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Ausgabe:

1981

Spalte:

55-57

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schrodt, Paul

Titel/Untertitel:

The Problem of the beginning of dogma in recent theology 1981

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 1

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Ganoczy, Alexandre: Calvins Theologie der Ortsgemeinde (Cath 34,
1980 S. 1-14).

Geyer, Carl-Friedrich: Schicksalsglaube und selbstverantwortete
Subjektivität. Zur Bewältigung des griechisch-römischen Schick-
salsglaubcns durch das frühe Christentum (NZSTh 22. 1980
S.45-62).

Hornig, Gottfried: Die Freiheit der christlichen Privatreligion.
Semlers Begründung des religiösen Individualismus in der protestantischen
Aufklärungstheologie (NZSTh 21, 1979 S. 198-211)..

Iserloh, Erwin: Die Abendmahlslehre der Confessio Augustana, ihrer
Confutatio und ihrer Apologie (Cath 34, 1980 S. 15-35).

Kiss, Igor: Das Problem der Ambivalenz in Luthers Lehre von den
zwei Reichen im Kontext seiner Sozialethik (ZdZ 1980, S. 52-62).

Rentz, Winrich: Die Analyse und Interpretation des argumentum
Anselmi von Heinrich Scholz (NZSTh 21, 1979 S. 71-91).

Schützeichel, Heribert: Krankensalbung und Krankenseelsorge in der
Sicht Calvins (Cath 33, 1979 S. 169-198).

Wolfinger. Franz: Wesen und Aufgabe der Theologie. Das Theologieverständnis
bei Döllinger (1799-1890) und Kuhn (1806-1887) (StZ
104, 1979 S. 773-783),

Yannaras. Christos: In der Kraft des Heiligen Geistes, frei für die
Welt. Das patristische Verständnis von der Präsenz an dem Wirken
des Heiligen Geistes (ZdZ 1980S. 128-134).

Systematische Theologie:
Dogmatik

Schrodt, Paul: The Problem of the Beginning of Dogma in Recent
I heology. Frankfurt/M. - Bern - Las Vegas: Lang 1978. XXVI.
339 S. 8* = Europäische Hochschulschriften. Reihe XXII!: Theologie
, 103.

Diese 1975 von der Fakultät für Katholische Theologie in München
angenommene Dissertation geht der Frage nach: Wann und wo
beginnt das christliche Dogma? Aufs engste damit verbunden ist die
Frage: Was ist ein Dogma? Der Vf. geht nicht einfach von der Definition
des Ersten Vatikanischen Konzils aus, wonach ein Dogma ein
formulierter Lehrsat/ ist. der von der Kirche ausdrücklich als von
Gott offenbart verkündigt wird und der von jedem geglaubt werden
muß. der nicht in Ketzerei geraten und dadurch der Verdammnis verfallen
will. Gerade diese Betrachtungsweise hinterfragt der Vf.. nicht
zuletzt deshalb, weil er das ökumenische Gespräch zu erleichtern
beabsichtigt.

In dem ersten Teil gibt der Vf. einen Einblick in das Dogmenverständnis
evangelischer Theologen. Obgleich der Anfang der evangelischen
Dogmengeschichtsschreibung im allgemeinen in dem 1797
erschienenen „Handbuch der christlichen Dogmengeschichte" von
Wilhelm Münscher (1766-1814) gesehen wird, setzt der Vf. erst mit
Adolf von Hamack (1851-1930) ein, der mit seiner Behauptung, das
Formulieren von Dogmen bedeute eine Hellenisierung und damit
Verderbnis des ursprünglichen Evangeliums Jesu, sich gut als schwarze
Folie für diese Untersuchung eignet, die im Gegensatz zu dieser
Ansicht den Anfang des Dogmas möglichst früh aufspüren will. Dem
Berliner Kirchenhistoriker stellt der Vf. den Berncr Systematiker
Martin Werner (1887-1964) zur Seite, der in der Parusieverzögerung
die Ursache für die Ausbildung christlicher Dogmen fand. Anschließend
werden die Anschauungen von 14 weiteren evangelischen
Theologen vorgestellt, ehe die Zusammenfassung auf die Schwierigkeiten
eingeht. Aussagen von einer Sprache in eine andere mit ihren
Denkformen zu übertragen, was als notwendige Folge der Ausbreitung
des Evangeliums und nicht als eine automatische Verderbnis der
ursprünglichen Botschaft Christi begriffen werden muß, wie es aus
Mangel an Verständnis für einen historischen Prozeß geschieht.

Nachdem der Vf. der Ansicht widersprochen hat. daß die Ausbildung
von Dogmen erst eine Entwicklung der späteren Kirchengeschichte
und einen Abfall vom Ursprünglichen darstellt, wendet er
sich der Frage zu. was unter dem Begriff „Dogma" von der Antike bis
in die Gegenwart verstanden wurde. Er verfolgt dabei zwei Ziele:
einerseits will er der Ansicht entgegentreten, daß zwischen dem antiken
und dem modernen Gebrauch ein Bruch besteht, andererseits
nicht ohne weiteres das sich wandelnde Verständnis dieses Begriffes

als geradlinige Entfaltung der Bezeichnung für eine christliche Offenbarungswahrheit
beurteilen. Die exegetischen Untersuchungen führen
zu der Behauptung, daß der Inhalt des Wortes „Dogma" in den
biblischen Schriften mit „order", „ordinance", „decision", „decree"
und „stipulation" ausreichend umschrieben sei, außer Job 13,4, wo
es „teaching" bedeute. Eine Durchsicht der Verwendung des Wortes
„Dogma" bei den Kirchenvätern und den Scholastikern ergibt, daß
sie es vorrangig in dem weiteren Sinn von Lehre verstanden, was
besonders dort gut sichtbar wird, wo sie die Ansichten von Ketzern
damit bezeichnen. Schließlich hebt der Vf. hervor, daß sich in den
1563 gedruckten „De locis theologicis" des spanischen Dominikaners
Melchior Cano (1509-1560) die früheste Stelle linde - und nicht
erst in der „Regula fidei catholicae et collectio dogmatum creden-
dorum" von 1792 des Philipp Nuri Chrismann (1751-1810)-, an der
das neuere Verständnis formuliert ist, wonach das dogma fidei eine
Offenbarungswahrheit enthält und vom Papst bzw. dem Papst und
dem Konzil definiert sein muß. Diese hervorragende Bedeutung
Canos für die Entwicklung eines engeren Dogmenbegriffes läßt sich
allerdings auch schon bei Georg Söll: Dogma und Dogmenentwicklung
. Freiburg 1971, 12 f (Handbuch der Dogmengeschiehte 1,5) erkennen
. Schrodt unterstreicht, daß innerhalb der römisch-katholischen
Theologie vom Tridentinum angeregt seit Cano der Dogmenbegriff
weitgehend von der Gegenreformation und der Kontroverstheologie
geprägt wurde und sich vor allem auf die von Gott offenbarten
Wahrheiten bezog, während die protestantischen Theologen das
Dogma vorwiegend als „Bekenntnis" bzw. „Antwort der Kirche aul
die Offenbarung Gottes" verstanden.

Nachdem der Vf. einerseits eine Kontinuität in der Verwendung
des Begriffes „Dogma" von den biblischen Schriften bis zur Gegenwart
festgelegt und andererseits das Verständnis des Dogmas im
Sinne der Definition des Ersten Vatikanischen Konzils als spätere,
gegen reformatorische Entwicklung aufgezeigt und sich gegen eine
rein existentielle Deutung des Dogmas gewandt hat. vermag er erneut
nach dem Anfang des Dogmas zu fragen, das nicht - wie das Erste Vatikanische
Konzil festgelegt hat - von der Kirche genau ausformuliert
sein muß. Für seine Antwort wählt der Vf. Heinrich Schliers
Aufsatz „Keryma und Sophia", den dieser bereits vor seiner Konversion
zur römisch-katholischen Kirche veröffentlichte, als Ausgangspunkt
. Der Vf. übernimmt die Vorstellung von den „praesymbola",
die aus der Selbstoffenbarung des Auferstandenen vor einigen, deren
Zeugnis über das, was sie gesehen und gehört haben, und der Aufnahme
ihres Zeugnisses durch die Kirche entstanden, ehe sie in den
Glaubensformeln der neutestamentlichen Schriften ihren Niederschlag
fanden. Der Vf. fordert auf. bei den Dogmen zwischen denen,
die in den praesymbola enthalten sind, die Zentrallehren der christlichen
Botschalt umfassen und „apostolisch-göttlich" genannt werden
können, und denen, die in der nachapostolischen Zeit durch
kirchliche Proklamation entfaltet wurden und als „kirchlichmenschlich
" gelten können, zu unterscheiden. Eine Übersicht über
die Erforschung des „Apostolikums" und der Glaubentformeln im
Neuen Testament führt zu dem Schluß, daß die regula fidei sich aul
den Inhalt und nicht auf festumrissene, im Wortlaut genau fixierte
Aussagen erstreckt, wie die Verschiedenheit der neutestamentlichen
Glaubensformeln bezeugt. Aber dennoch hatte, das unterstreicht der
Vf., die Kirche bereits in dieser Zeit ein Dogma, das in einem "con-
sensus of faith" bestand, auch wenn dieser unterschiedlich formuliert
wurde.

Wann begann also das Dogma? Die Antwort des Vf. lautet: Als
Jesus Christus selbst seine Heilstaten bezeugte. Es war in der Verkündigung
der Kirche vorhanden, ehe es aufgezeichnet wurde.

Diese Dissertation steht also ganz in der allgemeinen Tendenz der
dogmengeschichtlichen Forschung, den Zusammenhang zwischen
der Verkündigung Jesu und den kirchlichen Lehrentscheidungen aufzuspüren
. Sie öffnet die Möglichkeit zu eine/ ökumenischen Theologie
, die sich von den verschiedenen Konfessionen aus gemeinsam um
die von den Aposteln überlieferten Zentrallehrcn der christlichen
Botschaft müht. Allerdings ist dafür noch mehr notwendig. Der Vf.
fordert zwar die Beachtung des historischen Prozesses in der Dogmenentwicklung
und die Unterscheidung zwischen den apostolischgöttlichen
und den kirchlich-menschlichen Dogmen, aber er erörtert
nicht, wieweit daraus auch eine Dogmenkritik folgen muß. Trotz der
offensichtlichen Höherbewertung der apostolisch-göttlichen praesymbola
vermöchte vielleicht mancher Theologe auch diese Ausfüh-