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Ausgabe:

1981

Spalte:

827-829

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Lausten, Martin Schwarz

Titel/Untertitel:

Religion og politik 1981

Rezensent:

Andersen, Niels Knud

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

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unterschätzt. Instruktiv sind die Darlegungen zu den Kenntnissen
und Abhängigkeiten Luthers (antike, geistliche und weltliche Literatur
, Humanismus) und den Grundhaltungen (Selbsteinschätzung,
didaktische Funktion, Engagement, Humor). Ausführlicher wird
über die noch ungenügend erforschten Erscheinungsformen (Programmschriften
und Katechismus, Kampf- und Streitschriften, Er-
bauungs-und Andachtsliteratur, Predigten, Bibelverdeutschung, Lieder
, Spruchgut, Fabeln, Briefe und Tischreden) informiert. Es folgt
ein Abschnitt über Rezeptionsfragen und ein sehr knapper Überblick
über die literarischen Auswirkungen. Vor allem die literaturgeschichtlichen
Partien sind nur eine erste Skizze. An dieser Stelle wird
der unbefriedigende Forschungsstand unübersehbar. Zu fragen ist
dennoch, ob dieser Teil des Buches für künftige Auflagen nicht etwas
ausgebaut werden könnte. Kleinere Wünsche ergeben sich auch zu
den bibliographischen Angaben. Auch wenn eine drastische Auswahl
unumgänglich war, sollte man auf H. Böhmers Biographie nicht
verzichten (vielleicht im Austausch gegen G. Ritters Lutherbuch). Bei
den Flugschriftenbibliographien sollten die Neudrucke mit verzeichnet
werden. Bedingt durch den geringen zur Verfugung stehenden
Raum sind einzelne Formulierungen etwas zu undifferenziert ausgefallen
, so die zu Luthers Abgrenzung von den sozialen Forderungen
(14), die bereits 1522 ihren ersten literarischen Niederschlag gefunden
hat. Hierzu gehören auch die Bemerkungen zu Luthers Griechischkenntnissen
(17), zu Luthers Kritik an Müntzers Hymnenübersetzungen
(46), zum Gegensatz zwischen Scholastik und Mystik
(117) sowie die Ausführungen zum Bauernkrieg (113: Luthers „Ermahnung
zum Frieden" richtete sich nicht nur an die Obrigkeit; die
Aktionen der Aufständischen waren nicht nur „Verzweiflungstaten
"). Da Wolf Luther selbst ausgiebig und stets mit exakter Quellenangabe
zu Wort kommen läßt und in einem bewundernswertem Ausmaß
die Sekundärliteratur aufgearbeitet hat (jeweils zu den Sachabschnitten
verzeichnet, aber durch ein Namenregister leicht aufzuschlüsseln
), ist sein Buch eine der nützlichsten neueren Veröffentlichungen
auf dem Gebiet der Lutherforschung, für das ihm über den
Kreis der Germanisten hinaus auch Historiker und Theologen zu
Dank verpflichtet sind.

Sinnstörender Druckfehler auf S. 35. Die 3. Aufl. von Alands Hilfsbuch ist in
Witten erschienen.

Berlin Siegfried Bräuer

Lausten, Martin Schwarz: Religion og Politik. Studier i Christian Iiis
forhold til det tyske rige i tiden 1544-1559. Mit einer Zusammenfassung
in deutscher Sprache. Kabenhavn: Akademisk Forlag,
Universitetsforlaget 1977. 374 S. gr. 8° = Kirkehistoriske Studier,
udgivet af Institut for Kirkehistoriske K0benhavns Universitet.
Kart, dkr 118.-.

Der Verfasser, der Lektor an der Universität von Kopenhagen ist,
will mit dieser Abhandlung das Verhältnis zwischen Religion und Politik
in den Beziehungen von Christian III. zur katholischen Kaisermacht
und den lutherischen Fürsten untersuchen. Es handelt sich um
den Zeitraum vom Jahre 1544, als der dänische König einen Friedensvertrag
mit Kaiser Karl V. schloß, bis zum Jahre 1559, dem Todesjahr
des Königs. Der Vf. hat aus dänischen und deutschen Archiven
eine große Anzahl bisher unbekannter oder unbenutzter Dokumente
an den Tag gebracht, und hat so eine ausführlichere Darstellung
des Themas geben können, als wir sie bis jetzt gehabt haben.

Nach dem Friedensvertrag mit dem Kaiser 1544 betrieb Christian
III. eine habsburgfreundliche Politik. Er ging weit, um das gute
Verhältnis zum Kaiser zu bewahren, und erreichte dafür bedeutende
politische Vorteile, vor allem, daß niemand den Frieden und die
kirchlichen Verhältnisse in seinem eigenen Land angriff. Aber gleichzeitig
war Christian ein frommer lutherischer Fürst, der durch viele
Bande mi' den deutschen Reformatoren und den lutherischen Fürsten
verbunden war, was aus der umfangreichen Korrespondenz hervorgeht
. Die habsburg-freundliche Politik des Königs führte daher

nach der Meinung des Vf. zu einem Konflikt, wobei religiöse und
konfessionelle Rücksichten seinen realpolitischen Zielen Platz machen
mußten.

Der erste Hauptabschnitt schildert die Haltung Christians III. zur
Religionspolitik von Kaiser Karl V. Durch die Instruktionen des Königs
an seine Gesandten für die deutschen Reichstage, die Berichte
der Gesandten Tür die deutschen Reichstage, die Berichte der Gesandten
und die übrige Korrespondenz des Königs lernen wir die Entwicklung
kennen. Der König ist dem Kaiser gegenüber entgegenkommend
. Während des Schmalkaldischen Krieges verweigerte er z. B.
seinen lutherischen Glaubensgenossen militärische und ökonomische
Hilfe. Aber gleichzeitig mit seiner kaiserfreundlichen Politik gab der
König in Briefen an die deutschen Reformatoren seiner Besorgnis
über das Schicksal der deutschen Lutheraner Ausdruck, so wie er
auch verordnete, daß besondere Bettage in den dänischen Kirchen gehalten
werden sollten.

Der nächste Abschnitt über die dynastische Politik des Königs
zeigt, daß er auch auf diesem Gebiet zu bedeutenden Zugeständnissen
in konfessionellen Beziehungen bereit war. Christian und seine zwei
Brüder wünschten, daß der jüngste Bruder Frederik durch ein Fürstbistum
versorgt wurde, um damit eine weitere Teilung der Herzogtümer
zu vermeiden. Im Jahre 1549 war er lutherischer Bischof in
Schleswig geworden, aber die Einkünfte des Bistums waren nicht ausreichend
. 1551 wurde er zum katholischen Bischof in Hildesheim
gewählt, und 1554 folgte schließlich die Zustimmung des Papstes. Ein
Versuch, das Bistum Bremen für den Sohn des Königs, Herzog Magnus
, zu erwerben, mißglückte. Verhandlungen über die Ehe zwischen
dem Thronfolger Prinz Frederik und Leonora, Tochter des
Bruders und Nachfolgers von Kaiser Karl, Ferdinand, ergaben kein
Resultat, da Ferdinand die Sache schließlich aufgab, eben aus religiösen
Gründen.

Der letzte große Abschnitt behandelt die Stellung von Christian III.
zu den lutherischen Lehrstreitigkeiten. Es wird betont, daß es sich
hier nicht bloß um eine theologische Auseinandersetzung handelte:
auch der Streit zwischen den beiden sächsischen Fürstenhäusern
spielte eine Rolle. Der König griff in die deutschen Lehrstreitigkeiten
ein, sowohl aus politischen, religiösen wie persönlichen Gründen.
Selbstverständlich unterstützte er seinen Schwiegersohn, Kurfürst
August von Sachsen, aber außerdem sah er die politische Gefahr, die
die gegenseitige Uneinigkeit der Theologen mit sich brachte. Hierzu
kam noch, daß er von seinem lutherischen Laiengesichtspunkt aus
die Lehrstreitigkeiten der Theologen nur als überflüssig und schädlich
betrachten konnte. Alles war ja klar und deutlich in der Bibel,
dem Katechismus von Luther, der Confessio Augustana usw. dargestellt
. Der Vf. behandelt eingehend die Stellung von Christian /u
Osiander, Georg Major und Hardenberg. Überall hat er neues und
interessantes Quellenmaterial herangezogen. Im Archiv des Kurfürsten
August in Dresden hat er z. B. ein Exemplar des dänischen
Abendmahlsbekenntnisses von 1557, Tabella de coena Domini, gefunden
, das von den dänischen Theologen im Auftrag des Königs in
Zusammenhang mit dem Hardenbergerstreit in Bremen ausgearbeitet
wurde. Der Versuch des Königs, im deutschen Abendmahlsstreit zu
vermitteln, war aber vergebens. Trotz wiederholten inständigen Aufforderungen
konnte er Melanchthon nicht dazu bewegen, eine kurze
und klare Äußerung zu dem Streit abzufassen.

Zuletzt faßt der Vf. die Resultate seiner Untersuchungen zusammen
und versucht eine Lösung seines Problems: Das Verhältnis zwischen
Religion und Politik in der Außenpolitik von Christian III. zu
finden. Durch seine habsburg-freundliche Politik erreichte der König
große politische Vorteile, aber dies geschah auf Kosten seiner religiösen
Überzeugung. Daß der König persönlich ein frommer lutherischer
Christ war, ist über allen Zweifel erhaben. Seine Innenpolitik,
die Korrespondenz mit den deutschen Reformatoren usw. zeigen dies
deutlich. Als Lösung seines Problems findet der Vf. - nicht überraschend
-, daß die Aufrechterhaltung des Friedens das übergeordnete
politische Ziel des Königs gewesen ist. Dies erklärt seine Außenpoli-