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Ausgabe:

1981

Spalte:

852-853

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Fraas, Hans-Jürgen

Titel/Untertitel:

Glauben und Lernen 1981

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

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Wesen oder im Willen Gottes gegründet ist. Beide Sichtweisen führen
zu spezifischen Positionen in der theologischen Beurteilung des Verhältnisses
von Kirche und Welt. Thomas und seine Nachfolger betonen
die im Wesen Gottes gegründete Ordnung dieser Welt, wobei
Ordnung als das „Ganze der Welt" in einer hierarchisch-stufenweise
gegliederten Struktur in Kirche und Gesellschaft angesehen wird und
ein gewisser statisch-konservativer Zug vorherrschend bleibt. Demgegenüber
entscheiden sich die Voluntaristen für ein im Willen Gottes
gegründetes Naturrecht (Johannes Duns Scotus, Wilhelm von
Ockham und deren Anhänger). Sie verteidigen den Primat der Liebe
gegenüber dem Primat des Intellekts der Thomisten; sie sehen stärker
das Individuum, seine Willensfreiheit und seine von Fall zu Fall konkret
zu vollziehende Verantwortung in dieser Welt. Bei den Voluntaristen
ist ein ausgeprägt dynamisch-reformerischer Zug unverkennbar
. Nach Ansicht des Vf. sind diese geschichtlich bedingten Ansätze
der Naturrechtsinterpretation bis in die Gegenwart hinein wirksam
geblieben (z. B. im II. Vatikanischen Konzil und in der heutigen katholischen
Moraltheologie und Sozialethik).

Neben dieser theologischen Naturrechtsdiskussion behandelt der
Vf. die Säkularisation des Naturrechts zur Zeit der Aufklärung sowie
verschiedene Entwürfe von Soziologen, die in ihren Werken das Verhältnis
von Individuum und Gesellschaft bzw. von Kirche und Gesellschaft
behandelt haben: H. Spencer, E. Dürkheim, M. Weber.
G. Simmel, J. Matthes, T. Rendtorff, Peter L. Berger, Th. Luckmann.
Ausführlich setzt sich der Vf. mit 3 Leithypothesen religionssoziologischer
Forschung auseinander: 1. Kompensation, 2. Integration,
3. Säkularisierung. Jede Hypothese wird in ihrem geschichtlichen Zusammenhang
erklärt, in ihrer Bedeutung und in ihrer Begrenzung
dargestellt. Im Unterschied hierzu arbeitet der Autor seine Leithypothese
„Die Kirche im Prozeß der gesellschaftlichen Differenzierung"
heraus. Hier liegt der Wert des Buches und ein verheißungsvoller
Neuansatz, weil unter der zentralen Kategorie „gesellschaftliche Differenzierung
" Kriterien entwickelt werden, um „die Möglichkeit,
Notwendigkeit und Legitimität kirchlichen und theologischen
Wandels" (12) in komplexen Gesellschaftsformationen mit ihren
„ausdifferenzierten Teilsystemen und institutionalisierten Handlungszusammenhängen
" (14) sachgemäß zu beschreiben und zu richtigen
Schlußfolgerungen zu gelangen, die für die katholische Sozialethik
relevant sind. In einer „realisierten Kommunikation" (193) von
Dogmatik und Ethik sieht der Vf. den nach vorne weisenden Weg zu
einer notwendigen „theologischen Kriteriologie" (184), die in der
Lage wäre, das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft auf der Höhe
der theologischen Diskussion in Zusammenarbeit mit den säkularen
Wissenschaften neu zu bestimmen und Schritte für die Praxis kirchlichen
Lebens in der Gesellschaft aufzuzeigen.

Magdeburg Erwin Hinz

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Wegenast, Klaus: Orientierungsrahmen Religion. Beiträge zur religiösen
Erziehung in Schule und Kirche. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1979. 137 S. 8'. = GTB Siebenstern, 320.

Wegenast leitet diese Aufsatzsammlung ein, indem er seinen Weg
von der hermeneutischen, vorrangig textorientierten Religionspädagogik
über die „empirische Wende" und die Curriculumtheorie zur
gegenwärtigen Lehrplanforschung schildert. Die Wandlung von einer
primär theologisch begründeten Didaktik zum Bemühen um die Integration
von Erfahrung, Glaube und religiöser Erziehung bestimmt
auch die weiteren Beiträge. Über Entwicklungsprozesse, Orientierungsperspektiven
und Chancen des schulischen Religionsunterrichtes
in der BRD, insbesondere über das Verhältnis von Gesellschaft.

Schule, Kirche und Schüler im Bedingungsfeld des Unterrichts reflektiert
der zweite Aufsatz (27-48). Der „Didaktik des Religionsunterrichtes
" (49-68) wendet der Vf. sich zu, indem er Begriffe erläutert
und so zur Klärung komplizierter Beziehungen wie der zwischen allgemeiner
Didaktik und theologischer Fachdidaktik sowie zwischen
der letzteren und der Theologie als Fachwissenschaft beiträgt.

„Die Bedeutung biblischer Texte für den Religionsunterricht"
(69-86) kann sich nicht in einer falschen lndienstnahme der Korrelationsmethode
als Legitimation für anderweitig schon längst Erkanntes
, sondern nur in echter wechselseitiger Abhängigkeit von existentiellem
Fragen und theologischen Antworten erweisen. Der Unterricht
läßt sich dann von dem Grundsatz leiten, „daß er die dem
Schüler vertrauten Grundphänomene seiner eigenen Lebenswelt als
Grundphänomene biblischer Texte durchsichtig macht und ihm damit
die Möglichkeit eröffnet, diese Grundphänomene zu erkennen,
zu artikulieren, zu durchdenken und zu bewältigen" (85). - Es folgt
ein kurzer Überblick über „Konzeptionen für den Konfirmandenunterricht
", der natürlich von der volkskirchlichen Situation in der
Schweiz und der BRD ausgeht. Die Konfirmation wird als Feier verstanden
, „in der die Konfirmanden ihre Erfahrungen mit der Kirche
selbst artikulieren dürfen und in der der Konfirmator noch einmal
den Glauben als Angebot für seine Konfirmanden verantwortet und
weiterfuhrende Aktivitäten der Gemeinde empfiehlt" (95).

„Kirche für die Jugend - aber wie?" fragt ein bisher unveröffentlichter
Vortrag, der zuerst die Begriffe „Jugend" und „Kirche" erklärt
, dann die spannungsvollen Beziehungen beider Größen zueinander
beschreibt und schließlich Zielvorstellungen für die kirchliche
Jugendarbeit umreißt. „Sie kann mitten in der Unsicherheit des
Glaubens Möglichkeiten neuer Glaubenserfahrung eröffnen im gemeinsamen
Feiern, aber auch als Solidarisierung mit Unterdrückten,
mit Armen, mit Randgruppen und mit Einsamen und Alten" (109).

Der Band schließt mit Problemanzeigen und Lösungsversuchen
zum Verhältnis von „Theologie und Religionspädagogik" (111-137).
Wegenast referiert die Konzeptionen von P. Biehl, R. Preul,
A. Stock, S. Vierzig und bemüht sich selber um „die Vermittlung
zwischen elementaren Grunderfahrungen und Lebenssituationen des
Schülers auf der einen Seite und den Grunddaten der Tradition und
heutiger Wirklichkeit des christlichen Glaubens auf der anderen im
Horizont bestimmter Schüler und ihrer gesellschaftlich vermittelten
Voraussetzungen" (134). In diesem Buch spricht ein Religionspädagoge
, der die Probleme klar erfaßt, aber sie nicht mit falschen Einseitigkeiten
zu lösen versucht.

Gutenberg b. Halle/S. Eberhard Winkler

Fraas, Hans Jürgen: Glauben und Lernen. Ein theologischdidaktischer
Leitfaden für die Elementarerziehung. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1978. 92 S. 8" = Kleine Vandenhoeck-
Reihe, 1444. Kart. DM 9,80.

In der religionspädagogischen Forschung der letzten Jahrzehnte
steht die Lerntheorie zweifellos im Mittelpunkt. Immer mehr ist auch
zu den Begriffen Bildung, Lernen, Erziehen neben dem kirchlichen
der gesellschaftliche Bezugsrahmen verdeutlicht worden. Ein intel-
lektualistischer Lernbegriff weicht mehr und mehr einem ganzheitlichen
Denken, das Lernen nicht mehr allgemein als Wissenszuwachs,
sondern als Verhaltensänderung begreift. Lernen beschränkt sich
nicht auf die unterrichtlichen Funktionen beispielsweise evangelischer
Unterweisung, sondern erstreckt sich ebenso auf die vorausgehenden
, begleitenden und nachfolgenden Beziehungen, in denen das
Kind steht.

Welche Bedeutung kommt aber nun dem Glauben in diesem zukunftsorientierten
Lernprozeß zu? Darüber schweigen die religionspädagogischen
Lehrbücher weithin. Wer Antwort über die Beziehung
zwischen Glauben und Lernen sucht, muß sich mit meist recht allge-