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Ausgabe:

1981

Spalte:

801

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Maag, Victor

Titel/Untertitel:

Kultur, Kulturkontakt und Religion 1981

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Seite 1

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80!

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

802

Maag, Victor: Kultur, Kulturkontakt und Religion. Gesammelte Studien
zur allgemeinen und alttestamentlichen Religionsgeschichte.
Zum 70. Geburtstag herausgegeben von Hans Heinrich Schmid
und Odil Hannes Steck. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen -
Zürich 1980. VII, 397 S. gr. 8' Kart. DM 65,-.

Am 17. Februar 1980 beging der Zürcher Alttestamentier, Religionswissenschaftler
und Altoricntalist Victor Maag seinen 70. Geburtstag
. Seine Kollegen veranlaßten ihm zu Ehren den Nachdruck
seiner wichtigsten in Zeitschriften erschienenen Arbeiten. V. Maag,
der besonders durch seine Darstellung der Kultur Syriens/Palästinas
in der von H. Schmökel herausgegebenen .Kulturgeschichte des Alten
Orient' (Stuttgart 1961, 448-604) weit über den Kreis der Fachleute
hinaus bekannt geworden ist, gehört zu den wenigen Alttesta-
mentlern, die nicht nur religionsgeschichtliche Parallelen in der Umwelt
des Alten Testaments suchen und berücksichtigen, sondern bemüht
sind, von einem Gesamtverständnis der Lebensäußerungen der
Religion ebenso das Alte Testament zu sehen wie religiöse Aspekte
im neuzeitlichen kulturellen Bereich aufzudecken. In der Zusammenstellung
vermitteln seine z. T. in schwer zugänglichen Zeitschriften
erschienenen Aufsätze ein geschlossenes Bild seiner Auffassung und
lassen die mannigfaltigen Anregungen, die seinen Forschungen zu
verdanken sind, erneut lebendig werden. Besonders verwiesen sei auf
zwei erstmalig veröffentlichte Arbeiten: .Kosmos, Chaos, Gesellschaft
und Recht nach archaisch-religiösem Verständnis' und .Zum
ersten Gebot'.

K.-H. B.

Altes Testament

Wöller, Joh. Ulrich: Die verborgene Logik der Bibel. Eine Auslegung
der Urgeschichte. Frankfurt/M.: Haag + Herchen 1979. 191 S. 8*.
Kart. DM 29,80.

Das Buch ist eine durchdachte Verteidigung der sexualen Auffassung
des Sündenfalls. Der Vf. beginnt in Gen 3, greift nach Gen 2 zurück
und folgt dann dem Ablauf der Urgeschichte bis zum Ende von
Gen 11. Das Buch endet mit „Perspektiven und Fragen" zuerst „für
das AT", dann „für das NT" und im letzten Absatz mit einer Bitte
„um Nachsicht" für die Arbeit, die man „als Anfrage an Theologie
und Kirche, ,ob es sich so verhalte'", betrachten soll.

In einem kurzen Vorwort (1-5) behauptet der Vf., daß die heutige
weitgehende Unglaubwürdigkeit des Christentums damit zusammenhänge
, daß der üblichen Darlegung der biblischen Botschaft eine
deutliche Logik fehle. Diese Logik will der Vf. dem Leser durch seine
Deutung der Urgeschichte anbieten. Dann folgt (6-9) ein Literaturverzeichnis
; der Vf. bemerkt selbst (4), daß er „nur deutschsprachige
Kommentare berücksichtigt" habe und auch nur eine Auswahl. Jedoch
ist die wichtigste exegetische Literatur zur Urgeschichte da.

Das erste Kap. „Adam und Eva" geht von der Frage aus, wie das
Schamgefühl entstanden ist. Um diese Frage beantworten zu können,
behauptet der Vf., daß der biblische „Erzähler etwas anderes meint,
als er sagt" (S. 11 - methodisch eine bedenkliche Voraussetzung!),
wenn er vom Sündenfall spricht. In dem folgenden Absatz „Das Paradies
" legt der Vf. dann alle Einzelzüge der Überlieferung allegorisch
aus und schreibt ihnen sexuelle Bedeutung zu, z. B.: der Baum des
Lebens sei die Zeugungsmacht, die Schlange der Penis, das Reden der
Schlange die Erektion, das Versprechen „wie Gott zu werden" die bewußte
Erfahrung der geschlechtlichen Vereinigung (wo ist dieses Gottesverständnis
sonst in der Bibel angelegt?) usw. Und also versteht er
den Ungehorsam Adams und Evas als geschlechtlichen Ungehorsam
- und als die Ursünde der Menschheit (32). Er erkennt zwar auch die
Spannung zwischen dieser seiner Auflassung und dem „Fruchtbarkeitsgeheiß
", aber er überwindet sie, indem er zwischen dem „gottgesetzten
Zeitpunkt" und dem „vom bloßen Lustverlangen geleiteten

Gebrauch der Geschlechtsfähigkeit" unterscheidet. Der sexuelle
Mißbrauch habe die Überbevölkerung der Erde zur Folge (30f). Alle
folgenden Kapitel des Buches sind eigentlich nur eine möglichst konsequente
Durchführung der dargelegten Auffassung, wobei der Vf. in
allen Texten sexuelle Züge entdeckt oder in den Text hineinproji-
ziert, wie er z. B. S. 124 Henochs Wandel mit Gott als einen „einwandfreien
Umgang mit der Geschlechtlichkeit" bezeichnet (wäre
das nicht etwas dürftig, um die Beziehung zwischen Gott und Mensch
auszudrücken?).

Das Kapitel „Göttersöhne und Menschentöchter" findet der Rez.
besonders problematisch. Es beginnt mit einer unbelegbaren Behauptung
, daß die Zurückhaltung der Männer die „Bereitschaft der
Frauen, sich von anderen Männern finden zu lassen" (128), herausgefordert
habe. Diese wollen „ohne Schuldbelastung, die ihnen der Verkehr
mit irdischen Männern gebracht hat, ihrer Bestimmung zur
Fruchtbarkeit dienen ... so wünschen sie ... von göttlicher Seite her
begattet zu werden", anders gesagt, sie wünschen eine „Ausschaltung
des irdischen Mannes" (ebd.), sie wollen „als Jungfrauen Mutter [zu]
werden (wie Maria)... eine blasphemische Perversion!" (ebd.).

Die Sintflut ist eine „entsprechende Antwort" Gottes auf die Sehnsucht
, vom Himmel begattet zu werden; sie ist „eine Befruchtung der
Erde im Übermaß, in einem Maß, das alles Leben zum Erlöschen
bringt" (137).

Eine Stellungnahme im einzelnen erübrigt sich wohl, weil der Vf.
sich nicht von dem Text selbst, sondern von dem leiten läßt, was s. E.
dahintersteht, und worüber man selbstverständlich nicht diskutieren
kann, weil es sich jeder Beweisführung entzieht.

Der Abschluß des Buches „Perspektiven und Fragen" (185-191)
wurde schon am Anfang dieser Besprechung erwähnt. Sein erster Teil
„Für das AT" mündet in den Satz: „So gestatten viele Fakta die
Frage, ob nicht doch ein Christuszeugnis des AT religionsgeschichtlich
zu erheben ist" (186), also von den Fakten und nicht nur vom
Glauben, von einer theologischen Deutung her. Bedeutet das, daß für
den Vf. die Offenbarung im AT anders als nur durch den Glauben
greifbar ist? Ich kann diesen Verdacht nicht los werden. - Der zweite
Absatz „Für das NT" mündet in eine Meditation über die Bedeutung
der Parthenogenesis. Der Vf. sagt wörtlich: „Die jungfräuliche Geburt
Jesu als Geburt ohne Empfängnis, das deutliche Gegenteil zum
Anteil des Weibes am Urfall, ist damit conditio sine qua non für den
Wert des Todes Jesu ... (187).. . Das Festhalten der Jungfrauengeburt
in den altchristlichen Bekenntnissen und die seit Irenaus nachweisbare
Wertung von Gen 3,15 als Protoevangelium scheinen letzte
Ausläufer der Kenntnis des der früheren Christenheit bekannten Geheimnisses
zu sein" (189), nämlich daß sich alles (wenn ich hier den
Vf. richtig verstehe), die Sünde und das Heil, um das Sexuelle dreht.
Und gerade das glaube ich nicht. Sicher ist die Sexualität eine wichtige
Dimension des irdischen Lebens, in die sich manches, ob
Schlechtes oder Gutes, hineinprojiziert; m. E. hat der Vf. Folge und
Ursache verwechselt: Die Sünde wächst nicht aus einem Mißbrauch
der Sexualität, sondern aus dem .sich selbst und nicht Gott wollen',
sich gegen Gott stellen, und seine Stelle übernehmen wollen; das sagt
Gen 3,5 ganz deutlich.

So ist das Buch trotz mancher positiven Beobachtungen, Anregungen
und einer fließenden Sprache, die die lange Predigtpraxis des Vf.
widerspiegelt, eben in seinem Hauptanliegen nicht überzeugend.

Prag Jan Heller

Whybray, R. N.; Thanksgiving for a Liberated Prophet. An Interpretation
of Isaiah Chapter 53. Sheffield: Department of Biblical Stu-
dies, University of Sheffield 1978. 184 S. 8" = Journal for the
Study of Old Testament, Suppl. Series. 4. Kart. £ 3.50; Lw. £ 6,-.

Als Deuterojesaja aus dem Gefängnis entlassen wurde (oder ausgebrochen
war - wer will das so genau wissen), da sang er in der exilischen
Gemeindeversammlung einen individuellen Dankpsalm, der