noch auf „besondere Fälle" ein, d. h.
auf Nachtrauung. Wiedertrauung, auf konfessionsverschiedene Ehen
usw. Bei 5.4. „ Die Trauung eines Paares, von dem ein Partner keiner
christlichen Kirche angehört" ist offenbar unter BRD-Verhältnissen
nur an die Ehe mit fremdreligiösem Partner gedacht, nicht an solche
mit indifferentem oder atheistischem Partner. In der DDR spielt
Letzteres eine gewisse Rolle, wie die entsprechenden Erprobungsordnungen
unserer Landeskirchen zeigen (vgl. dazu meinen Beitrag
„Gottesdienst zur Eheschließung" in ZdZ, H. 10/1973). Hier wird
deutlich, daß Vf. die Entwicklungen und Richtlinien der evangeli-
ichen Kirchen in der DDR nicht im Blickfeld hatte. Trotzdem möchte
ich allen, die an neuen Entwürfen für Trauformulare und Lebensordnungen
in unseren Landeskirchen arbeiten, und überhaupt jedem
, der mit dieser Amtshandlung zu tun hat, das Büchlein von H.
Fischer nachdrücklich empfehlen.

Rostock Ernst-Rüdiger Kiesow

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