Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1981

Spalte:

838-839

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Eck, Johannes

Titel/Untertitel:

Enchiridion locorum communium adversus Lutherum et alios hostes ecclesiae 1981

Rezensent:

Bräuer, Siegfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

837

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

838

hat ihren theologischen Schlüssel in der Trennung der spanischen, legitimen
, franziskanischen und asketischen Mystik von der PseudoFrömmigkeit
und den Fehlwegen der sog. „Erleuchteten" (alumbra-
dores) (vgl. S. 82, 118). Die immer wieder aus den Resten maurischer
und jüdischer Tradition (S. 367) geheim zur Ablehnung der überlieferten
kirchlichen Glaubenswege sich zusammenfindenden Kreise
zogen auch am Hofe humanistische, lutherische oder dem Erasmus
nahestehende Gruppen an (S. 32, 362, 423). Hierbei dürfte auch an
die Reformbewegung im Vicekönigtum Neapel unter Juan und Al-
fonso de Valdes wie an Julia Gonzaga gedacht sein.

Die franziskanische Asketik und Mystik folgte Bonaventura, der
1482 (nicht 1484, S. 365) kanonisiert wurde, also genau in dem
Augenblick, da die Trennung als Problem allen Orden vor Augen
stand und nicht mehr hinausgeschoben werden durfte. Es ist fast als
Ironie der Geistesgeschichte anzusehen, daß die franziskanische Mystik
einesteils die Kraft entwickelte, die maurischen und jüdischen
„Erleuchteten" zu überwinden (S. 86), andererseits von den Mauren
und Juden begierig den mit Einblendungen vom Areopagiten durchsetzten
Aristoteles übernahm, weil der Areopagit der eigenen Mystik
recht nahe kam. Und dadurch haben die Franziskaner das Ende der
„reforma" in Spanien vorbereitet. Die Dominikaner haben bald den
echten Aristoteles kennengelernt und am Ende des 16. Jh. einen eigenen
Zuschnitt der Theologie eingeleitet. Damit ist der Weg zu Thomas
von Aquino freigelegt, der nun geistesgeschichtlich die vorrangige
Geltung von Bonaventura löst. Die durchaus schöpferische und
gestaltende Kraft der neu auftretenden Jesuiten ist vom Vf. jedoch in
diesem Zusammenhang nicht behandelt worden.

Es ist nicht unsere Sache, die darauf einsetzende Erstarrung, ja Verarmung
Spaniens zu beklagen. Solches tut der Vf. selbst oft genug
(S. 359,362).

Dem protestantischen Leser dürfte es wichtig sein zu erfahren,
warum der territorial 1492 endlich geeinte spanische Staat, z.T.
dann auch in Personal-Union mit Portugal, weder Mauren noch Juden
noch Erleuchtete noch Andersgläubige (Heterodoxos) duldete.
Unverkennbar wirkt das westgotische Reichsrecht, das nach Übertritt
der Westgoten vom Arianismus (587/89) zum Katholizismus und
nach Besitznahme der bisher von den Byzantinern beherrschten Gebiete
entwickelt wurde. Die Gesetzgebung Justinians blieb auch bei
wechselnden kirchlichen und staatlichen Grenzen merkwürdig fest
bestehen. Noch Gcrson (+ 1429) beharrt auf einer T heologie, einem
Glauben, einer Kirche, einem Volk, einem Reich und einem Papst
(vgl. S. 17). Bis hin zu den anfangs sehr umstrittenen Gründungsakten
der Universitäten, erst recht der später hinzukommenden theologischen
Fakultäten, spielt dieses Recht seine Rolle.

Das Urteil über Luther wird nebenbei abgegeben. Seine Reformation
sei ein Teil der um 1500 überall in Europa anzutreffenden Bewegung
der „Erleuchteten" gewesen. Die Möglichkeit, Luther habe spanische
Katholiken beeinflußt, wird vom Vf. glatt bestritten, es sei
denn, es sei über die in Spanien sich ausbreitenden Kreise der „Erleuchteten
" geschehen (S. 118, 359 Anm. 9). Man muß zugeben, daß
die protestantische Forschung nicht sorgfältig den Trennungsstrich
zwischen der Mystik und der Erleuchtung beachtet hat und beide
Möglichkeiten der Beziehung zu Gott zu sicher in eins gesetzt hat.

Indes ermangelt der spanischen Reform des 15. und 16. Jh. nicht
die heilsgeschichtliche Größe. Die franziskanische Mystik ist zwar
am Ende von den Dominikanern überholt worden, aber sie hatte zuvor
sogleich mit den ersten Entdeckern der neuen Teile des spanischen
Imperiums in Amerika und Fernost in messianischem Eifer
und Selbstverleugnung (S. 362) die Christianisierung dieser Erdteile
und Länder begonnen (S. XII), lange ehe in Mexiko, Lima und auf
den Philippinen der Lehrbetrieb der Dominikaner im Sinne des Thomas
von Aquino begann (vgl. S. 425).

Selbstverständlich kommen in einem so umfassenden Werke die
Bibelübersetzung, die Liturgie, Gebetsliteratur und Gebetsformen,
die Exegese, die Kunst der Confessiones und der Refutationes je an
ihrer Stelle zur Geltung, ohne jedoch die Bedeutung zu erlangen, die

der Disput zwischen den Franziskanern und Dominikanern, besser
zwischen den Anhängern des Bonaventura und des Thomas von
Aquino, erlangte.

Leider fehlt diesem mit Recht Aufsehen erregenden und großartig
angelegten Werke jedes Register, so daß wie so oft in der spanischen
Literatur eine Rückfrage zu Einzelheiten unmöglich ist.

Bremen Walter Nagel

Eck, Johannes: Enchiridion locorum communium adversus Lutherum
et alios hostes ecclesiae (1525-1543). Mit Zusätzen von Tilman
SmelingO. P. (1529, 1532). Hrsg. von Pierre Fraenkel, in Verbindung
mit dem Institut d'Histoire de la Reformation, Genf. Münster
/W.: Aschendorff 1979. 140*, 470 S., 2 Abb. auf Tafeln, gr. 8" =
Corpus Catholicorum, 34. Kart. DM 188,-.

-: Handbüchlin gemainer stell unnd Artickel der jetzt schwebenden
Neuwen leeren. Faksimile-Druck der Ausgabe Augsburg 1533.
Hrsg. u. mit einer Einleitung versehen von Erwin Iserloh. Münster
/W.: Aschendorff 1980. VIII, 114 S. gr 8" = Corpus Catholicorum
, 35. Kart. DM 48,-.

Mit seinen bisher bekannt gewordenen 121 Ausgaben (davon 10
Übersetzungen) gehört Ecks Enchiridion zu den Bestsellern des
16. Jahrhunderts. Nach dreizehnjähriger mühevoller Arbeit konnte
P. Fraenkel mit seinen Mitarbeitern eine kritische Ausgabe vorlegen,
die höchsten Ansprüchen standhält. In einer umfangreichen Einleitung
wird der Benutzer genauestens über Entstehung, literarische
Form, Aufbau, Quellen, Textgeschichte, Verbreitung, Bibliographie,
Anlage und Inhalt der einzelnen Kapitel und Methodik der vorliegenden
Ausgabe informiert. Fraenkel kann zeigen, daß Eck mit seinem
Enchiridion eigene längst gehegte Absichten einer umfassenden
Widerlegung der reformatorischen Lehrpunkte, unter Verwendung
von Ideen Aleanders und nach Impulsen von Campeggio verwirklichte
. Ihm ging es nicht so sehr um eine Erwiderung auf Melanch-
thons Loci communes, wie man bislang vermutet hat. Vielmehr benutzte
er diese „moderne" literarische Form, um den katholischen
Kontroverstheologen eine Material- und Argumentationshilfe für
ihre Auseinandersetzungen mit den reformatorischen Lehren bereitzustellen
. Eck verzichtet deshalb auf dogmatische Geschlossenheit -
es fehlen z. B. loci über die Trinität und die Christologie - und konzentriert
sich auf die für ihn konstitutiven zentralen Themen von
Lehre und Leben der Kirche. In der Regel setzt er jeweils bei den feststehenden
Grundpositionen an und bemüht sich, von da aus zur Ausführung
und Anwendung anzuleiten. Eck wertet für diese Absicht in
reichem Maße die testimonia patrum genauso aus wie einen großen
Teil des europäischen antireformatorischen Schrifttums. Es ging ihm
darum, dem gesamteuropäischen Echo der Reformation mit der Einheit
und Universalität des Widerspruchs zu begegnen. Die Argumente
der Gegner werden meist nur knapp und ohne Namensnennung
wiedergegeben.

Der Testgeschichte des Enchiridions hat Fraenkel besondere Aufmerksamkeit
angedeihen lassen (27*—45*). Seine Recherchen finden
ihren Niederschlag in einer detaillierten Bibliographie (63*-95*),
denen ein Stemma und eine textgeschichtliche Übersicht (60*0 sowie
eine chronologische Übersicht über die Drucke (96*) und eine Ta-
bella locorum communium (62*) beigegeben sind. Die Stufen der Revisionen
und die Bearbeitung anderer (vor allem Smclings) sowie ihre
Gründe werden von Fraenkel genau nachgezeichnet (27*-42*; teilweise
noch einmal bei der Einleitung zu den einzelnen Stücken:
45*-54*). Zum Einleitungsteil gehören noch ein Verzeichnis der konsultierten
Bibliotheken (97*—101 *) und ein umfangreiches Literaturverzeichnis
(102*—139*).

Der Herausgeber gibt über die Editionsgrundsätze genau Auskunft
(54*-59*). Textgrundlage ist Ecks Ausgabe letzter Hand von 1543.
Alle inhaltlich bedeutsamen Varianten sind in einem Variantenapparat
verzeichnet worden. Der Anmerkungsapparat enthält die Marginalien
, die Zusätze der deutschen Ausgabe, die Bibclstellen, den