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Ausgabe:

1981

Spalte:

771-772

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Auch in unseren Tagen 1981

Rezensent:

Blauert, Heinz

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Seite 1

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771

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 10

772

Praktische Theologie: Homiletik

Kiesow, Ernst-Rüdiger, u. Helmut Fritzsche [Hrsg.]: Auch in unseren
Tagen. Predigten in der Universitätskirche zu Rostock. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt 1978. 144 S. 8 Lw. DDR M 7-; Ausland
9,80.

Neun akademische Lehrer aus Rostock - Helmut Fritzsche, Gert
Haendler, Peter Heidrich, Gottfried Holtz, Ernst-Rüdiger Kiesow,
Klaus-Dietrich Schunck, Hans-Friedrich Weiß, Konrad Weißt, Gert
Wendelborn - haben zu diesem Predigtband beigetragen. Es handelt
sich dabei um Predigten, die in den Jahren 1965 bis 1975 (eine auch
bereits im Jahre 1954) in den Universitätsgottesdiensten gehalten
wurden, das heißt vor einer Gemeinde aus Angehörigen der Sektion
Theologie, der Studentengemeinde und Gliedern verschiedener
Stadtgemeinden. Diese Sammlung verdient grundsätzlich Beachtung
; denn nach dem Vorwort der Herausgeber verstehen die Mitarbeiter
des Bandes die Publikation als ein Zeugnis dafür, daß Theologie
„immer im Dienst der Verkündigung" steht: „Was theologisch erkundet
und durchdacht wurde, soll die Menschen in der Gemeinde
erreichen" (7). Als Leitwort und Titel sind ein Satz bzw. einige Worte
aus einer Pfingstpredigt des Bandes gewählt: „Es geschieht auch in
unseren Tagen, daß Sprachgrenzen überwunden werden" (81 sie!).

Die Zusammensetzung der Gemeinde bestimmt merklich den Charakter
der Predigten. Sie sind mehr auf die Bewältigung geistiger Auseinandersetzungen
als auf die Bewältigung von Lebensproblemen
ausgerichtet, mehr akademisch distanziert als aus der Nähe eines Gemeindepfarramts
. Insofern sind sie echte Gemeindepredigten, als sie
an der Situation der Gemeinde orientiert sind. Gerade darum aber
sind sie keine typischen Gemeindepredigten, weil sie vor einer nicht
alltäglichen Gemeinde gehalten wurden. Sie sind nicht nach den Entstehungsjahren
, sondern nach dem Kirchenjahr geordnet, und es
wurde (mit zwei Ausnahmen) zu einem Sonntag des Kirchenjahres
nur eine Predigt in die Sammlung aufgenommen. Es ist fraglich, ob
diese Ordnungsgesichtspunkte glücklich gewählt sind. Jedenfalls wäre
bei einer rein zeitlichen Anordnung deutlicher als so hervorgetreten,
wie der Wandel in der Hörerschaft, der sich bei einer studentischen
Gemeinde viel schneller vollzieht als bei einer Durchschnittsgemeinde
und darum in einem Zeitraum von zehn Jahren durchaus
konstatierbar ist, sich in den Predigten - in deren Schwerpunkten und
vielleicht sogar Stil - niederschlägt. Und das wäre wohl dem Anliegen
der Sammlung, zu bezeugen, daß je in unseren Tagen Sprachgrenzen
mit der Botschaft des Evangeliums überwunden werden, zugute gekommen
.

Immer wiederkehrende Fragen, denen sich die Prediger stellen,
sind: der garstige Graben der 2000 bis 3000 Jahre, der uns vom Bibelwort
trennt - „Was aber haben wir, die wir in einer ganz anderen Zeit
und Situation stehen, mit diesem Ausspruch noch zu tun?" (86) -, das
Erlernen des theologischen Handwerks, „daß auch Vorläufiges,
Fremdes sinnvoll getan werden muß" (99), mitsamt den tiefen Zweifeln
, auch an Gott selbst, die einen auf diesem Weg befallen können -
„Es sollte auch kein Studierender der Theologie meinen, daß er,
wenn er einmal an Gott zweifle, nun überhaupt nicht mehr zum weiteren
Studium oder zum Beruf des Pfarrers und Verkündigers des
Evangeliums tauge" (88) -, die Anfechtung der kleinen Zahl, aber
auch Gottes Verheißung, die „auf jener kleinen Schar, die ihre
Situation annimmt und die bewußt und willig den Weg der Niedrigkeit
geht", ruht (121) -, das Zerbrechen einer alten Welt, während
Jesus Neues und Größeres bringt - „Vielleicht ist auch der Atheismus
nur ein Anstoß dazu, daß wir über Gott ehrlich und tiefer denken"
(19) - und schließlich die nie auszulotende Frage nach dem Sinn unseres
Lebens und der Welt: „Warum? Warum?" (43). Eine der 27
Predigten sei besonders genannt: die über den verlorenen Sohn (Luk.
15,11-32) von Konrad Weißt (91-96). Sie spiegelt das immer erneute
Gespräch mit der Heiligen Schrift in einem langen Leben wider

und läßt in ihrer Transparenz etwas von dem Segen spüren, von dem
der erste Psalm spricht.

Die Predigtsammlung ist Heinrich Benckert gewidmet, „der mit
seinem Lebenswerk die Einheit von Theologie und Verkündigung besonders
nachdrücklich vertreten hat" (7), anläßlich seines 10. Todestages
im Erscheinungsjahr 1978.

Berlin Heinz Blauert

Bassarak, Gerhard [Hrsg.]: Einheit und Frieden. Ökumenische Predigten
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1978. 302 S. 8°. Pp. M 11,20;
Ausland 15,-.

Diese 1978 erschienene Sammlung ökumenischer Predigten ist - so
teilt Gerhard Bassarak als Herausgeber es in seinem Vorwort mit -
„verhältnismäßig zufallig" zustande gekommen. In der Vorbereitung
eines Seminars über die „Predigt in der Ökumene" zeigte sich
ihm, daß an derartigen breit gefächerten Sammlungen „ein bemerkenswerter
Mangel" besteht (12). Es ist dankenswert, daß sich der
Herausgeber und die Evangelische Verlagsanstalt schnell entschlossen
, diesem Mangel abzuhelfen. Wie der Titel des Buches andeutet
, war das Sammlungsprinzip nicht, lediglich Predigten aus
der Ökumene zusammenzustellen, sondern solche Predigten, „die
Fragen der Ökumene oder des Friedensengagements von Kirchen
und Christen behandeln" (12). Die Predigten stammen, soweit sie
mit Datum versehen sind, im großen und ganzen aus der Zeit von
1967 bis 1975 (je eine von 1961 und 1963).

Bei 33 von 50 Predigern macht das Register auf eine Mitarbeit im
Rahmen der Christlichen Friedenskonferenz aufmerksam.

Die vorgelegten Predigten verteilen sich wie folgt auf die Kontinente
: 33 aus Europa, 9 aus Afrika, 7 aus Nordamerika, 4 aus Asien, 2
aus Lateinamerika, 1 aus Australien. Der Herausgeber weist selber
auf die Lücken bezüglich Lateinamerikas und der nordischen Staaten
Europas, einschließlich Großbritanniens, hin (nur Finnland ist vertreten
). Darüber hinaus ist überhaupt das Übergewicht Europas zu
bedauern. Man wünschte sich, die Dritte Welt stärker repräsentiert
zu sehen. So fehlt beispielsweise bis auf eine Predigt aus Sambia das
ganze südliche Afrika, während Asien lediglich durch je eine Predigt
aus Indien und Sri Lanka und zwei Predigten aus Japan vertreten
ist. Die konfessionelle Verteilung ist leider nicht genau zu bestimmen
, da an dieser Stelle die sonst sehr hilfreichen und umfassenden
Register unvollständig sind.

Es zeichnen sich vier thematische Komplexe ab. In der überwiegenden
Mehrzahl der Predigten schlägt sich das christliche Friedensengagement
mehr oder weniger stark nieder, selbstverständlich
in denen, die im Zusammenhang mit Tagungen der Christlichen
Friedenskonferenz gehalten wurden, aber auch in der großen Zahl
derer, bei denen kein besonderer Anlaß angegeben ist. Es ist eindrucksvoll
, diesen vielfältigen Chor zu hören, der um des Evangeliums
willen auf den Grundton gestimmt ist „Frieden ist möglich".
Denn „Frieden ist in der Existenz Jesu von Gott selber begründet",
das heißt, „daß durch Jesus Christus in den Acker der Welt und
Geschichte der Same des Friedens ganz gewiß hineingelegt ist"
(127). Die meisten Prediger sind sich darin einig, daß dieser Friede
mehr als individuelles Heil ist. In großer Nüchternheit und Klarheit
wird die Situation der Welt gesehen. „Wir sitzen in einer atomgerüsteten
Welt an unserm sonntäglichen Mittagstisch, umgeben
von den Millionen der Welthungerskatastrophe" (285). „Das Haus
brennt; und wenn es brennt, brennt es für alle, für die Armen nicht
weniger als für die Reichen, für die Ausgebeuteten nicht weniger
als für die Ausbeuter." Darum ist keine „leere Spiritualität" (207)
erlaubt, sondern „das Gebet und die Gegenwart Gottes, der in
Jesus Christus mit dem Menschen solidarisch ist", so heißt es in
einer Vater-unser-Predigt, „verlangt von uns militante Solidarität