Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1981

Spalte:

812-813

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pesch, Rudolf

Titel/Untertitel:

Das Abendmahl und Jesu Todesverständnis 1981

Rezensent:

Holtz, Traugott

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

811

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

812

2-12) bzw. traditionsgeschichtlicher Gesichtspunkte (S. 35-37: Q-
Stoff bzw. Sondergut bei Mt - S. 35 fehlt offenbar eine Zwischenüberschrift
; entsprechend S. 58-60 zu Lk) im Vordergrund. Durchweg folgen
dann Fragen, die auf den Inhalt oder auf die besonderen Probleme
des jeweiligen Buches Bezug nehmen; Fragen und Antworten
sind eigentlich durchweg sachgemäß und führen stets zu den wesentlichen
Problemen, wobei M. darauf verzichtet, Spezialthesen zu vertreten
(solche kommen allenfalls in den „Problemanzeigen" zu Wort,
auffälligstes Beispiel S. 225).

Angemessen ist die Auswahl der mit den „Problemanzeigen" verknüpften
Literatur. M. will „das subjektive Moment bei solcher Auswahl
möglichst wenig hervortreten ... lassen" (S. 7), was ihm im ganzen
auch gelungen zu sein scheint; es leuchtet mir allerdings nicht
ein, warum bei den Hinweisen auf weiterführende Literatur (S. 111)
zum Thema Religionsgeschichte nur O. Böcher, Das NT und die
dämonischen Mächte, und zum Thema „Theologie des NT" lediglich
Kümmels Darstellung genannt wird.

Zweifellos kann man sagen, daß Studenten, die sich in eigener Arbeit
das NT bibelkundlich erschließen wollen oder die sich auf entsprechende
Prüfungen vorbereiten müsssen, hier ein außerordentlich
nützliches - und bisweilen sogar amüsantes (S. 258f) - Hilfsmittel an
die Hand bekommen.

Trotz dieses insgesamt positiven Eindrucks seien aber doch Fragen
zum Grundsätzlichen und zu einigen Details notiert.

Das Frage-Antwort-Verfahren wirkt auf den ersten Blick einleuchtend
. Aber M.s Erklärung, alle Fragen könnten „durch aufmerksame
Lektüre des griechischen Textes oder einer Übersetzung beantwortet
werden" (S. 7), ist m. E. zu optimistisch; die Frage etwa: „Welche
christologischen Hoheitstitel finden sich in Q?" (S. 81), kann ein Student
nicht einmal mit Hilfe einer Konkordanz beantworten; Ähnliches
gilt für die Aufgabe, Beispiele für das johanneische Stilmittel des
„Mißverständnisses" zu nennen (S. 88). Es wäre gut, wenn M. zumindest
bei allen schwierigeren Fragen leicht zugängliche Hilfsmittel für
die Beantwortung nennen würde, damit der Leser angeregt wird, eine
eigene Antwort jedenfalls vorläufig zu versuchen (Beispiel: Bei der
Frage nach den eschatologischen Aussagen des Joh werden Begriffe
genannt, die man in der Konkordanz nachschlagen kann, S. 89); in
der vorliegenden Form erweisen sich die Fragen als im Grunde gar
nicht ernst gemeint, sondern einfach als sprachlich umgestaltete
Überschriften.

Die „Problemanzeigen" sind in sich nicht ganz einheitlich: In der
Regel skizziert M. ein Problem, ohne einen eigenen Lösungsvorschlag
zu machen; bisweilen gibt er aber auch ein eigenes Urteil ab (so
S. 65; besonders auffallend S. 169: Die These, Rom 16 sei unmöglich
selbständig gewesen, sei „schon textkritisch unhaltbar"; wie steht es
dann mit den von M. durchaus zustimmend referierten Teilungshypothesen
zu 2Kor und Phil, die allesamt textkritisch nicht zu verifizieren
sind?), manchmal enthält die „Anzeige" überhaupt kein
Problem (S. 165.234).

Bei den Evangelien nehmen die Fragen nach Quellen und Vorlagen
relativ breiten Raum ein, in der Apg-Darstellung dagegen fehlt
ein solcher Abschnitt ganz (Ausnahme: M. verweist S. 103 auf die
Wir-Stücke; aber hier muß sich dem Leser, der nicht sofort den erwähnten
Haenchen-Aufsatz liest, der Eindruck aufdrängen, Lukas
selbst sei der in diesen Stücken anscheinend zu Wort kommende
Augenzeuge). Allerdings findet sich S. 180f ein schöner vergleichender
Überblick über Gal 2/Apg 15.

Noch einige Kleinigkeiten:

S. 28: Der weniger informierte Leser muß den Eindruck gewinnen, Wredes
Definition des Messiasgeheimnisses bei Mk sei die nach wie vor anerkannte; in
der neueren Forschung umstritten sei lediglich die Frage, auf welche Traditionsschicht
es zurückgeht.

S. 33: Schmithals meint keineswegs, daß der ursprüngliche Mk-Schluß verlorengegangen
sei, sondern er findet ihn in Mk 9,2-8; 3,13-19; 16,15-20.

S. 121: Daß IThess „der älteste erhaltene Paulusbrief' ist, läßt sich nicht
aus ihm selbst, sondern nur aus der Apg erschließen, das sollte zumindest erwähnt
werden.

S. 140ff: In Abschnitt 12 (zu 2Kor) vermißt man eine Erwähnung der Diskussion
über die Echtheit von 2Kor 6,14-7,1 (vgl. dagegen S. 136 zu IKor
14,33-36).

S. 190ff: Anders als bei 2Thess und Eph wird ausgerechnet beim Kol die
Echtheitsfrage nicht explizit diskutiert, sondern die Unechtheit einfach vorausgesetzt
.

S. 221: Die These, es habe gnostische Gruppen mit einer „libertinistischen
Haltung" gegeben, ist aus gnostischen Primärquellen nicht zu belegen.

S. 241 Z. 10 enthält einen den Anfänger möglicherweise doch verwirrenden
Satzfehler: Lies „Konjektur" (nicht: Konjunktur).

S. 263: Der Vorschlag, „Belege" für die einzelnen Aussagen des Apostoli-
cums zusammenzustellen, kann dem Mißverständnis Vorschub leisten, das Bekenntnis
sei eine Art Addition solcher ntl. Aussagen.

Bethel Andreas Lindemann

Pesch, Rudolf: Das Abendmahl und Jesu Tudesverständnis. Freiburg
-Basel-Wien: Herder 1978. 125 S. 8° = Quaestiones Disputa-
tae, 80. Kart. DM 23,-.

„Was den Leser erwartet, ist die ausfuhrliche Begründung des Urteils
, daß das Abendmahl auf Jesus von Nazaret selbst zurückgeht,
daß die älteste erreichbare Fassung der Abendmahlsworte von Jesus
von Nazaret selbst gesprochen wurde und daß sich in ihnen ganz
deutlich ein klares Todesverständnis Jesu spiegelt, eine Deutung seines
Todes durch Jesus selbst." Diesen Satz der Einleitung (S. 9) löst
der Vf. in seinem Buch voll ein. Er weiß, daß er mit seinem Urteil
gegen die heute in der theologischen Wissenschaft beider Konfessionen
weitgehend herrschende Meinung steht und er ist sich der systematischen
Voraussetzungen und Implikationen seiner Arbeit wohl
bewußt.

Nach einem kurzen Einblick in den gegenwärtigen Diskussionsstand
bezüglich der Abendmahlsüberlieferung legt P. eine äußerst
hilfreiche, nach „Struktur" und „Motiven" minutiös gegliederte
Synopse der neutestamentlichen Abendmahlstexte vor, die seiner folgenden
Argumentation Anschaulichkeil und Durchsichtigkeit verleiht
.

Die exegetische Analyse der Abendmahlstexte, die P. mit bekannter
Scharfsinnigkeit und Gründlichkeit, aber auch bemerkenswerter
Gewißheit vorträgt, hat zum Ergebnis, daß allein die Mk-Fassung als
Ausgangspunkt für die Rückfrage nach dem Todesverständnis Jesu in
Frage kommt. Denn Lk 22,15-18 gibt keine Tradition wieder, sondern
ist redaktionelle Bildung von Mk 14,23-25 her. Hinsichtlich Lk
22,19-20 neigt P. - unter Bezug auf Rese - zur Bevorzugung des
Kurztextes, meint aber, auch den Langtext als lukanisch-
redaktionellen „Mischtext" aus der Paulus- und der Mk-Fassung erklären
zu können. Im Interesse der Überzeugungskraft seiner Methode
hätte er sich hier freilich besser eindeutig entschieden. Sachlich
allerdings ist ihm zuzustimmen, daß weder der Kurz- noch der Langtext
für die Rückfrage nach dem ältesten Überlieferungsbestand den
Ausgangspunkt bieten kann. Auch der Paulus-Text erweist sich, insbesondere
aufgrund einer interessanten gattungs- und formkritischen
Analyse, als Mk gegenüber sekundär. Die Mk-Fassung bietet eine berichtende
Erzählung, die die vorgestellte historische Situation nicht
überschreitet, Paulus dagegen eine Kultätiologie, die freilich bis in die
aramäischsprachige Jerusalemer Urgemeinde zurückgeht. Entscheidend
aber ist, daß sie dort „aufgrund des erzählenden Berichts vom
letzten Mahl Jesu mit den Zwölfen (Mk 14,22-25)... abgefaßt" ist
(S. 59). Die Paulus-Fassung ist mithin gleichsam unmittelbar von der
Mk-Fassung abhängig.

Hier scheint mir P. denn doch Folgerungen zu ziehen, die sich
selbst aus seinen eigenen Ausführungen noch nicht so eindeutig ergeben
. Mag man ihm in der Beurteilung der Mk-Fassung als der gegenüber
Paulus älteren und ursprünglicheren auch folgen, so führt das
Urteil, die Paulus-Fassung setze ausschließlich die Mk-Fassung vor-