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Ausgabe:

1981

Spalte:

854-856

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie; 23. Band 1979 1981

Rezensent:

Nagel, William

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

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meinen Festlegungen begnügen, daß der Glaube nicht auf Wissen
zielt, sondern auf Veränderung der Person, daß die Zukunftsorientierung
des Lernens in Kirche und Religionsunterricht in ihrem „letzten
Sinn" dem entspricht, was die Theologie eschatologische Aspekte
nennt, und daß Christen in der Gemeinde eine Gemeinschaft von
Lernenden und Lehrenden sind, und schließlich: der Glaubende
weiß auch, daß er im Glauben niemals „fertig" ist, sondern sein ganzes
Leben lang ein Lernender bleibt.

Demgegenüber legt nun F. einen Leitfaden theologisch sehr abgewogener
und weitreichender Überlegungen über das Verhältnis von
Glauben, Lehren und Lernen vor, deren Dringlichkeit kein christlicher
Erzieher ausweichen sollte. Um die Fragen des Glaubens war es
in der Religionspädagogik, verglichen mit dem Komplex „Lebensfragen
", recht still in der letzten Zeit, jedenfalls sobald nach der „Ver-
mittelbarkeit" des Glaubens gefragt wurde. F. vermeidet es, den
Glauben an die Erziehungsprozesse auszuliefern und völlig in soziologischen
und lernpsychologischen Zusammenhängen aufgehen zu
lassen. Er bemüht sich um theologische Zusammenhänge, ohne die
Praxis aus den Augen zu verlieren. Ihm gelingt es, das heute entscheidende
zu verdeutlichen, daß nämlich Glauben einerseits Lernprozesse
in Gang bringt und andererseits Lernen immer schon Glaubens-,
Vertrauens- und Gehorsamsmomente einschließt. In der Sicht, wie
der Vf. die großen Themen Lernen und Glauben aufeinander bezieht,
steht er E. Nipkow nah: „Alle verkündigenden, seelsorgerlichen und
diakonischen Handlungsformen, kurz: jede Interaktion und Kommunikation
schließt für den Einzelnen von außen kommende Einflüsse
ein und bewirkt korrespondierende Veränderungen von Verhaltensweisen
, die mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit diesen
Einflüssen antworten" (13). F. macht es sich und seinen Lesern nicht
gerade leicht, wenn er sagt, „viele Menschen rühmten sich, keine
Religion zu haben, deren Kinder es sich im Grund gar nicht leisten
könnten, ohne eine solche zu leben". Er fragt dann weiter ganz radikal
, „ob der Mensch die ihm abverlangten Lern- und Umlernprozesse
ohne entsprechend tiefe Glaubensbindung überhaupt schadlos durchzustehen
vermag" (21)?

Eindringlich ist. wie F. biblische Termini, wie Glaube und Liebe
gebraucht, dabei von „Hoffnung" spricht und sie ins Gesellschaftlich-
Politische als „Zukunft" und „Perspektive" übersetzt und dabei trotz
allen Wissens um die Zweideutigkeit des Begriffs der Frage nach der
Möglichkeit sozialer „Früchte" des Glaubens nicht ausweicht (22ff).

Wichtig ist auch der Abschnitt über „religiöse" Erziehung und
„christliche" Erziehung, wobei der Vf. die Frage nach dem „eigentlich
Christlichen" in diesem Bereich wieder auf einen sinnvollen
Stellenwert reduziert (27).

Die übersichtliche Anordnung des Büchleins mit mehr als 85
Stichworten und einigen ausführlichen Beispielen bietet dem Theologen
durch die Erschließung von Kurzformeln des Glaubens im Zusammenhang
der Erarbeitung von Erlebnisfeldern in den Beispielen
einen Weg zur Praxis. Für die Praktiker, die christlichen Eltern und
Erzieher, wird durch die Vermittlung eines theologischen Deutungssystems
Zugang zur Theorie evangelischer Erziehung erschlossen.

Wenn die Einsicht Unbehagen macht, daß das Moment des Glaubens
in der evangelischen Unterweisung Unruhe weckt und im Religionsunterricht
in der Schul-Welt nicht recht zu passen scheint, ist
das nur evangeliumsgemäß. Das Evangelium geht in Bildungs- und
Erziehungsprozesse ein, aber vom Glauben her darin niemals auf.
Die überaus ernst zu nehmende Besinnung Frörs auf die Grundlagen
von Glauben und Lernen könnte unserer Unterweisung und unserem
christlich verantworteten Lehren und Erziehen zugute kommen,
wenn etwas in sie hineinwirkte, was mehr wäre als Alltagswelt, als
Schule oder auch als kirchliche Institution.

Greifswald Günther Kehnscherper

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, 23. Band 1979, hrsg. v. K.
Ameln, Chr. Mahrenholz u. A. Völker. Kassel: Stauda 1979. XVI,
263 S. gr. 8 Geb. DM 96,-.

Das Gedenken an zwei Mitarbeiter eröffnet das Jahrbuch: Am
4. 1. 79 ging in Marburg der em. Praktische Theologe Alfred Nieber-
gall heim, dem die Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck ganz wesentlich
ihr hochwertiges vierbändiges Agendenwerk verdankt. Seine
„Geschichte der Predigt" im II. Bd. der „Leiturgia" bedeutet auf
weite Sicht ein Standardwerk der Homiletik. In seinen Arbeiten aus
dem Bereich der Liturgik wie in seiner Mitarbeit in der Luth. Liturgischen
Konferenz wußte er sein aus Quellenforschung erwachsenes
geschichtliches Wissen mit dem Bemühen um Gegenwartsnähe wirksam
zu verbinden. Für den am 27. 6. 79 heimgerufenen Kirchenrat
Pfarrer Herbert Goltzen, geprägt durch die Ev. Michaelsbruderschaft
, waren Messe und Stundengebet bestimmende Mitte seines Lebens
. Aus der Fülle seiner wissenschaftlichen und seiner der liturgischen
Praxis dienenden Veröffentlichungen sei hier nur die im ev.
Raum erstmalige große Arbeit „Der tägliche Gottesdienst" in Bd. III
der,Leiturgia" genannt.

Im Liturgikteil gilt der erste Hauptaufsatz von Frieder Schulz
dem Thema „Ordination als Gemeindegottesdienst. Neue Untersuchungen
zur ev. Ordination" (1-31). Gegenüber Reformvorschlägen
von H. Diem, E. Wolf, J. Hamel zu Anfang des letzten Jahrzehnts
, die Einführung und Ordination - diese ohne Handauflegung -
verbinden wollen und für deren Wiederholbarkeit bei einer erneuten
Einfuhrung plädieren, untersucht Vf., wieweit der scheinbar entsprechende
Sachverhalt aus der Frühzeit der Reformation richtig bewertet
ist und als Reformimpuls geltend gemacht werden kann. Zu den
Reformvorschlägen als solchen wird nicht Stellung genommen. „I.
Installation als Ordination" geht auf Diems Behauptung ein, daß man
in Württemberg bis ins 19. Jh. nur die Installation gekannt habe, die
bei jedem Stellenwechsel wiederholt wurde. Die Quellen ergeben, daß
seit 1547 eine einmalige, mit der Installation verbundene, aber nicht
als solche gekennzeichnete Ordination am ersten Dienstort geübt
wurde. In „II. Ordination als Installation" wird gezeigt, wie Luthers
zentraler Ordinationsgottesdienst zugleich gemeindebezogen ist und
die Vokation auf eine bestimmte Pfarrstelle voraussetzt. Unter „III.
Ordination und Installation" wird das Entstehen unterschiedlicher
Ordnungen dargestellt. Wegen der gleichen Probleme und Problemlösungen
weist „IV. Ordination und Konfirmation" auf deren inhaltliche
wie strukturelle Parallelen hin. In „V. Ordination und Handauflegung
" wird aus den Quellen erwiesen, daß es sich bei der Behauptung
, die reformierte Tradition kenne eine solche nicht, um reine Unterstellung
handelt. Schließlich macht „VI. Ökumenische Konvergenz
", ausgehend von dem wenig beachteten katholischen Ordina-
tionsritus von 1968, auf eine solche Konvergenz hinsichtlich der Ordination
aufmerksam.

In der nachfolgenden Untersuchung „Struktur. Überlegungen zu
den Implikationen eines Begriffs im Blick auf künftige Funktionen
liturgischer Bücher" (32-52) geht Vf., der Leipziger Dozent Dr.
Karl-Heinz Bieritz, von der Beobachtung aus: „Ein .Zauberwort
' macht in liturgischen Kommissionen die Runde, dringt ein in
die Sprache liturgischer Dokumente, bereichert das Repertoire liturgiewissenschaftlicher
Diskurse um einen neuen Schlüsselbegriff."
Dieses „Zauberwort", nämlich „Struktur", so bereitwillig aufzunehmen
, sieht Vf. in dem praktischen Interesse begründet, angesichts der
heutigen Pluralisierung und Polarisierung gottesdienstlicher Formen
dennoch Ursprungsbildung, Kontinuität und Identität des christlichen
Gottesdienstes erkennbar zu machen. Es ist eine dankenswerte
und hilfreiche Leistung, wie nun Vf. Recht, aber auch Grenzen einer
Übernahme dieses Begriffs darlegt. Rez. meint freilich, daß das aus