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Ausgabe:

1981

Spalte:

829-830

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Klaus

Titel/Untertitel:

Religion, Versklavung und Befreiung 1981

Rezensent:

Krügel, Siegfried

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Seite 1

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829

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

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tik, wodurch er Kriege vermied und seinem Land und der lutherischen
Kirche friedliche Verhältnisse sicherte.

Martin Laustens Dissertation ist ein wichtiger neuer Beitrag zur dänischen
und deutschen Reformationsgeschichte wegen des umfassenden
neuen Quellenmaterials, das hier herangezogen und bearbeitet
worden ist. Der Vf. sollte jedoch in höherem Maße den Blick von den
Archivalien gelöst haben und die Sache in einer größeren Perspektive
gesehen haben. Es fehlen der Abhandlung z. T. der historische Hintergrund
und die politische Einsicht. Die Problematik, um welche der
Vf. seine Darstellung anordnet, nämlich das Verhältnis zwischen
Religion und Politik, gehört zu einer späteren Zeit und ist nicht dermaßen
charakteristisch für das 16. Jh. In seinen Briefen bringt Christian
III. niemals zum Ausdruck, daß er sich mit diesem Problem geplagt
hat. Der Vf. hat sicher darin recht, daß die Aufrechterhaltung
des Friedens das Leitmotiv für die Regierung des Königs gewesen ist,
sowohl politisch wie religiös begründet. Er hatte sich in seinen ersten
unruhigen Regierungsjahren von seinen Bundesgenossen, auch den
Schmalkaldenern, im Stich gelassen gefühlt. 1544 entschloß er sich
dazu, Frieden mit dem Kaiser zu schließen. Er leitete einen neuen
außenpolitischen Kurs ein, der ihm große politische Vorteile brachte,
aber natürlich auch voraussetzte, daß er der Politik des Kaisers
nicht entgegenwirkte. Es ist richtig, daß er durch Nichtteilnahme am
Schmalkaldischen Krieg seine deutschen Glaubensgenossen im Stich
ließ; aber der Vf. vergißt, daß Christian zu diesem Zeitpunkt keine
ökonomischen Ressourcen zur effektiven Kreigsführung besaß.

Bei der Beurteilung der dynastischen Politik des Königs soll man
auch die außenpolitischen Vorteile in Betracht ziehen. Was das
Fürstbistum Hildesheim von Herzog Frederik betrifft, ist es aber
schwer zu verstehen, wie Christian es mit gutem lutherischen Gewissen
billigte, seinen jüngeren Bruder eine katholische Überzeugung simulieren
zu lassen. Aber es ist auch schwer zu verstehen, daß die
kirchlichen Autoritäten, Kardinäle, der Papst und der katholische
Kaiser diese Geschichte glauben konnten. Vielleicht kann es damit
erklärt werden, daß diese Fürstbistümer, wobei es sich ja zuallererst
um das bischöfliche Gut handelte, jetzt dermaßen säkularisiert waren
, daß die Besetzung überwiegend eine politische Frage und das
Religiöse eine Formsache war.

Trotz diesen und anderen kritischen Einwänden ist die Abhandlung
Martin Laustens eine sehr verdienstvolle Arbeit wegen des umfangreichen
neuen Stoffes, der hier bearbeitet worden ist, und sein
Buch wird sicher fleißig von denjenigen Forschern, die an der
dänisch-deutschen Reformationsgeschichte arbeiten, benutzt werden.

Kopenhagen Niels Knud Andersen

Kirchengeschichte: Neuzeit

Schmidt, Klaus: Religion, Versklavung und Befreiung. Von der englischen
Reformation bis zur amerikanischen Revolution. Stuttgart-
Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer 1978. 158 S. 8° Kart. DM 25,-.

Nach einer kurzen Einleitung, deren Thema „Elend, Protest und
Revolte unter Heinrich VIII. und Edward VI." ist, werden in vier
Teilen „Das Selbstbewußtsein des .neuen Israel'", „Versuche zur Befreiung
des Menschen zur Zeit der englischen Revolution", „Der
Kampf gegen die Neger-Sklaverei" und „Die amerikanische Revolution
" behandelt. In einem Vorwort verdeutlicht Vf. den Skopus seiner
Darstellung. „Die christliche Religion hat auch in der angelsächsischen
Geschichte zutiefst ambivalent gewirkt. Sie hat dazu beigetragen
, daß Menschen unterdrückt und daß Menschen befreit wurden"
(10). „In der amerikanischen Revolution kam der Widerspruch zwischen
Freiheitsstreben der Weißen und der von ihnen z. T. verstärkt
betriebenen Sklaverei voll zum Durchbruch" (11). „Die vorliegende
Arbeit untersucht überwiegend protestantische Strömungen, Gruppen
und Individuen der angelsächsischen Geschichte des 17. und

18. Jahrhunderts, die unter Aufnahme wesentlicher jüdisch-christlicher
Grundauffassungen in exemplarischer Weise emanzipato-
risch und befreiend gewirkt haben" (12). „Die in diesem Buch aufgeführten
christlichen Individuen, Gruppen oder Denominationen, die
andere oder sich selbst von Unterdrückung befreien wollten, handelten
zumeist aus direkter Betroffenheit heraus. Dabei griffen sie auf
christliche Argumente und Motive zurück, die ihnen von ihrer religiösen
Erziehung oder Überzeugung her nahelagen. Bei den einen
(den Puritanern zum Beispiel) stand das alte Testament im Vordergrund
. Sie kamen immer wieder auf das Exodus-Motiv als Befreiungsgrundmuster
. Bei anderen (zum Beispiel den Quäkern) stand der leidende
und auferstandene Christus und die Liebes-Ethik des Neuen
Testamentes (,Goldene Regel') im Mittelpunkt ihres Glaubens. Für
viele war Jesus der letzte Maßstab, für andere das (christlich verstandene
) Naturrecht. Manche sahen da gar keinen Unterschied. An einer
systematischen Erfassung ihres Tuns waren die meisten in der Regel
kaum interessiert" (13).

Hätte Vf. aus diesem Sachstand methodische Konsquenzen für die
Anlage seiner Studie gezogen und sich zu einem auf fragwürdige Modernisierungen
verzichtenden historischen Aufriß der auf dem europäischen
Festland in der Tat viel zu wenig bekannten Vorgänge entschlossen
, um diese sodann mit einiger Gründlichkeit theologisch zu
reflektieren, so dürfte man dem Büchlein höchstes Lob zollen.

Leider fehlt eine solche theologische Verarbeitung - Vf. begnügt
sich mit einer „Zusammenfassung" von ganzen zwanzig Zeilen (142)
-, an ihre Stelle tritt vielmehr die sich immer wiederholende, allzu
plakative Bewertung der Ereignisse und Standpunkte mit Hilfe des
Instrumentariums neomarxistischer Politologie.

Dennoch bleibt es das Verdienst des Vf., eine große Materialfülle
ausgebreitet zu haben - allein schon die Literaturangaben (145-154)
liefern den Beweis, daß dem Buch eingehende Quellenstudien zugrunde
liegen -, so daß der Leser Wissenslücken schließen und Klischees
korrigieren kann. Außerdem ist das Buch trotz seiner Mängel
sehr wohl imstande, wirksame Impulse für die in der gesamten Ökumene
notwendige verstärkte Solidarisierung mit all denen zu geben,
die nach wie vor unter Rassendiskriminierung und brutaler Ausbeutung
zu leiden haben.

Leipzig Siegfried Krügcl

Hahn, Hans-Christoph, u. Hellmut Reichel [Hrsg.]: Zinzendorf und
die Herrnhuter-BrUdcr. Quellen zur Geschichte der Brüder-Unität
von 1722 bis 1760. Hamburg: Wittig 1977. 520 S. m. 68 Abb. 8°.
Lw. DM 48,-.

Das Buch bietet eine mit Liebe zusammengestellte, übersichtlich
gegliederte Auswahl von „ungedruckten oder kaum greifbaren Textabschnitten
" (Quellen) aus der Entstehungszeit der erneuerten Brüder
-Unität bzw. der Herrnhuter Brüdergemeine (weitere Namen:
Unitas Fratrum, Moravian Church).

Diese kleine Kirche besteht heute aus 17 Unitätsprovinzen in
Europa, Afrika und Amerika. Sie umfaßt z. Zt. ca. 444 000 eingetragene
Mitglieder in aller Welt.

Die Herausgeber dieses Buches und ihre Mitarbeiter zählen fast alle
zur Ev. Brüder-Unität oder stehen ihr nahe. Darüberhinaus sind sie
mit gemeinsamen Vorhaben in der Zinzendorf-Forschung befaßt.
Einige von ihnen gehören der Historischen Kommission zur Erforschung
des Pietismus an. Neben den Theologen Kai Dose, Dietrich
Meyer, Hellmut Reichel und Heinz Schmidt kommen auch Jörn Reichel
als Germanist und Guntram Philipp als Wirtschaftswissenschaftler
zu Wort. H.-Chr. Hahn ist Theologe und zugleich Psychologe,
was seine Ausführungen stark geprägt hat. Ihr Gemeinschaftswerk
zeugt sowohl von Sachkenntnis als auch davon, daß die Verfasser von
dem Gehalt der dargebotenen Stoffe bewegt und daran interessiert
sind, daß das historische Erbe der Ev. Brüder-Unität und der daraus
erwachsende Auftrag nicht in Vergessenheit geraten.