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Ausgabe:

1981

Spalte:

845-846

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Meyer, Ulrich

Titel/Untertitel:

J. S. Bachs Musik als theonome Kunst 1981

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

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turgeschichtliche Artikel in Verbindung mit Kunstdenkmälern und
mit Ausnahme des Schlusses von Kanontafeln von K. Wessel
(Sp. 961-968). Den Art. Kappadokien (968-1115) schrieb M
Restle, der als Verfasser eines dreibändigen Werkes und einer Reihe
von Studien über diesen Gegenstand bekannt geworden ist (s. a.
ThLZ 94, 1969 Sp. 453^455). M. Krause verfaßte Karm AbuMena
(1116-1158). Nach den damit überholten Arbeiten C.M.Kaufmanns
, „ein grabungsunerfahrener junger Wissenschaftler" (1116) (in
dessen wissenschaftlichem Gewandbausch unsereiner noch gelegen
hat!) und in angenehm sachlicher Auseinandersetzung mit ihm wird
diese exzellente, Topographie, Archäologie, Ikonographie, Religionsgeschichte
und Hagiographie gleicherweise berücksichtigende Studie
von den Fachgenossen ohne Zweifel sehr begrüßt werden. Der Me-
nas-Art. von G. Kaster im LChl 8, 1976 (sp. 3-7) stellt insofern eine
Ergänzung zu Krause dar, als er den Menas-Kult und seine Ikonographie
bis nach Novgorod hin verfolgt. Hinsichtlich der doppelten Herkunft
des Menas aus Phrygien und Ägypten sei P. Peeters, Le Tre-
fonds Oriental de l'Hagiögraphie Byzantine, Bruxelles 1950, 390 in
Erinnerung gebracht, der auf den Märtyrer Gordius von Cäsarea (vgl.
auch K. G. Kaster, LChl 6, 418-419) aufmerksam machte, dessen
Martyrium ähnliche Züge trägt, wie das des Menas. Peeters verweist
auch auf Cyrus, der, aus Panopolis stammend, nach einer steilen Hofkarriere
schließlich im phrygischen Cotyaeum Bischof wurde und
den dort bis dahin unbekannten Menas-Kult mit hoher Wahrscheinlichkeit
einführte. (Zu Gordius s. Krause, Sp. 1125). Wie Krause
sagt, ist es sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, Menas mit
einem nichtchristlichen Vorläufer individuell zu identifizieren. Mit
Kosmas und Damian, Georg, Demetrios von Saloniki, Blasios von
Sebaste und zahlreichen anderen gehört er zu den Heiligen mit komplexen
Patronaten, wie sie sich im indoeuropäischen Bereich und
außerhalb desselben finden. Der Art. Karthago von J. Christern
(1158-1189) verfolgt Geschichte, Kirchengeschichte und Archäologie
dieser alten, ursprünglichen punischen Stadt und St. Pelekani-
des im Art. Kastoria (1190-1224) dasselbe bei dieser für die byzanti-
nistische Kunstgeschichte, nicht zuletzt auch wegen der Dekorationssysteme
ihrer Kirchen wichtigen Stadt in Obermakedonien (die
Sp. 1217 erwähnte anthropomorphe Trinität der Panagia Kumpili-
dike gehört zu den ältesten Zeugnissen des ikonographischen Typs
der „Paternitas"). Auch der III. Band ist mit einem ikonographischen
und topographischen Register sowie mit Ergänzungen zum Abkürzungsverzeichnis
ausgestattet worden. Der Nachruf ist Hans Wentzel
(gest. 17.5. 1975) und Corina Nicolescu (gest. 4. 3. 1977 während der
Erdbebenkatastrophe in Bukarest) gewidmet.

Halle (Saale) Konrad Onasch

Meyer, Ulrich: J. S. Bachs Musik als theonome Kunst. Wiesbaden:
Breitkopf & Härtel 1979. 123 S. 8

Die Publikation ist hervorgegangen aus einer theol. Diss., Mainz
1976. Vf. will die Frage beantworten, „wie von dem Spezifischen
dieser Musik angemessen geredet werden könne", und er findet „in
Denken und Sprache Paul Tillichs eine Antwort" (Vorwort). „Ein
Hauptproblem der Bach-Hermeneutik" (Teil II) ist das Verhältnis
von ästhetischer und theologischer Interpretation, komplementär ergänzend
gedacht. Mit Hilfe des anhand der Syst. Theologie entwickelten
Theonomie-Begriffs Tillichs (Teil II) geht es um „die positive
Würdigung der Vernunft; die Bejahung der Autonomie; die zentrale
Verankerung der Theonomie im Offenbarungsgeschehen" (II). Die
„Tiefe der Vernunft" äußert sich aber in symbolischen Formen (17).
So versucht Vf. denn „Das Werk Johann Sebastian Bachs als theonome
Kunst" (Teil III) zu verstehen: Es „stellt sich dar als einzigartige
Synthese musikalisch-autonomer und außermusikalisch-theono-
mer Elemente" (19). Dies wird am Werk Bachs detailliert verifiziert.
Theologisch gewendet, entdeckt Vf. drei prinzipielle Problemkreise:

natürliche Theologie, Schöpfung und Erlösung, eschatologischer
Aspekt. Mit Hilfe der Musiklehre des Bach-Zeitgenossen Andreas
Werckmeister, von der Vf. annimmt, daß Bach sie gekannt habe
(104ff), werden diese musikalisch-theologisch vermittelt. Mit Gedanken
„Zu Bachs Gegenwartsbedeutung" (Teil IV) schließt die Arbeit. -
In einer Zeit, in der Bach-Deutung wieder neu gefragt ist, dürfte diese
Studie dankbar aufgenommen werden.

Freilich muß - und das wird den Vf. nicht verwundern - gefragt
werden, wieweit der Versuch, Bach mit Hilfe des Denkens und der
Sprache Tillichs zu interpretieren, gelungen ist. Gerade die angesprochenen
Problemkreise enthalten heute zum größten Teil so viel
eigene Fragen und Unsicherheiten, daß noch weitere Denkschritte
hätten eingefügt werden müssen, um die zugegeben interessante Argumentation
plausibel machen zu können.

Leipzig Martin Petzoldt

I haimann, Rita: Jochen Klepper. Ein Leben zwischen Idyllen und
Katastrophen. München: Kaiser 1977. 404 S. m. 65 Abb. 8*. Lw.
DM 38,-.

Als 1966 das von Ilse Jonas gestaltete Lebensbild „Jochen Klepper.
Dichter und Zeuge" erschien, schloß die ihm beigegebene Vorbemerkung
der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin mit dem Satz: „Die
Biographie Jochen Kleppers steht nach wie vor aus." Inzwischen ist
diese Feststellung ungültig geworden. Rita Thalmann, Germanistin
an der Universität Tours (Frankreich), hat die erste wissenschaftliche
Klepper-Biographie vorgelegt. Sie konnte sich bei ihrer Arbeit auf
wesentliche Vorarbeiten anderer Autoren stützen (die Briefsammlungen
von E.-J. Meschke und E. G. Riemschneider, die von Riemschneider
erarbeitete Dokumentation „Der Fall Klepper", die von
R. Wentorf gesammelten Erinnerungen der Weggefährten, die Klepperbücher
von Kurt Ihlenfeld und Ilse Jonas), hat aber auch den
schriftlichen Nachlaß durchforscht (die zu drei Vierteln unveröffentlichten
Tagebücher vor allem und private Briefe) und neue verläßliche
Mitteilungen aus Kleppers Lebenskreis eingeholt (am wichtigsten
die Erinnerungen von Helmut Gollwitzer und der Bericht über
Kleppers letzte Stunden von seiner Schwester, Frau Hildegard
Klepper).

Wie kann man sich einer Ge'stalt wie Jochen Klepper nähern? Wie
den Mann fassen, der unter dem Widerspruch tödlicher, aber von ihm
nie radikal verneinter Verhältnisse ein Ja existieren wollte zugleich
zum Preußentum und Judentum, Künstlertum und. Christentum -
und daran mit den Seinen zugrundeging? Viele Wege der Untersuchung
bieten sich an: literaturhistorische Einordnung und Werkanalyse
, wie man sie besonders von einem Germanisten zu erwarten
geneigt ist; zeitgeschichtliche Detailforschung und politische Kritik,
wie sie gewiß einer Darstellung aus der Emigrantenperspektive naheliegen
; psychologische und theologische Deutung, auf die der
deutsche Durchschnittsleser der Klepperschen Tagebücher vielleicht
am meisten aus ist. Rita Thalmann hat jeden dieser Wege begangen.
Aber keinem von ihnen hat sie sich für Stil und Verfahren der Gesamtdarstellung
anvertraut. Ihr Buch ist nämlich Erzählung, Nacherzählung
des im Umgang mit dem reichlichen Quellenmaterial
Nacherlebten. Ihr Buch fesselt, weil es die zu seinem Gegenstand erwählte
Lebensgeschichte für sich selbst sprechen läßt.

Aber was heißt im Falle Jochen Kleppers, daß seine Lebensgeschichte
für sich selbst spricht? Kann sie es eigentlich, da doch die
Zeit, an der dieses Leben scheiterte und für die es zugleich bezeichnend
war, für manche Leser immer noch im Dunst von Umdeutung
und Verdrängung, für andere unter dem Schleier des auf Sensation
deutenden Tabus verborgen liegt? Ohne die Partei nehmende Verantwortung
des Historikers spricht hier nichts deutlich genug für sich
selbst. Aber Partei nehmen aufweiche Weise? Die Vfn. hat ihren Weg
zwischen Verherrlichung und Denunziation gesucht. Für sie ist Kiep-