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Ausgabe:

1981

Spalte:

57-58

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schillebeeckx, Edward

Titel/Untertitel:

Menschliche Erfahrung und Glaube an Jesus Christus 1981

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. I

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Hingen noch in das Schema einer irrtumsfreien Dogmenentfaltung zu
pressen. Das Problem besteht aber gerade in der Aufarbeitung konfes-
sionstrennender Dogmen bzw. Bekenntnisse. Die Darlegungen des
Vf. sind geeignet, einen Weg für diese Arbeit zu ebnen, aber es wird
nicht recht deutlich, ob er selbst entschlossen ist, auf ihm voranzuschreiten
.

Leipzig Helmar Junghans

Schillebeeckx, Edward: Die Auferstehung Jesu als Grund der Erlösung
. Zwischenbericht über die Prolegomena zu einer Christologie.
Übers, v. H. Zulauf. Freiburg-Bascl-Wien: Herder 1979. 150S. 8' =
Quaestiones Disputatae, 78. Kart. DM 28.50.

-: Menschliche Erfahrung und Glaube an Jesus Christus. Eine
Rechenschaft, übers, v. H. Zulauf. Freiburg-Basel-Wien: Herder
1979. 79 S. 8'. Kart. DM9.80.

Mit diesen beiden Bändchen - das zweite ist im wesentlichen auch
'rn ersten enthalten - beginnt die Disputation eines Autors mit seinen
Opponenten. Bei dieser Gelegenheit Wird mitgeteilt, daß die bisher
vorliegenden beiden großen Bände von Schillebeeckx, „Jesus. Die
Geschichte von einem Lebenden" (1975) und „Christus und die Christen
. Die Geschichte einer neuen Lebenspraxis" (1977) (vgl. ThLZ
103, 1978 Sp. 423ff; 104, 1979 Sp. 294ff) zu einer Trilogie erweitert
werden sollen. Der angekündigte dritte Band wird die Pneumatologie
und die Ekklesiologie behandeln. Dieser Abschluß hätte freilich auch
zur Folge, daß die Trinitätslehre, eine spezielle Theologie sowie die
Lehre von der Schöpfung und Erhaltung nicht besonders behandelt
würden. Dies ist bezeichnend für einen christozentrischen Ansatz, bei
dem unter hermeneutischen und ethischen Gesichtspunkten vor
allem die Vermittlung des Werkes Christi in den Werken der Christen
bedacht wird.

Die Disputation beschränkt sich auf Rezensionen aus den ersten
beiden Jahren nach der Veröffentlichung des ersten Bandes, in dem
Grundfragen der Christologie erörtert wurden. Ein Epilog am Schluß
steht unter der Frage: „Ja oder Nein, ist Tür sie Jesus noch Gott?" Bedenken
in dieser Richtung waren von einigen Rezensenten bereits
vorgebracht worden; inzwischen wurde diese Frage offiziell von der
Kongregation für die Glaubenslehre an Schillebeeckx gerichtet, der
sie mit einem eindeutigen Ja beantwortet hat.

Es ist dies zwar ein intern-kirchlicher Vorgang des römischen Lehramtes
, aber er hat doch auch erhebliche Bedeutung für das ökumenische
Gespräch. Denn es ist das erklärte Ziel von Schillebeeckx, auf
der Grundlage eines weitreichenden Konsens' akademischer Theologie
in den verschiedenen Kirchen und im Blick auf den Erfahrungs-
berrizont des heutigen Menschen das neu zu erschließen, was Inhalt
christlicher Verkündigung ist. So ist es auch nicht überraschend.
Wenn unter den Kritikern die Beurteilung in Zustimmung wie in den
Hedenken keineswegs den konfessionellen Grenzen folgt. Vielmehr
geht es um theologische Fundamentalprobleme, die sich heute in
allen Kirchen stellen, freilich dann auch überall zu Bedenken oder
gar offenen Gegensätzen führen. Ganz allgemein steht dahinter die
Erage, inwieweit der exegetischen Forschung mit ihren Ergebnissen
eme normative Bedeutung für die Theologie zukommt und in welchem
Umläng die Substanz christlicher Glaubenslehre dem Wechsel
der Erfahrungen in der Verschiedenheit geschichtlicher und gesellschaftlicher
Situationen angepaßt werden muß. Was man als den
..Stand der theologischen Forschung" bezeichnet, steht natürlich in
einem sehr engen Zusammenhang mit dem jeweiligen Erfahrungs-
bori/onl der Zeil.

Die Einwände, mit denen sich Schillebeeckx auseinandersetzt, sind
bezeichnend für bekannte Fronten: Neo-Liberalismus. Vorliebe für
die Q-Tradition unter Vernachlässigung johanneischer Theologie
und kirchlicher Tradition, dazu die immer wieder sorgenvoll drängende
Frage, ob nicht in der Konzentration auf die geschichtliche und
menschliche Person Jesu einerseits und die Geschichte der theologischen
Interpretation andererseits der volle Gehalt des christolo-
gischen Dogmas verkürzt worden sei. Wer die Bücher von Schillebeeckx
sorgfältig liest, gewinnt sicher oft den Eindruck, es könnte so
sein; ebenso oft wird er aber auch feststellen können, wie Schillebeeckx
den latenten Gefahren einer Vermittlungs- und Erfahrungs-
•hcologic an den entscheidenden Punkten auszuweichen sucht.

indem er auf die Vielfalt biblischer und kirchlicher Traditionen hinweist
, in denen er Schwerpunkte zwar setzt, ohne jedoch grundsätzliche
Ausschließungen vorzunehmen. Die Erwiderung auf einzelne
Kritiken zeigt dieses Verfahren noch einmal in aller Klarheit.

Die Antwort des Autors auf die an ihn gerichtete Frage nach der
Gottheit Jesu Christi wird im Epilog dann so zusammengefaßt: „Wir
können Gottes Wesen und seine Offenbarung nicht auseinanderreißen
. Daher hat der Mensch Jesus bei der Bestimmung dessen, was
er ist, tatsächlich mit dem Wesen Gottes zu tun. Ob und wie wir das
theoretisch noch genauer bestimmen können, sollen oder dürfen,
danach bin ich noch auf der Suche. Ich schrecke davor zurück, das
Geheimnis einer Person, vor allem der Person Jesu, sozusagen bjs aul
die Knochen umreißen zu wollen. Wenn Menschen noch mehr zu
sagen haben, als sie rational zum Ausdruck bringen können, beginnen
sie, Geschichten und Parabeln zu erzählen ..." (148f).

Eine solche Verhaltenheit gegenüber dogmatischen Definitionen
ist beliebt und wird immer weitgehender Zustimmung sicher sein
dürfen, wo die christliche Verkündigung sich durch die Moderne in
Frage gestellt sieht und wo die Theologie in den Fraglichkeiten des
heutigen Menschen ihre Anknüpfungspunkte sucht. Mit unterschiedlichen
Graden ist das schon eine Art Normaltheologie. Doch zweierlei
wird dabei übersehen: Einmal, daß das Christusbekenntnis immer
nur durch den Geist gewirkt ist und infolgedessen auch Kriterium des
Geistes ist; zum anderen besteht die Gefahr, daß über dem Suchen
nach einer Möglichkeit für die Anknüpfung und Vermittlung die
Notwendigkeit der Unterscheidung und Scheidung von Wahrheit und
Irrtum übergangen wird. So betrachtet ist es nicht überraschend,
wenn in den theologischen und kirchlichen Auseinandersetzungen
immer wieder Glaubensbegründung und Glaubensentscheidung
polarisiert werden. Im Wesen der dogmatischen Aufgabe liegt das
nicht, sondern es ist eine Folge ihrer Verkürzung. Bleibt nur abzuwarten
, ob nicht der angekündigte dritte Band der Trilogie im Zusammenhang
der Pneumatologie und der Ekklesiologie diese weithin vernachlässigte
Thematik zur Sprache bringen wird.

Heidelberg Reinhard Slenczka

Geach, Peter: Providence and Evil. The Stanton Lectures 1971-2.
Cambridge - London - New York - Melbourne: Cambridge Uni-
versity Press 1977. XXII, 153S. 8'. Lw.£4.50.

Die Studie stellt einen von drei in Cambridge edierten Bänden der
Stanton Lectures (1971-1974) dar (die übrigen Bände sind mit „The
Virtues" und „Freedom and Predication" betitelt). Ein in Thesen
gefaßtes, ausführliches Verzeichnis des Inhalts (Analytical Table of
Contents. S. V-XXII) führt den Leser in die Absicht des Buches ein.
Providentia, gute Schöpfung und die in der Welt vorfindlichen Übel
sollen in Beziehung zueinander gesetzt werden. Geach wendet sich
gegen das Anlegen anthropomorpher Maßstäbe an Gottes Handeln,
unternimmt aber gleichzeitig den Versuch, die theologischen Sachfragen
logisch zu durchdringen.

In zwei größeren Komplexen wird zunächst über Gottes Allmacht
(omnipotenz; almightiness) gehandelt (Omnipotence, 3-28. An lrre-
levance of Omnipotence, 29-39). Dabei wird die Frage nach Gottes
Weisheit und Güte in Entgegnung an modernistische Richtungen der
Moralphilosophie als nicht abstrahierbar von der Omnipotenz angesprochen
. Vertrauen in das offenbarende Handeln Gottes und in sein
Heilsversprechen fordere die Gleichzeitigkeit von unbedingtem
Glauben an seine Allmacht und die Gewißheit, daß Gott in seinem
Gottsein bestimmte Dinge nicht tue und darum auch nicht wolle
(„ ... that there are certain describable things that God cannot do and
therefore will not do" - 23).

Die Frage der Allwissenheit (im Sinne des Vorherwissens) wird unter
„Omniscience and the Future" (40-66) erörtert. Die Unveränder-
lichkeit des Weltschöpfers und der stete Wechsel im zeitlichen Ablaut
des Geschehens werden so aufeinander bezogen, daß die Zukunft als
durch Gottes Willen determiniert gedacht wird („I think God knows
the future by Controlling it." - 57). Es sei falsch zu behaupten, Gott
sähe das künftige Geschehen gleichsam präsent. Geach weist verschiedene
theologische Versuche, das Vorhandensein von Sünde
durch eine Urheberschaft oder Zulassung Gottes zu erklären oder zu
umschreiben, zurück. Die Sündigkeit des Menschen hindere diesen.