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Ausgabe:

1981

Spalte:

823-825

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Mayer, Hans Eberhard

Titel/Untertitel:

Bistuemer, Kloester und Stifte im Koenigreich Jerusalem 1981

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

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in ihrer Relevanz für das Verständnis des Gedichts sachkundig erörtert
zu bekommen - eine erhebliche Entlastung für jeden Bibel wissenschaftler
, dem eben jene profangriechischen Texte nicht vertraut
sind. Hier aber liegt die eigentliche „Tendenz" der Arbeit: das meist
nur dem Namen nach bekannte Pseudepigraphon für den Neutesta-
mentler so zu erschließen,2 daß es wirklich als jüdischer und hellenistischer
Text verständlich wird, d. h. dem Leser deutlich zu machen,
daß mit dem Aufweis biblischer Anklänge bzw. Quellen allein nicht
auszukommen ist, sondern daß auch die hellenistische Literatur zum
Verständnis unentbehrlich ist. Daß das Gedicht in dieser Weise „auf
der Grenze" steht, macht es gerade zu einem bemerkenswerten Zeugnis
dafür, wie weitgehend - fast bis zur Aufgabe der noch erkennbaren
jüdischen Identität - sich Juden der griechischen Diaspora in das Bildungsgut
und die popularphilosophische Lebenshaltung ihrer Umwelt
hineinbegeben konnten und hineinbegeben haben.

Alles in allem: Unbeschadet neuerer Forschungsbeiträge3 liegt
hier ein für die weitere Arbeit an und mit den Sentenzen des Pseudo-
Phokylides unentbehrliches Handbuch vor, das sorgsam und klar
über die bisherige Forschung informiert und alles für die Exegese nötige
Material zuverlässig aufarbeitet - eine höchst dankenswerte Arbeit
, die zu breiterer Beschäftigung mit dem merkwürdigen Text anregen
sollte.

Naumburg Nikolaus Walter

' Seither sind vor allem zu nennen: Ulrich Fischer, Eschatologie und Jenseitserwartung
im hellenistischen Diasporajudentum, Berlin 1978 (BZNW 44),
S. 125-143 (zu V. 103-117); Max Kiichler, Frühjüdische Weisheitstraditionen,
Freiburg/Schweiz und Göttingen 1979 (OBO 26), S. 236-302.

2 Spezielle Erträge für den Neutestamentier will der gleichzeitig erschienene
Aufsatz fruchtbar machen: P. W. van der Horst, Pseudo-Phocylides and the
New Testament (ZNW 69, 1978, 187-202).

3 Von den in Anm. 1 genannten Werken arbeitet Fischer anhand der
Jenseitserwartung nach V. 103-117 die Position des Pseudonymen Autors zwischen
jüdischer Tradition und hellenistischem Denken nochmals deutlich heraus
; Küchler stellt das Gedicht umfassend in die Geschichte der griechischen
Gnomologienliteratur hinein und begründet mit sorgsam erstellten Tabellen
zum Stil und zur Struktur des Gedichts u. a. die These, daß die Suche nach
einer thematischen Durchgliederung des Lehrgedichts gemäß dem Gesetz der
Gattung erfolglos bleiben muß. In beiden Fällen stellt die Beschäftigung mit
Pseudo-Phokylides nur ein Kapitel der jeweiligen Arbeit dar.

Kirchengeschichte: Mittelalter

Mayer, Hans Eberhard: Bistümer, Klöster und Stifte im Königreich
Jerusalem. Stuttgart: Hiersemann 1977. XXVII, 438 S. gr. 8° =
Schriften der Monumenta Germaniae Historica, 26. Lw.
DM 130,-.

Der Kieler Historiker H. E. Mayer ist durch zahlreiche Arbeiten
zur Geschichte der Kreuzzüge bekannt. Im Vorwort verweist er auf
die schwierige Quellenlage. Die Archive der Kreuzfahrer sind verständlicherweise
nicht erhalten, nur geringe Reste sind überliefert, die
Quellenlage ist „höchst ungleich" (VII). Einzelne Vorgänge lassen
sich genauer aufhellen, es ergeben sich manche Querverbindungen.
Mayer will „Prolegomena zu einer Kirchengeschichte des Königreiches
Jerusalem im 12. Jahrhundert" vorlegen. Mehrfach wird eine
bisher ungedruckte Kieler Habilitationsarbeit (1972) von Rudolf Hiestand
„Die päpstlichen Legaten im lateinischen Orient bis 1204" genannt
, die weitere „Bausteine für eine Kirchengeschichte Palästinas
unter den Kreuzfahrern liefern" solle (IX). Im umfangreichen Quellen
- und Literaturverzeichnis fehlt die Arbeit von Anneliese Lüders,
Die Kreuzzüge im Urteil syrischer und armenischer Quellen (Berlin,
Akademie-Verlag 1964). Eine zusammenhängende Kirchengeschichte
des heiligen Landes unter den Kreuzfahrern wird sich nach Mayers
begründetem Urteil „wahrscheinlich überhaupt nie ermöglichen lassen
" (VII).

Teil I „Bistümer" stellt zunächst den Jerusalemer Patriarchen
Daimbert in den Mittelpunkt, der 1099 sein Amt übernahm. Er war

vorher Erzbischof von Pisa gewesen und brachte entsprechende
Zielvorstellungen mit; er war „als Erzbischof Stadtherr" gewesen
(18). Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat gestaltete sich im gerade
neu begründeten Kreuzfahrerland recht spannungsvoll. Ostern
1100 erreichte Daimbert eine größere Schenkung, die mit der Anwesenheit
einer pisanischen Flotte in Zusammenhang gebracht werden
kann. Daimbert erstrebte vor allem ein ihm unterstelltes Bistum in
Jaffa, wo eine Peterskirche ihm wichtig war, die es in Jerusalem nicht
gab. Patriarch Stephan von Jerusalem (1128-1130) hat die
umstrittene Schenkung erneut beansprucht, jedoch auch ohne Erfolg
(43). Wohl im Jahre 1107 wurde der erste Bischof für Askalon gewählt
, der 1108 auf das neu begründete Bistum Bethlehem überwechselte
, das der Kontrolle Jerusalems entzogen war (58). Das Zerwürfnis
zwischen König und Patriarch spielte dabei eine wichtige Rolle; der
König war zu einer Entschädigung des Patriarchen bereit (70-72).
Anfänge eines Bistums in Tiberias werden bis 1109 zurückverfolgt
(81-97). Für die Gründung eines Erzbistums Tyrus 1128 werden
neue Einzelheiten beigebracht: Der nördliche Teil des Erzbistums
unterstand dem Patriarchen von Antiochien, der südliche dem
Patriarchen von Jerusalem, der Erzbischof selbst wurde von Jerusalem
her eingesetzt (101). Ein besonderer Streit entstand wegen der
alten Kathedrale, die zwischen 315/19 von dem Kirchenhistoriker
Euseb von Cäsarea eingeweiht worden war (105). Mayer weist nach,
daß diese Kirche direkt Jerusalem unterstand, während der Erzbischof
in einer anderen Kirche amtieren mußte. In Askalon sollte
1153 erneut ein Erzbistum errichtet werden (112), doch wehrte sich
der Bischof von Bethlehem dagegen und fand Rückhalt in Rom (124).
Erst 1160 wurde das Problem gelöst (132). Die kirchliche Gliederung
Samarias um 1160 hängt vor allem von Nablus ab (172 ff). Dort hatte
der Dekan des Chorherrenstifts Aufgaben zu versehen, die denen
eines Bischofs nahe kamen (193). Es kam 1168 zu einem kirchlichen
Neugliederungsversuch. Das Bistum Hebron sowie das Erzbistum
Petra wurden begründet, erneut sollte St. Peter in Jaffa zur Bistumskirche
erhoben werden. König und Patriarch handelten gemeinsam,
Rom wurde mit in die Verhandlungen einbezogen (199). Die Pläne
ließen sich jedoch nicht verwirklichen, auch die unklaren
Verhältnisse in Nablus konnten nicht verändert werden.

Teil II „Klöster und Stifte" informiert zunächst über den Besitz des
Klosters S. Maria Latina in Jerusalem, das mit Sicherheit in die Zeit
vor den Kreuzzügen, vielleicht sogar bis in die Karolingerzeit zurückreicht
(215-221). Das Templum Domini war der achteckige Felsendom
in Jerusalem; zu ihm gehörte ein Chorherrenstift, das genauer
untersucht wird (222-229). Die Geschichte des Kanonikerstifts auf
dem Berge Sion bei Jerusalem führt in altkirchliche Zusammenhänge
hinein (231), erlebte aber im 12. Jh. erhebliche Veränderungen. Die
Anfänge des Benediktinerinnenklosters der hl. Anna am Teich Be-
thesda wurden mit lokalen Traditionen der Heilungsgeschichte von
Joh 5,2-9 in Zusammenhang gebracht (247). Am ausführlichsten
nimmt Mayer Stellung „Zur Frühgeschichte des Klosters S. Maria im
Tal Josaphat" (258-3 71). Ein größerer Bestand des Klosterarchivs gelangte
nach Sizilien; doch waren hier „virtuose Urkundenfälscher am
Werk" (VII), so daß die Echtheit mancher Stücke fraglich ist
(294-311 und 314-340). Der erste Abt Hugo von Josaphat gründete
ein Armenspital und Pilgerhospiz, so daß sich „religiöse Verehrung
heiliger Stätten und Mäzenatentum ebenso wie sozialfürsorgerische
Gesichtspunkte zu einem wertvollen Ganzen verbinden konnten"
(293). Das Kloster hatte aber auch noch ganz andere Ambitionen: Es
„erschlich sich ... die Vergünstigung, in allen Häfen des Königreichs
Jerusalem volle Befreiung von allen Abgaben für alle klostereigenen
Schiffe ohne Rücksicht auf die Ladung sowie die volle Zollbefreiung
für alle Leute des Klosters beim Binnenhandel im ganzen Reich"
(311). Die Expansionspolitik des Klosters in Judäa, Samaria, Galiläa
bis hin in das Ostjordanland wird in vielen Einzelheiten dargestellt
(340-371). Es folgt das Kloster St. Lazarus in Bethanien, dem zeitweilig
die Schwester des Königs vorstand; es soll sich um ein Doppelkloster
gehandelt haben (372-402). Neben zwei schon bekannten Clu-