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Ausgabe:

1981

Spalte:

796-797

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Geense, Adriaan

Titel/Untertitel:

Pneumatologische Entwürfe in der niederländischen Theologie 1981

Rezensent:

Petzoldt, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 11

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besonderen Kontext einreihen in die internationale Diskussion über
den Geist. Es ist klar, daß sie sich alle drehen um die Frage nach der
Aktualität Gottes, nach seinem neuen Ausgehen zu uns in unserer
Zeit, um die Frage nach der Gestaltwerdung des Glaubens im Leben
unserer orientierungslosen Zeit. Mit der Frage nach Gottes Aktualität
ist die Frage nach seiner Gegenwart in unserer Erfahrung verbunden.
Das sind auch die Themen der pneumatologischen Diskussion, die
im deutschen und angelsächsischen Sprachraum geführt wird. Ist es
möglich, die Erfahrung Gottes heraufzubeschwören durch die Änderung
der Struktur der Theologie, so daß sie, statt in der bisherigen geschlossenen
christologischen Form - die man vor allem bei Karl
Barth dominieren sieht - die neue Öffnung nach vorn erstrebt in
einem pneumatologischen Ausgangspunkt? Barth selber habe, so
wird immer wieder erinnert, in seinen letzten Lebensjahren die Möglichkeit
einer pneumatologischen Theologie begrüßt und gefordert.
Diejenigen, die das als Barths Absage an seine eigene bisherige Theologie
verstehen möchten, urteilen aber zu schnell: als ob Barth nicht
selber in den pneumatologischen Abschnitten seiner Versöhnungslehre
(Die Weisung des Sohnes, Die Verheißung des Geistes) in diese
Richtung Öffnungen geschaffen habe. Es kann überhaupt nicht
darum gehen, christologische Ansätze gegen pneumatologische Ansätze
oder umgekehrt auszuspielen. Beide Ausgangspunkte können
sich immer innerhalb eines theoretischen Rahmens abspielen und damit
ist überhaupt nichts gewonnen.

Fruchtbar kann ein pneumatologischer Neuansatz in der Theologie
erst werden, wenn die Theologie ihren Ort in der Gemeinde wieder
entdeckt, wo also nicht die distanzierenden Fragestellungen der Universität
, sondern das konkrete Leben von konkreten Menschen innerhalb
der Gemeinde den locus theologicus bilden. Das vielberufene
Erfahrungsdefizit in der Theologie ist ein Gemeindedefizit. Leben in
der Gemeinde ist eine Erfahrung, und zwar nicht eine in sich selbst
verschlossene, innerkirchliche Erfahrung, sondern ein Leben, das
sensibel wird Tür alle Nöte des Weltgeschehens. Leben in der Gemeinde
ist Erfahrung, wenn auch nicht in der Kategorie der Verwirklichung
, sondern der Hoffnung.

In allen drei vorgeführten niederländischen pneumatologischen
Entwürfen ist der Weltbezug der pneumatischen Erfahrung sehr stark
herausgekehrt, und das würde noch viel deutlicher sein, wenn das
vollständige theologische Werk der drei Theologen und nicht das
stark verkürzende Referat unseres Berichtes vor uns läge. Keiner vertauscht
diesen pneumatischen Weltbezug für eine neue charismatische
Emotionalität. Aber die Einsicht, daß das Leben in der Gemeinde
der konkrete Ort ist, den der Geist uns weist, um das Wort
Gottes in Christus zu hören, setzt sich bei den drei vorgeführten
Autoren auf unterschiedliche Weise durch. Die Einsicht, daß der
Geist der Gemeinde gegeben ist, bedeutet mehr als die Gemeinde pro
forma zu sehen als die Einschlagstelle eines noetisch-applikativen
Vorgangs, den man der früheren Pneumatologie als Beschränkung
vorwarf. Die Rede vom noetisch-applikativen Modell setzt doch wieder
ein distanzierend-historisches Denken voraus, in dem das carte-
sianisch isolierte Ich nach einem historischen Ursprung zurückfragt.
Bei Noordmans hörten wir schon, daß solches historisierendes Fragen
einen Rückfall hinter eine ursprüngliche pneumatische Unmittelbarkeit
bedeutet. Noordmans macht eine stark methodische Unterscheidung
zwischen „Kirche" und „Schule" als Ort der Theologie. In der
Schule wird viel breiter, aber viel weniger unmittelbar gefragt. Van
Ruler kennt drei oder vier hermeneutische Orte für die Wahrnehmung
des Werkes des Geistes: das persönliche Leben, die Kirche, das
Ethos und die christianisierte Kultur oder den Staat; dabei hat keiner
eine Wurzelfunktion: sie sind alle gleichursprünglich. Was vom Geist
eingegangen ist oder vermischt worden ist mit den Lebensformen, den
Institutionen, ist Gegenstand der Erfahrung und des Theologisierens,
und je stärker diese Formen sich vom besonderen Christlichen abheben
, um so näher sind die dem Reich Gottes. Berkhof möchte die
enge Verbindung zwischen Christologie und Pneumatologie dadurch
hervorheben, daß der Geist die Gleichförmigkeit mit Christus als dem

wahren Bundespartner Gottes bewirkt, wobei eine Entsprechung dieser
Gleichförmigkeit im persönlichen Leben und in der Gesellschaft,
die vom Evangelium berührt worden ist, angenommen wird. Dadurch
kann auch bei ihm die Kirche nicht den eindeutigen herme-
ncutischen Ort der Wahrnehmung des Geistes bilden: daneben gibt es
die historisch-phänomenologische Betrachtungsweise, die sich für
den anschaulichen Gesamtprozeß interessiert, der Gestaltcharakter
hat. Wäre der Geist in der Gemeinde der eindeutige hermeneutische
Ort, so könnte Berkhof wohl nicht von Niederlagen des Geistes reden.
Solches Reden setzt eine bestimmte Vorstellung von dem, was pneumatische
Verwirklichung ist. voraus. Bei Noordmans hörten wir dagegen
, daß gerade das Zerbrechen bestimmter Formen das Wirken
des Geistes anzeigen könnte.

In der internationalen pneumatologischen Diskussion geben wir
einander Teil an unseren eigenen Verlegenheiten, die je nach unserem
besonderen Kontext ein besonderes Gesicht vorzeigen. Wir fragen
in diesen Kontexten nach dem Geist, d. h. nach neuer Erfahrung
von Gemeinde auf den Bruchlinien der modernen Geschichte, die
mehr von der Drohung des apokalyptischen Untergangs als von der
Leuchtkraft neuer Formen geprägt zu sein scheint. Zugleich theologi-
sieren wir faktisch von der Situation unserer großen Volkskirchen
aus, die in der Krise sind, weil sie nicht mehr den Ort bilden, an dem
Menschen das Zusammenkommen von Wort und Leben und Geschichtserfahrungen
erwarten. Die Spannung, die daraus in unserer
theologischen Existenz entsteht, können wir nicht mehr durch große
zusammenhängende pneumatologische Konzeptionen überdecken.
Es zeichnet sich eine neue Epoche des fragmentarischen und kontex-
tuellen Theologisierens ab. Um so mehr werden wir angewiesen sein
auf die theologische Kommunikation über Landes- und Traditionsgrenzen
hinweg. In diesem Zusammenhang möchte auch der oben-
stehCnde Bericht gelesen und verstanden worden sein.

Postscriptum: Ungefähr gleichzeitig mit der Ausarbeitung dieses
Artikels kam mir ein Artikel von Berkhof unter die Augen, der genau
die gleiche Thematik behandelt: „Die Pneumatologie in der niederländischen
Theologie", in: Theologie des Geistes, herausgegeben von
Otto Dilschneider. Gütersloh 1980 (angezeigt ThLZ 105, 1980 Sp.
855). Auf diesen Artikel und diesen Band sei zur Ergänzung und zum
Vergleich gerne verwiesen.

Allgemeines, Festschriften

Kominiak, Benedict [Hrsg.]: Loci ubi Deus quaeritur. Die Benediktinerabteien
auf der ganzen Welt. St. Ottilien: EOS-Verlag 1981.
527 S. m. zahlr. Abb. 4". Pp. DM 98,-.

Anläßlich des 1500. Geburtstages des hl. Benedict (11.7. 1980)
werden die z. Zt. bestehenden 250 Benediktinerklöster vorgestellt.
Der Herausgeber möchte eine Art „Familienalbum der großen Benedi
kunerfamilie" darbieten, wobei dem Abtprimas V. Dammertz OSB
das Gewicht auf „der Verpflichtung auf die Benediktinerregel in ihrer
flexiblen Deutung" liegt (Vorwort). Jedem selbständigen Haus (Abtei,
Priorat) steht je eine Doppelseite für meist 2 oder 3 Fotografien sowie
für einen dreisprachigen Text (Deutsch, Englisch, Französisch) zur
Verfügung. Darin kommen jeweils zunächst mit dem Klosterwappen
die genaue Anschrift und der numerische „Status personarum" (Gesamtzahl
der Mönche und Zahl der geweihten Priester - die Gesamtzahl
eines Hauses bewegt sich zwischen 4 und 303) zur Kenntnis.
Entsprechend einem offensichtlich vorgegebenen Fragenschema erfährt
man die wichtigsten Daten und Fakten der wechselreichen Existenz
- und der Baugeschichte der jeweiligen Niederlassung, sodann
die jetzigen Arbeitsbereiche liturgischer, missionarischer und diakonischer
Art. Der „Index monasteriorum geographicoalphabeticus"
(S. 11-15), in sich schon aufschlußreich, gewinnt seine eigentliche