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Ausgabe: | 1981 |
Spalte: | 759-760 |
Kategorie: | Philosophie, Religionsphilosophie |
Autor/Hrsg.: | Lotz, Johannes Baptist |
Titel/Untertitel: | Person und Freiheit 1981 |
Rezensent: | Frey, Christofer |
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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 10
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sicher demjenigen gute Dienste tun, der zu bestimmten Begriffen und
Themen der abendländischen Philosophie-Tradition erste Informationen
sucht; und insofern kommt dieses Buch sicher auch als
Arbeitsmittel für den Studenten der Evangelischen Theologie in
Frage.
Wer auf die Idee käme, man sei in die Philosophie eingeführt, wenn
man den Inhalt dieses Lernbuches gelernt habe, der hätte zweifellos
nicht nur die Philosophie, sondern auch den Autor dieser „Einfuhrung
" mißverstanden.
Marburg Wilfried Härle
Lötz, Johannes B.: Person und Freiheit. Eine philosophische Untersuchung
mit theologischen Ausblicken. Freiburg-Basel-Wien:
Herder 1979. 191 S. 8* = Quaestiones Disputatae, 83. Kart. DM
28,50.
Philosophie hat sich auseinandergelebt. Können sich Vertreter der
analytischen Philosophie schlecht mit Vertretern hermeneutischer
Philosophie verständigen, so scheint ein bestimmter Zweig katholischer
Philosophie vollends abseits der Diskussion zu stehen. Johannes
B. Lötz, Professor der Philosophie an der Gregoriana und an der
Hochschule für Philosophie in München, greift ein Thema auf, das
im Grunde alle Arten gegenwärtigen Philosophierens betreffen muß.
Aber die Abhandlung bleibt im Denken und Sprachstil der eigenen
Tradition gefangen. Wer in dieser Tradition nicht groß geworden ist,
muß ihre Begriffe erst mühsam erlernen - fast so, als ob es sich um
eine Fremdsprache handele. Darum mag es für nichtkatholische
Leser schwer sein, die Bedeutung der zentralen Begriffe zu bestimmen
und die das Werk tragende Weltansicht zu erfassen.
Denn Lötz ist unzeitgemäß. Das kann angesichts der Verdrängungen
unserer Epoche eine große Tugend sein; es kann jedoch auch bedeuten
, vielen Fragenden eine Auseinandersetzung und eine Antwort
zu erschweren. Lötz vertritt jenen aufgeklärten Thomismus, der Elemente
neuzeitlicher Autonomie, aber auch Ansätze zur transzendentalen
und existentialen Philosophie einbezieht. Im Blick auf die Sicht
des Menschen wirkt sich das so aus: Der Mensch ist vor allem Geist;
seine Personhaftigkeit wird (in freier Auslegung der Formel des
Boethius mit Hilfe des thomistischen „reditus in seipsum") an die
vollkommene Rückkehr in sich selbst (15, 86) dem Wesen des Geistes
angenähert. Denn im vollen Sinne gilt das nur von Gott. Aber die
Analogien von göttlichem und menschlichem Sein sind in diesem
Buch mitunter schwer zu durchschauen, weil Lötz die in der Analogie
mitschwingende Differenz nicht deutlich genug benennt (z. B. ist das
subsistente Sein [Gottes] selbst „Person" [58], aber müßte es dann
nicht auch über sich selbst hinaus sein, wie es vom Sein der menschlichen
Person gilt - der Mensch übersteigt den Menschen unendlich?
[28]. Der Leser wird feststellen, daß der Autor gelegentlich zu viel behauptet
und zu wenig genau definiert.
Aus der längst in die Krise geratenen Substanzmetaphysik übernimmt
Lötz den Substanzbegriff; er soll die Substanz als das Sein vor
den Vollzug stellen: Der Mensch ist „ontisch" vorbedingt (11), aber
im Vollzug gewinnt er seine Existenz („existential", 11). Dieser an
homistisches Denken angelehnte Aussagenzusammenhang grenzt
jich gegen eine einseitig verstandene Existentialphilosophie ab (z. B.
31) -Ek-sistenz als Heraustreten gehört zum substantiellen Sein des
Menschen. Eine Philosophie, die diese Zusammenhänge in einer
Vorform erkennt, hat transzendentale Erkenntnis (65).
Die wenigen referierenden Sätze lassen schon erkennen, daß Lötz
seinen Entwurf auf eine Sicht der Welt in einander übergeordneten
Erkenntnisstufen zurückgreift. Sie strukturieren auch das Sein des
Menschen: Naturkausalität bestimmt die leiblich-sinnlichen Zonen
seines Daseins (48); als Geistwesen hingegen ist der Mensch nicht
determiniert, sondern unterliegt Motivationen (49, 111 - aber die
empirische Psychologie würde diese Unterscheidung schwerlich verstehen
). Seine Freiheit ist die der Selbstbestimmung (109). Lötz
schließt Hegels und Marxens Gleichsetzung von Freiheit und Notwendigkeit
aus (114, 146), aber er läßt trotzdem eine „absolute Notwendigkeit
" (128) und den Begriff einer göttlichen Kausalität gelten
(118), die allerdings zusammen mit der menschlichen Freiheit als
Selbstbestimmung gelten kann. Von ihr her ist der Mensch Freiheit in
„seinem innersten Wesen" (die Steigerungsformen von „tief" und
„inneres" hinterlassen einen Eindruck, als wolle der Autor persuasiv
überzeugen, statt zu argumentieren), aber er hat Freiheit in seinem
Wirken (138). Diese Freiheit gründet in der absoluten Unendlichkeit,
die sich auf das Gute schlechthin (als „Formalobjekt" - verstanden
im Sinne der aristotelisch-mittelalterlichen forma-Idee) ausrichtet
und so erst für alle endlichen Güter öffnet (128).
Was ist zu dieser Skizze noch nachzutragen? Die beiden großen
Abschnitte (zur Person und zur Freiheit) münden in theologische Besinnung
(etwa zur Person Christi, zur Dreieinigkeit als dem Freiheitsgeschehen
). Was Lötz zur Person sagt, wird anhand der Rechte und
Pflichten praktisch, die Freiheit wird es im Blick auf die Geschichte
und die in ihr verwirklichte Freiheit von Menschen. Die Gnade wird
in einer abgestuften Kausalität zur Freiheit der Menschen in Beziehung
gesetzt (die reformatorische Herausforderung kommt nicht vor
-153).
Die Ausführungen des Buches gehören in einen eigentümlichen
Sprachhorizont und eine eigene Denkwelt; sie haben oft beteuernden
und vielfach apologetischen Charakter. An wieviel Anfragen muß das
Buch aufgrund seines Ansatzes vorbeigehen! Spricht Lötz vielleicht
nicht doch von jenem „Geist in der Maschine", den G. Ryle anprangert
(Der Begriff des Geistes, Stuttgart 1969)? Geht er nicht vorbei an
der diastatischen Auflösung geistigen und körperlichen Seins durch
den cartesianischen Ansatz? Das wäre zu prüfen anhand der Frage,
wieweit ein Rückgriff vor das neuzeitliche Denken mit den Folgen
zurechtkommt, die im cartesianischen Ansatz theoriefähig werden -
der Mechanisierung der Natur einschließlich des leiblichen Daseins
des Menschen, der heute offenkundigen Krise der Medizin und der
Ökologie, der Ambivalenz der Freiheit, die gegenüber der Natur kein
Maß hat und in der politischen Ordnung mit der Gleichheit ringt. Ist
die bloße Rückkehr zum Denken nach Maßgabe substantiellen Seins
da eine wirkliche Hilfe? Was Freiheit ist, wird heute im Dialog mit
Humanwissenschaften zu klären sein - Behaviorismus und analytische
Handlungstheorien verstehen sie wie Lötz als Selbstbestimmung
ohne Determination, aber halten sie gerade deswegen für eine
Illusion. Daran zeigt sich, daß Lötz in einer anderen Welt lebt - oder
zu leben scheint, denn in der vielfältigen Alltagswelt sind heute die
Folgen zu sehen, die aus den beiseite geschobenen Denkweisen - verbunden
mit gesellschaftlichem Handeln - stammen. Auch der Autor
wird sie mitleben. Aber sein Buch geht im Grunde nicht an sie heran.
Es ist trotz aller Anfragen für diejenigen ein Anstoß, die angesichts
der Übermacht kausalen oder funktionalen Denkens nach einer
Alternative suchen.
Erlangen Christofer Frey
Systematische Theologie: Dogmatik
Wimmer, Walter: Eschatologie der Rechtfertigung. Paul Althaus'
Vermittlungsversuch zwischen uneschatologischer und nurescha-
tologischer Theologie. München: Minerva Publikation 1979. XIV.
527 S. 8' = Minerva-Fachserie Theologie. Kart. DM 60,-.
Diese umfassend informierende und geschickt argumentierende
Studie wurde 1974 als Dissertation an der Gregoriana in Rom angenommen
; angeregt und betreut hat sie Juan Alfaro. Die Schriften von
Althaus sowie eine reiche Sekundärliteratur (bis 1974) sind umsichtig
verarbeitet. Freilich sind im Text manche Fehler stehengeblieben
und der Einband hält eine intensive Lektüre kaum aus. Im Teil I
(9-131) wird zunächst die vermittelnde Persönlichkeit von Paul Alt-