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Ausgabe:

1981

Spalte:

773-774

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Die Lesepredigt, Eine Handreichung 1981

Rezensent:

Adorf, Johannes

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Seite 1

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773

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 10

774

mit allen Menschen guten Willens im gemeinsamen Kampf für die
Errichtung einer Welt in Gerechtigkeit und Frieden" (76).

Gegenüber diesem die Sammlung bestimmenden Komplex tritt der
zweite, der der Einheit, merklich zurück. Er wird fast nur in ausgesprochen
ökumenischen Gottesdiensten angesprochen (etwa achtmal
). Einer der Gründe für dieses Zurücktreten ist: Angesichts des
„brennenden Hauses", der wachsenden Anfechtungen der Kirche,
ja der ganzen Menschheit, und des nahen Kommens des Herrn
„gibt es keine Zeit, um über die Trennungen unter den Christen zu
sprechen" (27). Umso mehr Beachtung verdienen die Predigten,
die sich dieser ureigenen ökumenischen Herausforderung stellen.
Zum Teil sehen sie die Frage der Einheit der Kirche und der
Menschheit eng verbunden.

Der dritte Komplex ist der der Weltverantwortung im allgemeinen,
der Verantwortung für die Umwelt, die Rohstoffquellen, die Entwick-
lungs- und die Bevölkerungsproblematik. Zwei Eindrücke drängen
sich dem Leser dabei auf: einerseits wie stark die Prediger innerlich
von diesen Problemen bedrängt sind und andererseits wie sie gerade
hiergegen Vorurteile in den Gemeinden kämpfen müssen. Bleibt die
Kirche „nicht hinter ihrer Aufgabe zurück, der Welt das Wort Gottes
zu verkündigen" (57), wenn sie sich dieser Weltverantwortung stellt?
Worauf an anderer Stelle geantwortet wird: „Weil Gott nicht
irgendwo außerhalb dieser Welt existiert, sondern Mensch geworden
ist, darum sind" diese Probleme „nicht etwa ,rein weltliche' oder
,rein politische' Probleme, die uns als Christen nicht betreffen, sondern
sie sind unsere ureigene Sache" (95).

Schließlich der vierte Komplex, den man mit besonderer Bewegung
liest, bei dem die unmittelbare Gegenwart eine für den Prediger
unüberhörbare Herausforderung darstellt. Hier ist vor allem die von
tiefer christlicher Verantwortung getragene Anklage des Vietnam-
Krieges durch Martin Luther King zu nennen: „Weil mir mein Gewissen
keine andere Wahl läßt!" (105). Weiter eine Predigt am Vorabend
des „Sechs-Tage-Kriegs" aus Beirut, eine andere aus Chile
nach dem Militärputsch - „Jesus Christus fordert uns auf, Kollaborateure
der Menschlichkeit zu sein" (69)! - und einige Tür die Situation
der Kirchen Afrikas und Asiens charakteristische, u. a. zu Lukas
4,18, dem Schibboleth der Christen der Dritten Welt.

Einige Predigten entziehen sich der Einordnung, zugleich aber
auch dem vom Herausgeber genannten Sammelprinzip, so wenn eine
von ihnen auf die „wirklich persönliche Frage" gestimmt ist „Ist Jesus
Euer Hirte gewesen?" (61). Solche Wendungen wie auch die in
anderen Predigten sich niederschlagende Auseinandersetzung lassen
es kaum zu, sich auf Grund dieser Sammlung dem Urteil ihres Herausgebers
anzuschließen, daß die individualistische Verengung der
Sünde, wie sie sich in der Nachwirkung von Pietismus und Rationalismus
vollzog, „so gut wie völlig verschwunden" (11) ist. Für ein solches
Urteil dürfte die Basis einer Predigtsammlung zu schmal sein,
zumal Notwendigkeit und Recht einer jeden Sammlung die Auswahl
ist. Dessen ungeachtet gebührt Gerhard Bassarak für diese Auswahl
Dank. Sie ist nicht zuletzt auch für die eigene Predigtarbeit mit Gewinn
zu lesen.

Berlin Heinz Blauert

Die Lesepredigt. Eine Handreichung, hrsg. v. H. Schnell. 12. Jg.
1978/79, 1. Reihe. München: Kaiser 1979, '512 S. 8*. Lw. DM
40,-.

Im Vorwort des Hauptschriftleiters heißt es: „Es wäre interessant,
die Predigten der einzelnen Jahrgänge . . . miteinander zu vergleichen
hinsichtlich ihres Stils wie auch der Art und Weise ihrer Aussagen
." Ein wenig vermag die folgende Besprechung diese Anfrage
zu beantworten. Denn gegenüber den Jgg. 10 u. 11 weist dieser 12. Jg.
eine größere Vielfalt der einzelnen Predigten auf. Das „narrative"
Element, der geringen Bibelkenntnis des Hörers entgegenkommend,
ist vertreten wie auch die solide disponierte Predigt, wobei letzterer

der Vorzug zu geben ist, da bloßes Erzählen oft im Informativen
steckenbleibt und die Gefahr psychologisierender Ausschmückung
nicht von der Hand zu weisen ist. Mancher Autor holt in existenziel-
ler Betrachtung des Hier und Heute weit aus und läßt relativ spät und
knapp die Beziehung zum Text aufleuchten, ein anderer geht sofort in
medias res. Das Lehrhafte ist ebenso vertreten wie das Volkstümlich-
Anschauliche, originelle Interpretation, ggf. auch von Nebenzügen
der Perikope, wechselt mit der herkömmlichen ab, die sich an den
Skopus hält. - Besonders bei der Auslegung von Texten mit zentralen
Aussagen wie etwa zum Karfreitag oder dem Reformationsgedächtnis
werden die theologischen Positionen der Verfasser deutlich markiert:
z. B. das Festhalten an dem Glaubenssatz vom stellvertretenden Leiden
Christi wie an dem sola gratia, in deutlicher Absage an theologische
Tendenzen der letzten Jahrzehnte. Das gilt mehr oder minder
für alle Predigten.

Die Beigaben (Auslegung, Besinnung, Gebet, Liedvorschläge) erleichtern
dem Lektor den Zugang zur Predigt und seinen aktiven Einsatz
. Sie ermöglichen Änderungen, zu denen das Vorwort nicht nur
ermächtigt, sondern auch ermuntert. - Zwei kritische Anmerkungen:
Das ganz persönliche Bekenntnis des Autors bei der Karfreitagspredigt
kann nicht vom Lektor ohne weiteres nachvollzogen werden.
Hier hätte die Redaktion eine Umschreibung wählen müssen. Und:
Es fehlt wiederum ein Beitrag für die Christvesper, der am Hlg.
Abend in Gemeinden mit vielen Predigtstellen unbedingt nötig wäre.

Im übrigen gilt von dieser Handreichung das bereits bei der Besprechung
der vorhergehenden Bände Gesagte (s. ThLZ 104, 1979
Sp. 9220-

Berlin (West) Johannes Adler

Praktische Theologie: Katechetik/Reli-
gionspädagogik

Baldermann, Ingo: Die Bibel - Buch des Lernens. Grundzüge biblischer
Didaktik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1980 283 S.
gr. 8". Kart. DM 34,-.

Das Lernen mit den Büchern der Bibel hat einen hohen Stellenwert
in der evangelischen Unterweisung. „Lebenslanges Lernen" ist heute
zu einer Verheißung geworden, die die kostbarste Fähigkeit des Menschen
beschreibt, sich bis ins Alter hinein noch immer Neues zu erschließen
, lebenslang fähig zu bleiben, neue Durchblicke zu gewinnen
, Urteile zu korrigieren und sein Verhalten zu ändern.

Aber allzu schnell wird die Bibel zum bloßen Lehrbuch, zur
„Materialsammlung", wobei die didaktischen Kriterien nicht aus der
Bibel selbst gewonnen werden. Meist ergibt sich heute der didaktische
Ansatz individuell aus der Methode des jeweils Lehrenden. Die
Kunst des Lehrens, das Bemühen, die heilsgeschichtlichen und religiösen
Aspekte durchschaubar zu machen, die Fähigkeit, die Zusammenhänge
behältlich aufzuschlüsseln und damit lehrbar werden zu
lassen, gelten als ureigene Domäne des Religionspädagogen. Jeder
geht mit seiner eigenen Didaktik an den biblischen „Stoff" heran.

Niemand hat bisher ernstlich gefragt, ob die biblischen Autoren
nicht eine eigene Didaktik haben, die sich nicht unter dem armseligen
Begriff „Lehr- und Lernbuch" subsummieren läßt. Die Bibel wird
„auf einen hohen und erhabenen Thron gesetzt und mit Ehrenbezeugungen
reich bedacht, aber sie ist in Wahrheit ein Gefangener des
Rituals", der jeweiligen Lehr-und Lernmethoden: „Sie darf ihr wahres
Gesicht, ihr durch und durch menschliches Gesicht, nicht mehr
zeigen" (11).

Und nun legt der Vf. ein Buch vor, das die didaktischen Aspekte
der biblischen Bücher in einer bisher übersehenen, nie bedachten, erstaunlichen
Reichhaltigkeit entfaltet und beleuchtet. Der Leser darf
miterleben, wie die Bibel aufzeigt und argumentiert, bittet und beschwört
, hart redet oder auch freundlich, um den Leser und Hörer zu